Open Educational Resources – OER: Geschichte und Einordnung der deutschen Debatte seit Herbst 2011

Open Educational Ressources (OER) – man kann das sinngemäß in etwa mit „frei verfügbaren Lernmaterialien“ übersetzen – können das in ihnen liegende Potential vor allem dort zeigen, wo sie Bildung erst möglich machen, weil sonstiges hochwertiges Lernmaterial nicht verfügbar ist. Die UNESCO schreibt:

“UNESCO believes that universal access to high quality education is key to the building of peace, sustainable social and economic development, and intercultural dialogue. Open Educational Resources (OER) provide a strategic opportunity to improve the quality of education as well as facilitate policy dialogue, knowledge sharing and capacity building.”

(Übersetzung T. Larbig: Die UNESCO ist davon überzeugt, dass der weltweite Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung der Schlüssel beim Aufbau von Frieden, nachhaltiger sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung und für den interekulturellen Dialog ist. Freie Lern-/Bildungsmaterialien sind eine strategische Chance, sowohl die Qualität von Bildung zu verbessern als auch den politischen Dialog, den Austausch von Wissen und den Aufbau von Kapazitäten zu erleichtern.)

Globale Orientierung

Es geht OER um globale Ziele, die mit kommerziell erstellten Lernmaterialien nicht erreicht werden konnten. Es geht OER, das möchte ich den UNESCO-Anmerkungen hinzufügen, auch um Freiheit, welche als grundlegendes Menschenrecht nach wie vor in vielen Regionen der Welt auch daran scheitert, dass mangelnde Bildung den Ausbruch aus Teufelskreisen von Armut, verzweifelter Passivität oder ebenso verzweifelter Gewaltbereitschaft verhindert oder zumindest erschwert.

Lehrer und Lehrerinnen in vielen Regionen der Welt sind nicht nur schlecht ausgebildet, ihnen steht sehr oft darüber hinaus kein oder bestenfalls veraltetes Lehrmaterial zur Verfügung. Hier setzen OER an.

Entsprechend haben sich im Kontext der Pariser OER-Deklaration von 2012fünf Länder bereit erklärt, aktiv OER-Initiativen zu entwickeln. Diese Länder spiegeln wider, welche Regionen der Erde von OER am meisten profitieren können:

  • Afrika – SENEGAL und KENIA
  • Arabische Staaten – OMAN
  • Asiatisch-Pazifischer Bereich – INDONESIEN
  • Lateinamerika und Karibik – KOLUMBIEN

Zentrale Ziele der UNESCO-OER-Intitiative

Bei diesen Initiativen stehen drei Ziele im Mittelpunkt, die allesamt zu einer Verbesserung der Bildung in den Regionen beitragen sollen:

  1. Bewusstseinsbildung für OER (Advocacy): Um dieses Ziel zu erreichen, werden Kampagnen für OER gestartet, es werden OER-Events organisiert, die sowohl regional als auch national und international ausgerichtet sind, es werden  Publikationen zum Thema erstellt und verbreitet und eine gezielten Forschung (inklusive Peer-Review-Verfahren) unterstützt.
  2. Mitgestaltung politischer Prozesse (Policy Development), die sich auf der Ebene nationaler Bildungspoltik bewegen. Es geht darum, Regierungen dabei zu unterstützen, dass diese Strategien entwickeln können, wie sinnvoll eine offene Lizenzpolitik bei der Erstellung von Unterrichtsmaterialien mit öffentlichen Mitteln erfolgen kann. Darüber hinaus sollen Masterpläne für die Erstellung und Nutzung von OER im Bildungssektor entwickelt werden.
  3. Lehrerfortbildung (Teacher training): In diesem Feld geht es um die Entwicklung und Nutzung von OER-Materialien zur Verbesserung der Lehrerbildung im institutionellen Bereich bzw. auf der staatlichen Ebene. Dabei sollen Lehrer durch die Arbeit mit OER deren Nutzen für die eigene Ausbildung kennenlernen und entsprechend lizensiertes Unterrichtsmaterial dann auch selbst bei ihrer Arbeit verwenden.

