Schmöker-Schnipsel

Zugegeben: Ich mag Bücher um mich haben. Aus diesem Bedürfnis ist im Laufe der Zeit eine kleine Bibliothek geworden. Wie klein? Das kommt darauf an, aus welchem Blickwinkel ich es betrachte. Sicherlich gibt es hier ein paar mehr Bücher als in vielen anderen Haushalten, doch ich war auch schon in Wohnungen mit Bibliotheken, die meine ca. fünfundfünfzig Regalmeter recht wenig wirken ließen. Hochgerechnet sind das zwischen 2500 und 3000 Bücher – gezählt oder gar katalogisiert habe ich sie bislang nicht. Diese Zahl wirft zwei Fragen auf, sind solche bloßen Zahlen doch eher öde: Wie viele der Bücher wurden gelesen? Wozu

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2008 – Big Brother is still watching you

Mal ehrlich — was eigentlich hat man vor Augen, wenn die Rede auf George Orwells Roman »1984« kommt? Bei mir war es der Satz »Big Brother is watching you«, zu Deutsch: »Der Große Bruder sieht Dich«. So wird es zumindest in der Übersetzung von Michael Walter formuliert. Aber das Englische »to watch« meint mehr: aufpassen, bewachen, überwachen, zusehen, beobachten. Dachte ich an den zum Schlagwort gewordenen Titel, so dachte ich an den Überwachungsstaat, Kameras überall, Kontrolle total. Ganz falsch ist das nicht. Das alles gibt es in der Welt, die Orwell vor den Lesern aufbaut – und auch in Deutschland

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Goethes & unser Wortschatz

»Goethes überlieferter Wortschatz umfasst bis zu 90.000 einzelne Wörter. Es handelt sich dabei um die größte bekanntgewordene Zahl eines einzelnen Autors.« (http://www.goethe-wortschatz.de/) In Alltagsgesprächen benutzen wir zwischen vierhundert und achthundert Wörter; lesen wir Fachliteratur können es ein paar tausend Wörter sein, die zum Verstehen benötigt werden. Wie aber wollen wir mit einer so kleinen Auswahl an Wörtern auch nur annähernd etwas von den komplexen Erfahrungen und Wahrnehmungen authentisch ausdrücken, die wir Tag für Tag machen? Mir scheint hier eine Erklärung dafür zu liegen, dass wir oft das Gefühl haben, nicht wirklich ausdrücken zu können, was wir sagen wollen. Es klingt

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Beim Hören Autoren entdecken

»Ich mache die Augen auf und sehe auf ein weißes Stück Papier« ((Rolf Dieter Brinkmann, Westwärts 1&2 – Gedichte, Reinbek bei Hamburg 1990 [zuerst 1975], 7.)) Es gibt Schriftsteller, die hartnäckig als »Geheimtipp« gehandelt werden oder nach kurzer Bekanntheit weiter nur noch vor allem von Liebhabern zur Hand genommen werden. Ich denke dabei an Oskar Pastior, Hans Henny Jahnn, Gertrud Kolmar und neben vielen anderen eben auch Rolf Dieter Brinkmann. Sie haben alle auf weiße Stücke Papier geschaut. Sie haben alle ungewöhnliche Werke geschrieben. Viele von ihnen sind Dichter (Pastior, Kolmar, Brinkmann) oder waren als Künstler auf mehreren Gebieten unterwegs (Jahnn:

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Lernen bei Goethe

»Der echte Schüler lernt aus dem Bekannten das Unbekannte entwickeln und nähert sich dem Meister.« – Johann Wolfgang von Goethe, Maximen und Reflexionen Es tut mir echt leid. Aber die Entdeckungen der modernen Hirnforschung, die sich mit dem Lernen beschäftigt, sind so neu dann doch nicht. Menschen lernen am besten, wenn es ihnen möglich ist, an bereits vorhandenes Vorwissen anknüpfen zu können und außerdem noch irgendwie persönlich in den Lernprozess involviert (eingebunden) sind. Dies war bereits Goethe bekannt. Und so sehr sich Goethe auch auf reine Beobachtung beschränkt haben mag, die Ursachen für diese Form des Lernens also nicht erklären

