Handschrift und Tastaturen. Ein subjektiver „Test“-Bericht

Tablet-Tastaturen, wie der des Samsung Galaxy oder des Apple iPad, wird oft nachgesagt, dass man nicht so schnell auf ihnen tippen könne, wie auf einer „echten“ Computertastatur

Das stimmt.

Mir geht es auch so: Während ich mit mechanisch gelagerten Tasten blind und sehr schnell schreiben kann, ist das Tempo auf der virtuellen Tastatur, die ich zugegebenermaßen mittlerweile auch fast blind bedienen kann, deutlich langsamer. – In Berichten über Tablets liest sich der Teil über die Bedienungsfreundlichkeit der Tastatur für mich allerdings immer so erschreckend, da ich diese Kritik nur in Teilen nachvollziehen kann

Ja, das Tippen auf dem iPad, ein solches Tablet nutze ich, ist anders und gemächlicher als auf der Tastatur.  Manchmal, wenn ich das mit der Tastatur erreichbare Schreibtempo brauche, nutze ich dann auch mit dem Tablet eine Bluetooth-Tastatur. Das kommt allerdings für mich selbst erstaunlich selten vor. — So kurios es angesichts der weit verbreiteten Kritik gegenüber virtuellen Tastaturen auch klingen mag: In der Regel genügt die virtuelle Tastatur meinen Ansprüchen, sie hat sogar manchmal einen Mehrwert, sodass ich auf sie zurückgreife, auch wenn eine „normale“ Tastatur griffbereit und der Computer im Schlafmodus auf dem Schreibtisch in unmittelbarer Nähe verfügbar ist.

Irgendwann fragte ich mich, warum das so ist. Lange brauchte ich nicht, um eine Antwort zu finden: Das iPad und seine Tastatur stehen für mich genau zwischen der von mir sehr geschätzten und eher langsamen Handschrift und dem mir manchmal zu zügig von der Hand gehendem Tippen am Computer.

Am Tablet tippe ich zügig, aber so „langsam“, dass meine Gedanken sich beim Schreiben im Fluss bleibend dennoch bereits beim Schreiben ganz gut organisieren können. Ich kann quasi beim Formulieren am Tablet jeden Satz schon einer kleinen Überarbeitung unterziehen, während die Handschrift mich da zum Teil den Faden verlieren lässt und die „normale Tastatur“ zu einem Schreiben verführt, dem die Gedanken manches Mal fast schon hinterher eilen.

Und so fällt mir auf, dass ich in letzter Zeit überraschend viele Blog-Beiträge mit dem Tablet geschrieben habe. Das gilt auch für diesen.

Genau genommen muss ich es anders sagen: Überaschend viele Blogartikel sind in letzter Zeit – bis hin zur direkten Übernahme – aus Notizen entstanden, die ich im Laufe der Zeit in meinem digitalen Notizbuch auf dem Tablet eigentlich zunächst nur einzig und alleine für mich selbst verfasst habe.

Dass das so möglich ist, mag allerdings tatsächlich daran liegen, dass mir die virtuelle Tastatur von Anfang an gelegen hat. Ich mag dieses nahezu geräuschlose Erstellen von Texten, das an nahezu jedem Ort möglich ist. Das ist auch der Grund, warum sich die Menge des Geschriebenen für mich seit der Anschaffung des Tablets deutlich erhöht hat: Ich habe plötzlich die Möglichkeit, an viel mehr Orten zu schreiben, als dies vorher für mich möglich war.

Darüber hinaus nutze ich in bestimmten Situationen die Spracherkennungssoftware, die das Diktieren von Texten auf dem Tablet oder dem PC möglich macht. Diese Option kann ich natürlich nur dann nutzen, wenn niemand durch mein Sprechen gestört wird. Aber in Kombination mit der Tablet-Tastatur ist dies durchaus eine Erleichterung.

So ist beispielsweise der letzte Absatz diktiert worden, während der gesamte restliche Text bis an diese Stelle in weniger als einer halben Stunde auf der virtuellen Tastatur eines iPads entstanden ist.

Idealerweise komme ich beim Tippen in meinen eigenen Rhythmus, der dann für das Entstehen eines Textes durchgehalten wird, sodass mir das Tippen manchmal wie das Bedienen eines Tastenintrumentes vorkommt.

Doch all dies ist, dessen bin ich mir sehr bewusst, eine subjektive Erfahrung des Umgangs mit unterschiedlichen Formen von Tastaturen. Ich will dabei auch nur sehr eingeschränkt werten, indem ich meine Erfahrung darlege, wie ich die unterschiedlichen Formen der Erstellung von Text für mich nutze.

Handschrift nutze ich, wenn flexibel Text und grafische Elemente miteinander kombiniert werden (müssen). Aber auch, wenn ich ein langsames Schreiben mit deutlich persönlicher Note pflegen will, wie es bespielsweise in handschriftlichen Briefen erreicht werden soll / wird.

Die „normale Tastatur“ am Computer nutze ich besonders gerne, wenn ich sehr schnell und eher assoziativ schreiben will oder an einem Thema arbeite, das ich in Form eines freien Vortrages schon gut meistern kann und entsprechend zügig dem inneren Sprachfluss folgen will.