Bewusstseinsbildung für OER, Mitgestaltung politischer Prozesse und die Ausbildung von Lehrern und Lehrerinnen sind also aus Sicht der UNESCO die zentralen Bereichen zur Integration von OER in Bildungskontexte. Es geht um Überzeugungsarbeit für den Wert von OER oder anders ausgedrückt: Es gibt Lehrer und Institutionen, die OER erzeugen und bereitstellen, doch es geht in der OER-Debatte darüber hinaus um die Frage der Akzeptanz und der institutionalisierten bzw. formalen Implementierung in das Bildungswesen, wofür überall auf der Welt die Unterstützung politischer Entscheidungsträger nötig ist.

Die bildungspolitische Bedeutung von OER

Vor diesem Hintergrund der hochgradigen bildungspolitischen Bedeutung, die die UNESCO OER zuspricht, können dann auch Teile der deutschen Debatte eingeordnet werden. Andererseits soll hier aber auch die Frage gestellt, werden, ob die Debatte, wie sie zur Zeit in Deutschland geführt wird, nicht noch ein paar weitere Punkte aufgreifen könnte, die über die bisherigen Aspekte der UNESCO-Ansätze hinaus gehen und diese auch bereichern können.

Geschichte der deutschen OER Debatte seit Herbst 2011

Wirklich und seitdem auch nachhaltig wahrnehmbar wurde die Debatte um OER in Deutschland in der Folge des sogenannten „Schultrojaners“ der deutschen Bildungsmedienindustrie, in dessen Folge zu einem Engagement für OER aufgerufen wurde, was dann auch auf dem Educamp in Bielefeld Früchte zu tragen schien, auf dem es am Samstagabend Gespräche zwischen Jörg Lohrer (RPI-Virtuell), Elly Köpf, Jan Engelmann (Wikimedia Deutschland) und mir gab, die mit Unterstützung der Veranstalter vor Ort zu einem durchgehenden OER-Slot am Sonntag des Educamps führten. – In der Folge dieses Educamps zeigte sich, dass der Aufbau eines Netzwerkes doch schwieriger ist, als im Flow des Herbstes 2011 gedacht wurde: Die Initiative nahm andere Wege.

Im März 2012 erschien das Whitpaper „Open Educational Resources (OER) für Schulen in Deutschland – Whitepaper zu Grundlagen, Akteuren und Entwicklungsstand im März 2012, das Mirjam Bretschneider, Jöran Muuß-Merholz und Felix Schaumburg im Auftrag des Internet & Gesellschaft Co:llaboratory herausgegeben hatten und in dem die Rolle unterschiedlicher Akteure noch einmal nachgezeichnet wurde.

Im September 2012 organisierte dann Jöran Muuß-Merholz ein erstes OERCamp in Bremen, es kam im November 2012 zur Anhörung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und der Kultusministerkonferenz (KMK) zu Open Educational Resources (OER) in Berlin, im März 2013 kam es dann zur Anhörung im Landtag Nordrhein-Westfalens. Im Juli 2013 veröffentlichte der Verband Bildungsmedien e.V. (Branchenverband der Schulbuchverlage und kommerziellen Bildungsmedienhersteller) 7 Thesen zu OER und im August 2013 erschienen schließlich drei Studien des BMBF, die unterschiedliche Aspekte der OER in den Blick nehmen.

Und wiederum im September (2013) veranstaltet Wikimedia in Berlin eine OER-Konferenz und in Köln wird es ein OER-Barcamp geben, das von der Stadt Köln organisiert wird.

