Ich bin kein digitaler Dogmatiker. Leider. (Kann aber noch werden ;-) )

Ein nicht sehr dickes Buch, so ca. 240 Seiten, allerdings in gebundener Version, Textmarker und Notizbuch bringen 1238 Gramm auf die Waage. Ihr könnt mir das glauben, ich habe es gerade gewogen. Das Tablet mit Tastatur, Hülle und Stift kommt auf 865 Gramm, da sind die Bücher, mehr als hundert, bereits mitgewogen, außerdem beliebig viele Notizbücher, inklusive einer Handschriftenapp, Skizzenblöcke, Landkarten, ein Kompass, eine Kompaktkamera mit guter Bildqualität usw.

Wenn ich Bücher umziehe, was zum Glück bislang mit meiner gegenwärtigen Bibliothek nur einmal vorgekommen ist, wird sehr schnell klar, welche Last all die Bücher sind; bei all der Lust, die mit ihnen verbunden ist.

Und seit ich des Nachts in freier Natur saß und mit dem noch kompakteren EBook-Reader mit Hintergrundbeleuchtung lesen konnte, ist mir noch deutlicher geworden, welche Befreiung, Strom und LTE oder WLan vorausgesetzt, die Digitalisierung und vor allem die Anschaffung des Tablets mit sich gebracht hat.

Oh nein, ich bin kein digitaler Dogmatiker. Ich habe meine Bücher bislang nicht verkauft, es kommen sogar neue dazu. Auf Papier. Nach wie vor steht hier Füllfederhaltertinte in unterschiedlichen Farben. Der Füller ist mir nach wie vor ein geschätztes Schreibgerät. Aber da sind gleichzeitig immer mehr EBooks und Notizen, die ich »in« ihnen angefertigt habe, dann exportierte, sodass als PDF mir  eine ganze Sammlung von Exzerpten vorliegt. Manchmal drucke ich die sogar aus, wenn ich an etwas am Arbeiten bin.

Spätestens aber, wenn ich auf Reisen bin, genieße ich es, dass ich eine ganze Bibliothek mit mir führen kann. Da ich kaum in Regionen reise, in denen es weder Strom noch mindestens mobiles Internet gibt – ok, das mit dem mobilen Internet überall ist in Deutschland nicht wirklich garantiert – ist das kein Problem.

Und die Gefahr des Datenverlustes? Nun, wenn es auf Dauer keinen Strom und kein Internet mehr gibt, wird auch die »echte« Bibliothek vermutlich keine Freude mehr machen, so es diese in einem solchen Falle nicht gleich angesichts der Gründe für den Verlust von Strom- und Internetversorgung mit weggerafft hat.

Andererseits werde ich nicht noch einmal in die Situation kommen, dass ich wegen der wachsenden Bibliothek beginne, mich nach einer neuen Wohnung umzusehen, was in Frankfurt angesichts der Mieten sowieso schnell an seine Grenzen stößt.

Es gibt noch einen weiteren Grund, warum die analoge Reisebibliothek für mich nicht in Frage kommt: Ich besitze kein eigenes Auto, bin meist mit dem Zug und manchmal mit Carsharing unterwegs, denn ähnlich wie es Regionen ohne Internet in Deutschland gibt, gibt es auch Regionen mit einem extrem ausgedünnten ÖPNV-Netz. Das könnte man dann EDGE-Zone des Nahverkehrs nennen: Es gibt zwar ein Bus-Angebot, mit dem kann man aber nicht wirklich was anfangen, wenn man übliche Vorstellungen von Mobilität zugrunde legt.

Erstaunlich ist für mich aus all diesen Gründen, dass der Ebook-Absatz angeblich zurück geht, gleichzeitig aber Schreibwarenläden verschwinden, Buchhandlungen schließen – ok, das kann auch an Versandhändlern liegen – und ich im öffentlich Raum immer mehr E-Reader sehe, zwar deutlich weniger als Bücher, aber die Leser in den Zügen scheinen mir auch weniger und die Videokonsumenten mehr geworden zu sein.

Packe ich also meine Arbeitstasche für morgen: Ein Tablet mit Tastatur, Hülle und Stift, ein Füller, zwei Bände einer kommentierten Goethe-Ausgabe, ein VGA-Adapter, Kopfhörer und ein Regenschirm. Kein Collegeblock, keine Privatlektüre auf Papier, kein Fotoapparat, den ich auch in analogen Zeiten schon fast immer mit mir führte. Ich bin kein Dogmatiker in Sachen Digitalisierung. Angesicht der Vorteile, die mir die Digitalisierung bringt, bedauere ich dies manchmal.

Beitragsfoto: Torsten Larbig