Medien im Unterricht – Ein Diskussionsbeitrag

Im Blog von Fontanefan fand ich einen Artikel, der sich mit einem Medienpädgogischen Manifest und einem Artikel von Ralf Hilgenstock beschäftigt und der mich zu ein paar eigenen Überlegungen angeregt hat.

Fontanefan schreibt:

„1. Pädagogik im Medienzeitalter ist notwendigerweise u.a. Medienpädagogik. Das gilt aber schon, seit es Bücher gibt.“

Und somit ist jeder Umgang mit einem Informationsträger mit Medienpädagogik gleich zu setzen: Handschrift als Kulturtechnik gehört ebenso zur Medienpädagogik wie der Umgang mit Büchern, Theater, Film, Tonträgern, Fotografie, Malerei, Internet, Handy und Festnetztelefon, Zeitung, Zeitschrift, Magazin und was nicht noch alles unter dem Begriff Medien gefasst werden kann.

Es ist kein Zufall, dass selten von der Pädagogik eines Mediums gesprochen wird, sondern  meist im Plural von Medienpädagogik. Dieser Begriff ist schillernd. Bei Fontanefan beginnt das mit Büchern, die Definition der Bundeszentrale für politische Bildung ist da ein wenig einschränkender, wenn sie den Begriff „Medien“ als einen „Sammelbegriff für alle audiovisuellen Mittel und Verfahren zur Verbreitung von Informationen, Bildern Nachrichten etc.“ beschreibt. Worüber sprechen wir also, wenn wir von „Medienpädagogik“ sprechen?

Es handelt sich vom Wortsinn her um eine pädagogisch gestützte Heranführung an Medien. Ist das Heranführen an Bücher also Medienpädagogik? Oder gilt die Beschränkung auf audiovisuelle Medien, wie sie von der Bundeszentrale für politischen Bildung vorgeschlagen wird?

Fontanefan sagt etwas völlig richtiges, wenn Pädagogik im Medienzeitalter notwendigerweise unter anderem Medienpädagogik sein müsse. Das „unter anderem“ darf dabei nicht überlesen werden, denn natürlich ist die Heranführung an Medien nur ein Teil der pädagogischen Aufgabe aller an pädagogischen Prozessen beteiligten Personen.

Das Problem liegt beim Begriff „Medien“. Nicht nur hier, sondern in allen medienwissenschaftlichen Zusammenhängen ist der Begriff eher unscharf bestimmt. Jeder, der in medienpädagogischen Kontexten arbeitet, muss sich also mehr oder weniger selbst eine Definition suchen, die dem Medienbegriff zumindest eine pragmatische Schärfe gibt. Und damit sind wir beim zweiten Punkt, den Fontanefan anspricht:

„2. Nicht zufällig werden neuerdings fast nur noch die ‚neuen Medien’, also aufwändige, teure und vom Verschleiß besonders stark betroffene Medien im Zusammenhang mit Medienpädagogik diskutiert. Das liegt im Interesse der entsprechenden Industrie.“

Dieser Aussage kann ich nur sehr begrenzt folgen, da hier Interessen ins Spiel gebracht werden, die ohne Zweifel vorhanden sind, aber eben auch wenn es um Bücher, Zeitungen etc. geht. Wo immer ein Medium ins Spiel kommt, kommen heute auch wirtschaftliche Interessen ins Spiel – und das gilt auf für Bücher oder gar Schulbücher.

Aufgabe der Medienpädagogik ist aber natürlich auch die Heranführung an die Kompetenz des kritischen Umgangs auch mit der wirtschaftlichen Bedeutung von Medien, wie weit dieser Begriff auch immer verstanden werden mag. Dazu gehört unter anderem die Diskussion um proprietäre und offene Software.

Schon der Begriff „Power-Point-Präsentation“ ist nämlich Werbung, da damit ein proprietäres Produkt zum „Standard“ erhoben wird und z.B. die Präsentationsmöglichkeiten im Bereich der OpenSource-Software ausgeblendet werden.