Einordung der deutschen Debatte um OER auf der Basis der UNSESCO-Positionen

Lege ich über diesen Verlauf der Diskussion in Deutschland die Folie der UNESCO, wie sie in Paris 2012 entwickelt wurde, so ergibt sich folgende Eindordung:

  1. Bewusstseinsbildung für OER (Advocacy): Seit Herbst 2011 gibt es in Reaktion auf die „Schultrojaner“-Debatte in Deutschland verstärkte Kampagnetätigkeiten für OER. Es wurden OER-Events organisiert, die regional und mittlerweile auch national orientiert sind. Das Bewusstsein für die internationale Bedeutung des Themas ist in der nationalen Debatte weniger präsent. Es werden Publikationen zum Thema erstellt und Forschung (auch von staatlicher Seite) gefördert. – Punkt 1 der OER-Initiative der UNESCO von 2012 ist im deutschen politischen Kontext angekommen.
  2. Mitgestaltung politischer Prozesse (Policy Development): Wenn Anhörungen im BMBF und im Kultusministerium eines Bundeslandes stattfinden, hat das Thema OER politisches Gehör gefunden. Nun arbeiten die unterschiedlichen Lobbygruppen (von Wikimedia bis hin zum Verband Bildungsmedien) an der Beeinflussung der politischen Entscheidungsfindungsprozesse. Vor diesem Hintergrund sind auch die 7 Thesen des Verbandes Bildungsmedien zu sehen, die natürlich genau so interessengeleitet formuliert wurden, wie es Äußerungen im Umfeld von OER-Befürwortern sind. Diese Auseinandersetzung von Interessengruppen ist ein deutliches Indiz dafür, dass OER in der politischen Realität Deutschlands mittlerweile eine wahrnehmbare Rolle spielen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass zwei völlig unterschiedliche Veranstalter im September 2013 an dem Thema arbeiten: Wikimedia Deutschland als NGO und die Stadt Köln als Schulträger, was zeigt, dass OER durchaus in der Lage sind, Verantwortliche der Schuladministration (in der immerhin viertgrößten Stadt Deutschlands mit einer entsprechend großen Bildungslandschaft) zu überzeugen, in diese Richtung aktiv zu werden.
  3. Lehrerfortbildung (Teacher training): Wo über OER gesprochen wird, wird über Lizenzmodelle und Qualitätssicherung gesprochen. Es werden aber weder in der Lehrerausbildung noch in der Schulwirklichtkeit gezielt OER eingesetzt. Dennoch entsteht OER-Material (ZUM, RPI-Virtuell, Segu-Geschichte, Lehrer-Online, im kleineren Rahmen auch auf cc-your-edu, herrlarbig.de etc. ((Das 1. Schulbuch, dass unter CC-Lizenz erscheint, wurde online gestellt, während dieser Artikel entstand und findet deshalb an dieser Stelle noch keine Berücksichtigung)) ) Dieser dritte Punkt der UNESCO-Forderungen, die Implementierung von OER in die Lehrerausbildung und von dieser ausgehend dann auch in den Unterricht, ist der bislang problematischste Punkt, denn de facto ist die Kompetenz im Umgang mit unterschiedlichen Lizenzmodellen im Bereich der Schulen noch deutlich auszubauen.

Was kommt zu kurz?

Was in der OER-Debatte zu kurz kommt, die sich vor allem um Qualitätssicherung von Unterrichstmaterial, um Auffindbarkeit von OER-Material im Netz, um Lizenzmodelle, um die Frage der lehrplangemäßen Erstellung konsistenter und didaktischer aufeinander aufbauender Unterrichtsmodelle und was sonst noch debattiert wird dreht, sind die grundlegenden Fragen der Didaktik und Methodik, die sich im Horizont des Begriffs der „Offenheit“ („Openess“) ergeben und die für die Weiterentwicklung von Didaktik und Methodik fruchtbar sein können.

Digitale Medien als Implikation von OER in Deutschland

Was in der OER-Debatte in Deutschland mehr oder weniger stillschweigend vorausgesetzt wird, ist die Rolle digitaler Medien bei deren Entwicklung und Vebreitung. Es wird wenig davon ausgegangen, dass OER in analoger (=gedruckter) Form vorliegen, obwohl diese in anderen Regionen dieser Erde essentiell ist. Könnte Deutschland die Entwicklung von OER im Rahmen der Entwicklungspolitik unterstützen?

