Schlagwort: Moderne

Zu Thomas von Steinaeckers Roman »Die Verteidigung des Paradieses«

Auf einer Alm nahe dem Ort, der einst Berchtesgaden war, leben sechs Menschen und ein paar Tiere. Die Katastrophe, von der man ausgeht, dass es eine globale gewesen sein müsse, ist in Thomas von Steinaeckers Roman »Die Verteidigung des Paradieses« elf Jahre her – Vom »Paradies« auf der Alm aus gesehen, ist man vielleicht der letzte Rest der Menschheit. Um sich gegen das Vergessen zu stemmen, bekommen die Kühe die Aufgabe, durch ihre Namen an die Menschheitsgeschichte zu erinnern: Sie heißen z. B. Nero, Tizian, Einstein, Hitler, Kafka, Kennedy und Beckenbauer. Zwar tauchen diese Namen im Roman nur an einer

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Ach, diese Kostenloskultur (!). Reflexionen nach einem Bloggertreffen.

Das schlechte Gewissen dringt in alle Sphären meiner Präsenz im Internet. Überall an seinen Rändern sitzen jene „digitalen Bettler“ und winseln um kommerzielle Beachtung, reden von dem Geld, das sie so gerne im Netz verdienten. Und ich gehöre zu denen, die Schuld sein sollen, dass dieses Geld nicht verdient werden kann. „Nein! Dein Blog ist viel zu klein und unbedeutend, als dass du jemanden in eine existentielle Krise materieller, ja vor allem finanzieller Art treiben könntest“, sagt da ein kleines, ganz in weiß gekleidetes Wesen neben meinem einen Ohr. „Quatsch“, ruft es an meinem anderen Ohr – ich sehe erst

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Über den Bildungsauftrag der Schule und digitale Medien

Schule hat den Auftrag, junge Menschen im Rahmen ihrer Sozialisation zu bilden und zu erziehen. Das habe nicht ich mir ausgedacht. Das steht im für mich verbindliche Schulgesetz des Landes Hessen. –  Das erste dort genannte Ziel von Bildung ist es, die Grundrechte für sich und andere wirksam werden zu lassen. Es geht dort um Beziehungen zu anderen Menschen, die von Achtung und Toleranz, Gerechtigkeit und Solidarität geprägt sein sollen. Es geht um die Beförderung der Gleichberechtigung, um das Verständnis anderer Kulturen und deren Leistungen, um die Fähigkeit, das eigene Handeln auf seine Konsequenzen befragen zu können. Erst nachdem diese

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Herrn Larbigs Bibliothek 12 – James Wood: Die Kunst des Erzählens

Ich habe nun ja schon eine ganze Reihe an Büchern darüber gelesen, „wie Schriftsteller zu Werke gehen“ (Herlinde Kölbl), was einen guten Roman ausmacht, wodurch Gedichte geprägt sind. Mir ist noch kein Buch über das Lesen und Schreiben von Literatur begegnet, nach dessen Lektüre mein Arbeitsplatz so hell von „Kronleuchtern“ bestrahlt wurde, die mir während der Lektüre aufgegangen sind. Gleichzeitig weiß ich , dass dieses Buch noch mehrfach zu lesen sein wird, um seinen Tiefgang, seine Differenziertheit und all seine Anregungen wirklich für meinen Alltag fruchtbar zu machen. Die Erstlektüre von James Woods „Die Kunst des Erzählens“ hat mich gefesselt.

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Deutsche Klassik als literarische Epoche(n)

Deutsche Klassik als literarische Epoche(n) von Torsten Larbig steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht-kommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz. In der Geschichte der deutschsprachigen Literatur ist die „Klassik“ ein spätes Phänomen. In Spanien gab es das klassische Zeitalter bereits zwischen ca. 1550 und 1680, in England gilt das Elisabethanische Zeitalter (1558–1603) als literarische Hochphase, in der Shakespeare das Theater zu einer Blüte führte, die selbst noch auf Goethe Einfluss hatte. In Italien begann die klassische Phase der Literatur sogar noch früher, nämlich mit Dante Alighieri (1265–1321) und dauert bis zu Torquato Tasso (1544–1594), dem wiederum Goethe

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Herrn Larbigs Bibliothek 10 – Tino Hanekamp: So was von da