Bei bestimmten Übungen des Kreativen Schreibens kommt mir das Gefühl mechanisch-digital arbeitender Tastaturen sehr entgegen, wenn es darum geht, so schnell zu schreiben, dass sich der Schreibfluss in gewissem Grade dem Reflexionsprozess entzieht und so auch überraschende Wendungen nehmen kann (Stichwort: écriture automatique – automatisches Schreiben).

Das Schreiben auf der virtuellen Tastatur eines Tablets liegt für mich zwischen der Handschriflichkeit und der „normalen Tastatur“. Das Ergebnis ist ein typografisches; der Schreibprozess liegt in seiner Zeitaufwändigkeit für mich zwischen der Handschrift und dem schnellen Tippen, so, dass das Tempo des Schreibens und die Möglichkeit der potentiellen Weiterverwertung eines Textes einen Kompromiss darstellen: Schriebe ich alleine per Hand, wären verwertbare Artikel abzuschreiben und kämen so auch noch in den immer wünschenswerten Überarbeitungsprozess; tippe ich schnell auf der „normalen Tastatur“, so ist oft vor der Veröffentlichung der so entstehenden verwertbaren Texten noch eine intensive Überarbeitung notwendig.

Mit dem Tablet geschriebene Texte liegen für mich zwischen diesen beiden Optionen: Sie brauchen in der Entstehung etwas mehr Zeit als schnell getippte Texte, müssen in der Regel aber weniger überarbeitet werden als diese; sie entstehen schneller als rein handschriftlich verfasste Texte und die Zeit der Überarbeitung ist kürzer als die für das Abtippen handschriftlicher Texte benötigte. Gleichzeitig aber ist das Tippen auf der virtuellen Tastatur so, dass sich für mich im Arbeitsprozess selbst bereits eine „Überarbeitung“ der Texte ergibt, weil ich Worte oder grammatikalische Konstrukte ebenso während dem Schreiben überdenken kann, wie eine ganze Argumentationsstruktur, was ich sonst eher vom handschriftlichen Arbeiten her kenne.

Und somit greifen für mich Praxisberichte über die Arbeit mit virtuellen Tastaturen zu kurz. Gut, ich halte mich für jemanden, der sehr gut mit Tastaturen arbeiten kann und diese ganz gut beherrscht. Aber ich traue dieses Maß an Freude beim Umgang mit Tastaturen auch vielen anderen zu. Testberichte zu Tastaturen, wie der hier von mir benutzten virtuellen auf dem iPad, gehen oft von absoluten Werten bezüglich der Schreibgeschwindigkeit aus. Dabei werden relative Werte, wie zum Beispiel der Nutzen einer geringeren Schreibgeschwindigkeit für die Textqualität, außen vor gelassen.

Ich ziehe es vor, mir Gedanken über die Qualität von Texten zu machen, die ich mit unterschiedlichen Schreibinstrumenten erreichen kann. Und wenn ich dieses Kriterium heran ziehe, dann steht die virtuelle Tastatur mit geringem Überarbeitungsaufwand bei den so entstehenden Texten auf Platz 1.

Subjektiv ist das Schreiben auf der „echten“ halb-mechanischen Tastatur deutlich schneller, wobei der Überarbeitungsaufwand für mich den Geschwindigkeitsvorteil im Vergleich zur virtuellen Tablet-Tastatur locker ausgleicht.

Die Handschrift ist für mich vor allem aufgrund des mit ihr verbundenen körperlichen Prozesses der rhythmisch runden Bewegungsabläufe attraktiv. Handschriftlich kann ich stromunabhänig viel und kontinuierlich schreiben. Um einen Text wie diesen allerdings zur Veröffentlichung fertig zu stellen, benötigte ich das zwei- bis dreifache an Zeit, was die gefühlte Hochwertigkeit der Handschrift dann in einen objektiven „Kosten-Nutzen-Konflikt“ bringt.

Ja, all diese Tests von Tablets mit virtuellen Tastaturen haben recht, wenn sie diese im Vergleich zu „normalen Tastaturen“ als schwächer ansehen. Mit der Handschriftlichkeit vergleichen solche Tests die Tastauren hingegen nicht, obwohl sie in diesem Lichte plötzlich viel positiver betrachtet werden könnten.

Deshalb will ich hier mit diesem durchaus sehr subjektiven Beitrag die Perspektive auf virtuelle Tastaturen erweitern, denn immer dann, wenn davon gesprochen wird, dass diese nicht an „normale Tastaturen“ heran reichten, zuckte ich bislang zusammen und dachte mir, dass doch genau dies einer der Gründe ist, warum ich Texte wie diesen so gerne mit dem Tablet schreibe. Und jetzt ist es für mich an der Zeit, das auch einmal öffentlich zu formulieren. Aber das weiß ich erst jetzt, denn ursprünglich ist dieser Text in meinem Notizbuch entstanden, dessen Texte eben nur dann und wann zur Veröffentlichung gelangen. – Seit ich das Notizbuch allerdings fast ausschließlich auf dem Tablet Pflege, fällt mir auf, dass die Zahl in ihm entstehenden Texte, die anschließend in irgend einer Form, meist allerdings in meinem Blog, veröffentlicht werden, doch deutlich zugenommen hat. – Ich führe das auf die  in diesem Beitrag hoffentlich nachvollziehbar gemachten, von mir zumindest subjektiv empfundenen Eigenschaften des Schreibens auf einer virtuellen Tastatur zurück.