So sehr man in Deutschland und anderen reichen Ländern mit Bring-Your-Own-Device-Modellen (BYOD = Nutzung von Geräten, die den Lernern gehören) durchaus weit kommen könnte, so gehen die Debatten doch nach wie vor eher in Richtung einer staatlich verantworteten und zu finanzierenden einheitlichen Geräteausstattung der Lernenden, obwohl eine solche Monokultur (auch der Plattformen) in keiner Weiser der gesellschaftlichen Realität und auch nicht der notwendigen plattformunabhängigen Nutzung von Lernmaterialien (unabhängig von der mit ihnen verbundenen Lizenzierungsstrategien) entspricht.

OER – Didaktik und Methodik

Doch zurück zur Didaktik und Methodik. Was könnte die OER-Debatte hier für Fragen aufwerfen, die bereits in den Formulierungen der UNESCO von 2002 angelegt sind!

OER können vor allem dort großartige Wirkungen entwickeln, wo es bislang kaum Zugang zu Lernmaterial gibt. Sie können somit zu einem substantiellen Zugewinn an Bildung führen. Bildung ist zwar kein Garant, aber sicherlich auch keine schlechte Voraussetzung dafür, dass Menschen friedlicher und gerechter miteinander umgehen bzw. dass Menschen lernen, ihre Rechte zu erkennen und einzufordern. Zu Frieden und Gerechtigkeit gehört untrennbar der Begriff „Freiheit“.

Während in der didaktischen Debatte das Thema des individualisierten Lernens, der Begleitung individueller Lerner und die Förderung auf der Basis individueller Anknüpfungsmöglichkeiten diskutiert wird, erweisen sich die bislang vorliegenden OER-Unterrichtsmaterialien deutschsprachigen Ursprungs bislang eher an klassischem Unterricht orientiert. Eine Didaktik des Umgangs mit frei lizensiertem Material, die den Freiheits-/Offenheitsaspekt auch auf das Lernen überträgt, kommt in der Diskussion um OER bislang höchstens am Rande vor.

OER in Deutschland als Opposition zur Bildungsbranche

Diese Ausrichtung der deutschen OER-Debatte mag damit zu tun haben, dass sie im Kontext einer Opposition zu den bislang doch recht unangefochtenen Bildungsmedienherstellern kommerzieller Ausrichtung entstanden ist. Der Ursprung der deutschen OER-Debatte ist nicht die Vorstellung, Menschen Bildung zu ermöglichen, die sonst keine Chance auf Bildung haben. Der Ursprung der deutschen OER-Debatte war die Verärgerung über Schulbuchverlage, die sich im Umgang mit der digitalen Wirklicheit zunächst als wenig kompetent erwiesen hatten, auch wenn sie sich in dieser Richtung deutlich weiter entwickelt haben, was sicher auch eine Folge der Debatte um den Schultrojaner ist.

Dass die deutsche OER-Debatte aber bislang aus diesem Ursprungskontext nicht heraus gekommen ist, bedeutet ja nicht, dass das so bleiben muss. Sicherlich wäre es der Schubuchbranche Recht, wenn es auch weiterhin vor allem um Fragen der Qualitätssicherung, der Erstellung, der Finanzierung und was da nicht noch alles aus dem klassischen Schulbuchmarktsegment auf OER übertragen werden könnte geht. Aber das Potential von OER reicht weiter, wenn mehr als die Frage nach Lizenzmodellen gestellt wird.

Andererseits stellt sich auch die Frage, ob OER in Konkurrenz zu verfügbaren Schulbüchern treten sollen oder ob sich im Rahmen von OER nicht die Chance ergibt, neue Lernszenarien zu entwickeln, Lernmaterial zu erstellen (z. B. zu Projektarbeiten, zur Differenzierung, zur praktischen Arbeit in und mit vernetzten Strukturen etc.), das man sich wünscht, aber vielleicht nicht in der Menge und Qualität findet, wie es wünschenswert wäre.