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Live und in SchwarzWeiß: Jaspers HDL-Song

Warum soll ich es selbst sagen, wenn Jasper das viel besser kann. *fg* – Ein HDL der »Generation *LOL*«: Jasper – Der HDL-Song – [original & live] Eine Liste entsprechender Abkürzungen der deutschen HDL-LOL-Sprache (Netzjargon) haben eifrige Wikipedia-Benutzer zusammengestellt. Und da Listen so lustig sind, gibt es hier gleich noch eine der in Internet-Welten verbreiteten Abkürzungen, die doch deutlich über jene mit Kürzeln des Netzjargons hinaus geht.

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Kreativität – Ein (Selbst)Interview

Hi Torsten. Wenn ich es richtig gehört habe, arbeitest du gern kreativ. Kannst du mir vielleicht erst einmal sagen, was das für dich eigentlich ist: Kreativität? »Kreativität« heißt für mich: Viel arbeiten. Transpiration auf dem Weg zur Inspiration. Und im Prozess des Arbeitens dann noch so wachsam sein, dass ich merke: Hier bin ich an einem Punkt, an dem etwas »Neues« entstehen kann. Das kann ein Gedanke sein, den ich so noch nicht hatte; oder eine Formulierung, die mir besonders gut gefällt. Dabei ist es aber natürlich wichtig, dass ich überhaupt erst einmal eine Frage habe, auf die ich eine

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Doris Lessing: Nobelvorlesung

Da mir Doris Lessing aus dem Herzen spricht und gleichzeitig das Problem beim Umgang mit Büchern in unserer Gesellschaft die angemessene Schärfe verleiht, erlaube ich mir hier, Lessings Nobelvorlesung vollständig festzuhalten. Die schriftliche Genehmigung der Nobel-Foundation für diese Veröffentlichung liegt mir vor. © DIE NOBELSTIFTUNG 2007 Nachdruck genehmigt für Zeitungen in allen Sprachen nach dem 7. Dezember 2007, 17 Uhr 30 (schwedische Zeit). Jede Veröffentlichung in Zeitschriften oder Büchern, die über eine inhaltliche Zusammenfassung hinausgeht, bedarf der Genehmigung der Stiftung. Alle Veröffentlichungen des gesamten Textes oder größerer Teile des Textes müssen die oben angegebene unterstrichene Copyright-Angabe enthalten. Doris Lessing: Nobelvorlesung

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Partielle Mondfinsternis

[singlepic=2,320,240,,center] Vollmond, klarer Himmel und der Mond ausreichend nahe am Mondknoten, an dem die Mondbahn die Ekliptik schneidet – so nüchtern sind die physikalischen Voraussetzungen einer Mondfinsternis. Es war nicht die naturwissenschaftliche Erklärung, die mir bei der heutigen Mondfinsternis durch den Kopf ging, sondern ein romantisches Gedicht von Joseph von Eichendorff, das mir in solchen Momenten irgendwie unvermeidlich scheint: Joseph von Eichendorff Mondnacht Es war, als hätt’ der Himmel Die Erde still geküsst, Dass sie im Blütenschimmer Von ihm nun träumen müsst. Die Luft ging durch die Felder, Die Ähren wogten sacht, Es rauschten leis‘ die Wälder, So sternklar war

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Happy Birthday to Franz!

»Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Er lag auf seinem panzerartig harten Rücken und sah, wenn er den Kopf ein wenig hob, seinen gewölbten, braunen, von bogenförmigen Versteifungen geteilten Bauch, auf dessen Höhe sich die Bettdecke, zum gänzlichen Niedergleiten bereit, kaum noch erhalten konnte. Seine vielen, im Vergleich zu seinem sonstigen Umfang kläglich dünnen Beine flimmerten ihm hilflos vor den Augen.« Kann ein Mensch solche Zeilen schreiben, ohne in den Verdacht zu geraten, psychedelische Substanzen eingesetzt zu haben? Ganz klar, das ist eine rhetorische Frage 😉 – Ja,

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