Am Ende wissen wir es dann: Eine Party besteht aus lauter Musik, einem gewissen Hang zum destruktiven Auseinandernehmen der Partylocation, Partybesuchern, die so bedröhnt sind, dass sie eine MDMA-Bowle ohne MDMA dennoch für eine solche halten und dem Placeboeffekt völlig erliegen. Eine Party als Weltuntergang, nach dem das Leben weiter geht, dann aber eben als Erwachsener. Bis dahin aber ist der Ich-Erzähler Oskar Wrobel dauerbeschäfitigt und weder die Nachricht, dass eine gute Freundin nicht mehr lange zu leben hat noch die Wiederkehr seiner geliebten Mathilde vermögen ihn von dieser Dauerbeschäftigung mit eingeschobenen Selbstbetrachtungen – Oscar Wrobel zitiert immer wieder aus

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Lyrik heute – Das „Jahrbuch der Lyrik 2011“ – 1. Eindruck

Wird heute über Lyrik gesprochen, so wird dem Mangel an Lesern oft die Vielfalt lyrischer Produktionen gegenübergestellt. In diesem Zusammenhang schließt es sich nicht gegenseitig aus, wenn Harry Oberländer von „lyrischer Massenproduktion“ ((Christoph Buchwald, Kathrin Schmidt, Jahrbuch der Lyrik 2011, München 2011, S. 232.)) spricht und Theo Breuer nur ein paar Seiten vorher betont, dass die Mehrzahl lyrischer Veröffentlichtungen „praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ ((Ebd., S. 218.)) stattfinde. – Lyrikbücher, so Breuer, fänden oft nur fünfzig bis zweihundert Leser, ab dreihundert verkauften Exemplaren habe man schon eine „Auflagenschallmauer“ durchbrochen ((Ebd.)). Der Teil „Sechs Anmerkungen zum Gedicht“ im Jahrbuch der Lyrik

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Lernen im Museum mit iPad und Internet

Um zu erfahren, wie mit digitalen Medien Lernprozesse ablaufen können, unterziehe ich jede mir spannend erscheinende Möglichkeit einem Praxistest, bevor ich sie gegebenenfalls für schulische Belange in Betracht ziehe. Mein letzter Test führte mich ins Museum, nicht in irgendein Museum, sondern in das Frankfurter Städel, wo zur Zeit die Ausstellung „Die Chronologie der Bilder. Städelwerke vom 14.–21. Jahrhundert“ läuft (noch bis 26. Juni 2011). Das Besondere an dieser Ausstellung ist, dass die Bilder streng nach ihrer Entstehungszeit geordnet sind, sodass ganz andere Bildzusammenhänge erkennbar werden können, als das in der sonst üblichen Hängung nach Regionen üblich ist. Mich interessierte aber

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Bildungsplattformen & Schulbuchverlage am Bsp. lo-net und Antolin

Abstract: Dieser Artikel arbeitet induktiv, das heißt, er geht von einem beobachteten, speziellen Phänomen aus und gelangt von diesem zu allgemeineren Überlegungen, in deren Kontext das Phänomen eingeordnet wird. Ausgangspunkt ist der Wechsel des Betreibers von lo-net, die allgemeineren Überlegungen stellen dann grundsätzliche Fragen zur Rolle von Schulbüchern und Bildungsmedien in (schulischen) Bildungszusammenhängen. Daraus ergeben sich Überlegungen über die Zukunft von Bildungsmedien, die im Unterricht eingesetzt werden.

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Herrn Larbigs Bibliothek 5 – Walt Whitman: Grasblätter

Ein Neuzugang, der keiner ist und doch einer ist. Walt Whitmans „Leaves of Grass“ stehen in der amerikanischen Ausgabe von Sculley Bradley und Harold W. Blodgett schon länger hier – auch, weil es bislang keine einzige vollständige Übersetzung dieses zentralen Werkes für die amerikanische Moderne ins Deutsche gab. Das hat den Zugang zu Whitman nicht gerade erleichtert, schon gar nicht, wenn man den Nuancen des Sprachgebrauchs in diesen Gedichten als Nicht-Amerikanist kaum auf die Schliche zu kommen in der Lage ist. Seit September 2009 ist dieser Missstand vorbei. Endlich, nach über hundert Jahren, wurde Whitmans Hauptwerk nun ins Deutsche übersetzt,

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