Chance: Didaktische Bereicherung der OER-Diskussiona

Länder wie Deutschland, Länder mit einem bei aller berechtigten Kritik z. B. bei der Frage der Bedeutung des sozialen Status der Herkunftsfamilie für die Bildungsbiographie dennoch bemerkenswert gut ausgebautem Bildungssystem, können die weltweite OER-Debatte didaktisch anreichern.

Denn neben der Frage der Lernmaterialien stellt sich die Frage nach dem Lernprozess als solchem. Freie Lernmaterialien sollen eben nicht nur Lehrenden die Möglichkeit geben, ihren Unterricht mit diesen anzureichern bzw. sich bei diesem ganz auf OER zu stützten. Darüber hinaus stellt sich die Frage nach den Lernenden, die bei der Diskussion von OER bislang vor allem als Empfänger von Bildung bzw. der verfügbaren Lehrmaterialien gesehen werden, aber nicht als deren Gestalter, nicht als Personen, die selbst Lernmaterial erstellen. Hier werden Potentiale brach liegen gelassen, welche gerade im Kontext von OER durchaus bedeutsam sein können.

Im Kontext mit dem Schlagwort des „lebenslangen Lernens“ spielt zudem die Frage nach autodidaktisch nutzbarem Material bislang eine – zumindest in meiner Wahrnehmung – eher geringe Rolle. Das mag daran liegen, dass Menschen, die aus einem inneren Antrieb heraus (autodidaktisch) lernen, sich nicht von Lizenzen, sondern von Interessen leiten lassen und jedes Material, das qualitativ angemessen ist, nutzen, ob das nun unter CC-Lizenz frei verfügbar ist oder als z. B. E-Book erworben werden muss.

In der digitale Medien ausgesprochen oder unausgesprochen immer voraussetzenden deutschen OER-Debatte geht es weniger um einen weiten als um eine auf CC-Lizenzen konzentrierten Offenheitsbegriff. Obwohl in der Bildungsdebatte immer wieder von freieren Formen des Lernens gesprochen wird, den Schulen eine größere Offenheit und Durchlässigkeit abverlangt wird, spielt die Offenheit, die Motiviation, das Engagement von Lernenden in der OER-Debatte kaum eine Rolle. – Es wird nicht der Lernende in den direkten Fokus genommen, sondern der Lehrende, der die Möglichkeit gewinnen soll, OER als Bereicherung in seinen Unterricht zu integrieren bzw. seinen Unterrichtsverlauf auf OER aufzubauen, wobei dann der Lernende primär als Empfänger des Lernmaterials in den Blick kommt. Didaktisch stellt sich hier aber die Frage, was man lernen kann, wenn man Lernmaterial mit gestaltet, verändert, anpasst etc. Hier kämen CC-Lizenzen dann wirklich sinnvoll beim Lerner an, auch wenn der Umgang mit CC-Lizenzen nicht trivial ist.

In der Tat müssen Lehrende nebenbei auch noch kleine Rechtsgelehrte sein, wollen sie das aktuelle, noch aus der printdominierten Zeit stammende Urheberrecht befolgen. Und selbst wenn sie sehr kompetent mit diesem Recht umgehen, stoßen sie schnell auf Grenzen im Kontext digitaler Informationsverarbeitung bzw. digitaler Verfügbarmachung von Lernmaterialien. Da hat sich zwar in letzter Zeit ein wenig was getan, aber einfach sind die Lösungen nach wie vor eher nicht. Da bieten CC-Lizenzen durchaus mehr Möglichkeiten, wie ich aus eigener Erfahrung weiß.

Fazit

Blicke ich auf die Zeit seit Herbst 2011 zurück, so sehe ich die deutsche OER-Debatte auf einem guten Weg. Die in ihr liegende Dynamik ist beeindruckend; die Zahl der sich aktiv an den unterschiedlichen Diskussionssträngen beteiligenden Personen und Institutionen ist deutlich größer geworden.