Medienpädagogik ist also auch eine Pädagogik, die Lehrende zur Reflexion des eigenen Sprachgebrauchs zwingt, um eben zumindest auf Seiten der Software keine teuren proprietären „Standards“ zu befördern. Dass dies in Bezug auf die Hardware nicht so einfach ist, steht außer Frage.

Ist Medienpädagogik also Schleichwerbung für z.B. die Computerindustrie? Dem wäre so, wenn Medienpädagogik das Ziel hätte, z.B. den Computer erst einzuführen. Hier wird übersehen, dass Medienpädagogik, zumindest an Schulen, dann doch eher eine reagierende Pädagogik ist. In ihr werden nicht die innovativen Produkte der Zukunkft „vermarktet“, sondern auf eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung aufgegriffen.

Dabei hat Medienpädagogik die Aufgabe, zur Reflexionsfähigkeit gegenüber diesen Entwicklungen zu führen. Dass mit diesen Entwicklungen auch Fragen der „Kurzlebigkeit“ der Produkte verbunden sind, hat nichts damit zu tun, dass medienpädagogisch aktive Lehrende die Industrie förderten, sondern damit, dass sich in der Gesellschaft eine Entwicklung ergeben hat, die es notwendig macht, solche Medien in den Fokus zu nehmen – und zwar sowohl von der reflektierenden als auch von der praktischen Seite her.

Diese praktische Seite verlangt von Lehrenden sehr viel, da sie diese natürlich erst einmal selbst beherrschen müssen, bevor hier medienpädagogisch angemessen (und eben nicht nur in einseitiger Kulturkritik die jeweils neuen Medien verdammend) gearbeitet werden kann. – In diesem Zusammenhang stellt sich dann auch die Frage nach Möglichkeiten des produktiven Umgangs mit diesen „neuen Medien“, denn zurecht wird oft beklagt, dass diese Medien (wie Bücher übrigens auch) vor allem rezeptiv konsumierend eingesetzt werden. Doch gerade hier gibt es im Kontext „neuer Medien“ zahlreiche Möglichkeiten der aktiven Nutzung, die Wissen mit konstruiert und somit Lernprozesse fördern und unterstützten kann. Dies wird im dritten Punkt des Beitrags von Fontanefan auch zurecht angesprochen:

3. Ich persönlich nutze Web 2.0 gern und viel. Es hat viele Vorteile, auch für das Lernen, aber auch viele Nachteile. – Doch ohne das Internet hätten sich nie so viele intelligente Menschen darauf eingelassen, mich bei meiner Arbeit zu unterstützen, wie es inzwischen der Fall war. Ich nenne keine Namen.

Dem stimme ich weitgehend zu. Natürlich bringt jedes Medium immer auch mögliche Nachteile mit sich. Das wusste schon Platon, der Sokrates im Phaidros eine leidenschaftliche Kritik an der Schrift formulieren lässt, die fast so klingt, als ginge mit der Einführung der Schrift das Abendland, zumindest aber die Gedächtniskultur, zu Grunde. Andererseits ist es ebenfalls meine Erfahrung, dass ein gezielter, reflektierter (und auch gekonnter) Einsatz „neuer Medien“ Kontakte zu vielen intelligenten Menschen aufbauen kann, die so sonst nicht entstanden wären. Auch ich nenne keine Namen, aber schon dieser von Fontanefan angeregte Diskussionsbeitrag ist genau so eine Möglichkeit des produktiven Umgangs mit Medien und deren Inhalten.

