Vernetzt – Lernen im Web 2.0

Resume: Vernetztes Lernen bietet im Kontext des Web 2.0 bislang nur von wenigen genutzte Möglichkeiten des Lernens, die Bildungsprozesse insgesamt offener zugänglich (demokratischer) gestalten. Hierbei helfen oft monolithische Lernumgebungen im Internet nur begrenzt weiter. Weit mehr Möglichkeiten bietet die Vernetzung auf unterschiedlichen Kanälen im Kontext des Web 2.0. Einzige Voraussetzung: Der Lernende muss bereit sein, vom Wissenskonsumenten zum Wissenskonstrukteur zu werden und selbst aktiver Teil solcher Netzwerke werden.

Es geschieht noch viel zu selten, dass die Möglichkeiten der Vernetzung genutzt werden, die das Internet über das Lernen in traditionellen (und alles andere als überflüssigen) Kontexten hinaus bietet. Conectivism hat zu diesem Thema einen kleinen Film bei YouTube veröffentlicht: Networked Student, den ich hier einbette, weil er die Grundzüge der Vernetzung darstellt.

Hier findet E-Learning ohne E-Learning-Plattform statt, für die an vielen Schulen und Universität enorm viel Zeit (und teilweise auch Geld) investiert wird. Dabei verändern diese Angebote das traditionelle Lernen bislang kaum, außer dass die Aktivitäten ins Netz verlegt wurden.

Meine eigenen Beschäftigungen mit E-Learning-Plattformen, die über das Internet betrieben werden können, z. B. Moodle), führten dem entsprechend auch zu keinen befriedigenden Erlebnissen Ergebnissen. Ich dachte immer: Was diese Programme können, das kann auch jede Bibliothek, verbunden mit Telefon und E-Mail. In den meist für Außenstehende geschlossenen Angeboten fand findet keine Vernetzung statt, die über den Tellerrand des eigenen Seminars oder einer anders gearteten Lerngruppe hinaus geht.

Und spätestens nach dem Studium bringen einen solche Plattformen kaum noch weiter. Da kommt die Vernetzung über Instrumente zum Tragen, die eine Vernetzung von Menschen ermöglicht, die an ähnlichen Themen und Fragen dran sind und nicht unbedingt immer um die Ecke wohnen. Das ist an sich nichts Neues, das haben Wissenschaftler in nicht digitalen Zeiten mit Hilfe von Briefen auch schon gekonnt – und blieben unter sich. Wissen war eine Art »Geheimlehre«.

An diesem Punkt bieten Vernetzungen mit dem Ziel gemeinsamer Wissenskonstruktion demokratischere Möglichkeiten. Wissen kann offener erreicht werden, es besteht aber auch eine viel größere Möglichkeit für an Themen Interessierte, an dem Prozess der Wissensentstehung teilzunehmen.

So zumindest das Ideal. Nach wie vor gilt leider, dass das Wissen aus dem Internet konsumiert wird, oft völlig unkritisch gegenüber den jeweiligen Quellen: Ja, das Internet treibt auch die Verflachung von Wissen voran und es ist durchaus mit ein wenig Aufwand verbunden, die für einen selbst richtigen Netzwerke aufzubauen. Aber hat man erst einmal einen Fuß in der Tür, haben sich erste Kontakte ergeben, dann kann ein Netzwerk schnell wachsen, sodass man zunehmend Teil eines über das Individuum hinausgehenden Netzwerkes werden kann.

Technische Instrumente erweitern die Fähigkeiten der dem Menschen mitgegebenen Bedingungen. Bücher und nun auch das Internet erweitern die Fähigkeit der Konstruktion von Wissen. Das Internet, anders als Bücher, erlaubt die Teilhabe an der Konstruktion von Wissen für viel mehr sehr fähige Menschen.

Nochmals: Mir ist bewusst, dass zahlreiche Netzwerke im Internet nicht funktionieren oder vor allem von der Vorstellung leben, die Teilnahme an irgendwelchen Netzwerken müsse ja wohl sein, da das ja alle machen. Ich weiß, dass in vielen Foren spätestens mit dem fünften Beitrag die Streitereien beginnen. Das ist bekannt, von vielen erlebt und nicht zu leugnen.

Gerade deshalb dieser (erste) Beitrag hier zu der Frage, wie ein Ideal von vernetztem Lernen im Web 2.0, besser wäre wohl zu sagen: mit Hilfe des Web 2.0, aussehen kann (und für einige bereits heute aussieht).

Dabei verändert sich auch das Internet: Die benutzten Programme verlieren an Bedeutung gegenüber den Kontakten an sich, da sie als Webanwendungen weitgehend plattformunabhängig funktionieren und in den meisten Fällen auch ohne über Netzanbindung und Hardware hinausgehende Kosten genutzt werden können – mal abgesehen von den Reisekosten zu Tagungen, auf denen auch vernetzte Lerner den persönlichen Kontakt pflegen.

Das Internet hat (nach wie vor nur von wenigen genutzte) Potentiale, das Lernen zu vertiefen, den Horizont produktiv zu erweitern und so eine wesentlich wichtigere Rolle für lebenslange Lernprozesse zu spielen. Einzige Voraussetzung hierfür ist, dass sich die Beteiligten aus einer Konsumhaltung heraus bewegen und endlich den Mut fassen, sich selbst an Wissenskonstruktionsprozessen zu beteiligen, selbst Beiträge zur Diskussion zu stellen und produktiv und konstruktiv in Diskussionen einzubringen.

Ich habe lange gebraucht, um Menschen zu finden, die einen solchen Prozess pflegen und offen für neue Mitstreiter sind. Seit kurzem mache ich entsprechende Erfahrungen und werde über diese neuen Wege des Lernens hier auch noch weiter schreiben müssen (z.B. mal eine Bedienungsanleitung für den Aufbau einer eigenen Lernumgebung ohne E-Learning-Plattformen in der geschlossenen Form eines Programmes, in dem dann alles stattfinden soll). Für den Anfang sollen diese angerissenen Gedanken reichen, allerdings nicht, ohne noch einen entscheidenden Hinweis einfließen zu lassen: Wer sich auf Bildungsprozesse im Web 2.0 einlässt, muss damit rechnen, dass er genau die Fragen gestellt bekommt, die die Schwächen bisheriger Überlegungen Überzeugungen offen legen und zum Weiterdenken zwingen. Wer damit kein Problem hat, der kann über vernetztes Lernen im Web 2.0 viele neue Einsichten und Anregungen gewinnen, die das eigene Wissen vermehren, das Wissen anderer mit bilden und somit für viele Menschen ganz neue Möglichkeiten bieten.