Dass sie noch wenig Niederschlag in der Lehrer(aus)bildung gefunden hat, mag ein Wermutstropfen sein, aber auch hier kann sicher das eine oder andere erreicht werden, wenn die Diskutanten nicht nur auf das Lehr-/Lernmaterial in Schulen blicken, sondern darüber hinaus fragen, wie Lehrende über OER-Material in der Ausbildung zur Nutzung von OER-Material bei der Ausübung ihres Berufs kommen können.

Sicherlich bedarf es zur Implementierung von OER in die deutsche Bildungslandschaft politischer Entscheidungen, die durchaus auch die Frage der Finanzierung betreffen. So könnte ich mir durchaus vorstellten, dass Schulbuchverlage weiter kommerziell Lernmaterial erstellen, dieses dann aber unter einer CC-Lizenz veröffentlichen müssen, um überhaupt an Schulen verkaufen zu dürfen, sodass Lehrende auf der Basis von professionell erstelltem Material dieses professionell nutzen (=anpassen) können, um Lernende individuell zu unterstützen.

War ich bislang vor allem jemand der sagte, es gehe darum, OER zu erstellen, um eine kritische Masse verfügbar zu haben, der betonte, es gehe weniger um Grundsatzdiskussionen, sondern vor allem um Praxis! –, so hat  die nochmalige Beschäftigung mit den Überlegungen der UNESCO zu OER an dieser Stelle zu zwei Ergänzungen meines Denkens geführt:

  1. Um OER wirklich als eine nachhaltige Form des Unterrichtsmaterials zu ermöglichen, bedarf es der Bewusstseinsbildung für OER (Advocacy), welche argumentativ zu erfolgen hat. Zwar können vorhandene OER-Materialien diesen Prozess fördern, doch besteht auch die Gefahr, dass „schlechte“ OER-Materialien von Interessengruppen genutzt werden, um den gesamten OER-Gedanken zu diskreditieren.
  2. Die Erstellung von OER ist wünschenswert, muss aber nicht immer im Vordergrund stehen: Dass Bildungspolitik umdenkt und im mit öffentlichen Mitteln finanzierten Bildungssektor die Möglichkeit in Betracht zieht, dass OER durchaus auch von Schulbuchverlagen klassischer Ausrichtung erstellt werden können, ist harte Arbeit, die nicht mit erstelltem Material zu leisten ist, sondern mit Argumenten.

Blicke ich nun also auf fast zwei Jahre zurück, in denen ich die OER-Debatte intensiv verfolge und mich hin und wieder in sie einbringe, so sehe ich, dass die Debatte eine erfreuliche Dynamik entwickelt hat.

Was in der Debatte meiner Wahrnehmung nach eine größere Rolle spielen könnte ist die Frage nach den Konsequenzen, die der Offenheitsgedanke für die Weiterentwicklung des individuellen Lernens und auch der Durchlässigkeit in Bezug auf formale Abschlüsse an deutschen Schulen haben kann. – Hier gilt es, sowohl in der Theorie als auch in der Praxis von Didaktik und Methodik noch einmal genau hinzuschauen: Geht es nur um freies Bildungsmaterial (OER) als Material oder auch um die Entwicklung eigener, individuell ausgerichteter Lernumgebungen (Personal Learning Environment PLE),  eigener Lernnetzwerke (Personal Learning Network PLN)? Dafür sollten frei lizensierte, plattformunabhänige Möglichkeiten viel stärker in Lehr-Lernprozesse integriert werden und im Rahmen der Entwicklung von OER zu diesen als Teil der Infrastruktur hinzu gezählt werden.

Am Ende setzt sich dann vielleicht Schritt für Schritt irgendwann einmal der Gedanke durch, dass Bildung ein Grundrecht und entsprechend frei zu lizensieren ist.