„4. Mir wäre ein Ausbau der psychologischen Beratung von Schülern, Eltern und Lehrern viel wichtiger als zusätzlicher Aufwand für Medienpädagogik. Es besteht ein ungeheurer Bedarf, und der wird nur zu einem sehr kleinen Teil abgedeckt.“

Wer könnte dem widersprechen? Ich tue es an einer Stelle, nämlich dort, wo bei mir der Eindruck entsteht, dass hier ein entweder–oder gemeint sein könnte. Dass an der einen Stelle ein Mangel besteht, sogar ein sehr großer Mangel, kann doch nicht bedeuten, dass an einer anderen Stelle ein solcher Mangel auch entstehen sollte. Heranwachsende wachsen mit Medien auf, Eltern und Lehrer leben, zumindest in den Kontexten, mit denen wir in Deutschland zu tun haben, in einer medial geprägten Welt auf. Es bedarf zusätzlichen Aufwandes für Medienpädagogik und die Verbesserung der psychologischen Beratungsangebote. Das eine gegen das andere zu setzen wird den Herausforderungen und Problemen in pädagogischen Kontexten, die es ohne Frage in reichem Maße gibt, nicht gerecht.

„5. Wer Web 2.0 propagiert, sollte zumindest mit den Hauptgedanken der Computerkritik von Joseph Weizenbaum und der Internetkritik von Clifford Stoll vertraut sein.“

Ich kenne beide Positionen und halte beide Positionen zumindest für erträglicher als jene von Neil Postman, würde an dieser Stelle aber vielleicht doch ein wenig offener sagen, dass der Umgang mit Web 2.0 ein reflektierter Umgang sein muss. Reflektiert bedeutet natürlich auch, dass man zumindest einige theoretische Ansätze kennen sollte, die einen Reflexionsrahmen herstellen. Weizenbaum und Stoll bieten in diesem Zusammenhang einige wichtige Hinweise. Allerdings ist gerade Stolls Sichtweise eine vom Web 1.0 geprägte Position, in der die partizipierende Teilhabe des Web 2.0 noch unberücksichtigt bleibt. Stoll kritisiert den reinen Konsumcharakter, den der Umgang mit dem Internet in weiten Teilen – auch noch in Web 2.0 Zeiten – hat. Und damit spricht er ein wichtiges Problem der Mediendidaktik und -pädagogik an.

„6. Das Web dient mehr der Informationsbeschaffung als dem Lernen, aber wer keine solide Bildung hat, wird 10 Jahren ohne Nutzung des Internets einen wesentlichen Nachteil gegenüber Benutzern des Internets haben.“

Jaein. Das Phänomen wird hier richtig benannt und meine Beobachtung geht in genau die gleiche Richtung. Doch ist dies keine wirkliche Kritik an Medienpädagik oder ein Todesurteil für den Einsatz von „neuen Medien“ im Unterricht, da gerade diese Informationsbeschaffungsmentalität, mit der viele nahezu ausschließlich an das Netz herangehen, ein echtes Problem für das Lernen ist.

Ich habe selbst schon das Phänomen beobachtet, dass Lernende, die mit Hilfe des Internets eigene Produkte erstellen sollen, plötzlich vor dem Problem stehen, dass sie gar nicht wissen, wie das geht. Hier reproduziert sich ein Problem, das ich auch in anderen – analogen! – Lernprozessen beobachten kann, denn mit Hilfe von Büchern ist das Erstellen eigener, die Ergebnisse aufgreifenden, übertragenden und z.B. für eine Präsentation umgestaltenden Produkte mit ebenso großen Problemen verbunden, trotz Anleitungen.

Und ja: Die Nutzung des Internets ist in vielen Fällen tatsächlich auf Informationbeschaffung beschränkt. Das gilt auch für Bücher, die oft mehr der Informationsbeschaffung als dem Lernen dienen. Doch gerade hier setzen ja all jene an, die die Nutzung des Web 2.0 „propagieren“. Hier wird versucht, das Internet für Lernprozesse fruchtbar zu machen und gleichzeitig eine solide Bildung im kompetenten und produktiven Umgang mit dem Web 2.0 zu ermöglichen, denn dies ist heute, neben all den anderen Inhalten und Kompetenzen, die mit einer soliden Bildung verbunden sind, ein wichtiger Teil einer solchen Bildung.