Zwischen isoliertem Fachwissen und Projekt-Arbeit

Ursprünglich wollte ich auf meinem Google+-Profil nur einen Link kommentieren. Dabei ist dann aber ein Text entstanden, den ich doch eher als Teil dieses Blogs betrachte, sodass ich diesen Beitrag nun hier publiziere. Ich erhoffe mir eine kontroverse Diskussion, die auch meinen Fokus bei der Fragestellung im dargestellten Fragekontext verändert und meinen Horizont verschieben kann. 

Der Link, mit dem dieser Beitrag begann:

Change the Subject: Making the Case for Project-Based Learning, von Rob Riorda

Was soll man wissen? Was soll man in der Lage sein zu tun? – Zwei Fragen, die im Zentrum des Aufsatzes Rob Riordans stehen. Dabei betont er, dass es im 21. Jahrhundert nicht mehr auf das bloße Wiedergeben von Wissen, sondern auf die Fähigkeit ankomme, Wissen im Transfer zu nutzen.

Darauf kommt es aber nicht nur an, sondern das ist tatsächlich eines der zentralen Probleme der aktuellen Schülergenerationen: Isoliert sind Kompetenzen vorhanden, die im Verwendungskontext dann oft nicht umgesetzt werden können.

Auf der anderen Seite werden so viele Wissenbestände heute integriert betrachtet, dass sie als Teilgebiet einer Kompetenz kaum noch erkennbar sind und von der Integration überstrahlt werden.

Im Deutschunterricht zum Beispiel ist es wirklich schwierig, grammatikalischen Fragestellungen ein Thema überzustülpen, in dessen Rahmen ein Erzählkontext für das Thema entsteht.

Mein Eindruck: Wenn das Thema zu stark ist, überstahlt es wichtige, vielleicht eigentlich intendierte Themen; wenn das Thema zu sehr als Funktionsträger für die Erarbeitung zum Beispiel einer grammatikalischen Fragestellung wird, dann hat es etwas sehr gekünsteltes an sich, was von den Schülern als solches auch erkannt wird.

Was eigentlich spricht dagegen, Phänomene der Sprache als solche in den Fokus zu nehmen? Was spricht dagegen auf thematische Überbauten zu verzichten und das Phänomen als solches ins Zentrum zu rücken?

Ich bin mir sicher, dass Themen-Inhalts-Zusammenhänge funktionieren können, wenn Inhalt und Form zusammenpassen. Doch für die wenigsten grammatikalischen Probleme gibt es „nette“ Inhalte, die passen würden. Und wenn es um Rechtschreibung geht, so kann zwar Lesen zur Stabilisierung von Wortbildern beim Lerner beitragen, aber es kann immer wieder Rechtschreibphänomen geben, die durchaus erst einmal isoliert betrachtet werden können.

Die Kunst besteht dann darin, die gerlernten Phänomene kontinuierlich in den Unterricht zu integrieren, bis sie sich gefestigt haben.

Ein ZIel des Lernens ist Modellbildung. Das gilt für alle Fächer. Entsprechend muss neben die Betrachtung von Einzelphänomenen deren Einbindung in Zusamenhänge konsequent in den Blick genommen werden, wenn die Vermittlung eines Einzelphänomens nachhaltig sein soll. Dazu kann schon beitragen, dass man z. B. bei der Lektüre literarischer Texte auf das Auftauchen der besprochenen und gelernten Phänomene hinweist und so deren praktische Relevanz verdeutlicht.

Bei mir und bei Kollegen beobachte ich eine wachsende Skepsis gegenüber Unterrichtsmodellen, die das eigentliche Thema verbergen wollen, indem sie es in einen vermeintlich spannenden Kontext stecken und somit nahezu verstecken.

In einem Lehrwerk für das Fach Deutsch zum Beispiel gibt es ein Kapitel, in dem es um Fotografie geht, dem es aber eigentlich um das „Fotografiert werden“ geht. Das Kapitel will das Passiv einführen. Das allerdings gelingt nur, wenn man das Thema Fotografie wirklich als Funktionsträger sieht und das Thema gerade nicht in den Mittelpunkt stellt. Das hat dann möglicherweise zur Folge, dass Schüler hoffen, in dieser Unterrichtseinheit fotografieren zu können. Wie ich aber das Passiv als grammatikalisches Phänomen, das viele Schüler übrigens in ihrem Sprachgebrauch schon beherrschen, über ein Thema Fotografie nachhaltig und für die Schüler und Schülerinnen auch formulierbar einführen soll, bleibt dabei schleierhaft.

Genau so werden Gedichte missbraucht, um Gedichtinterpretation zu üben, ohne dass der Kunstcharakter von Gedichten angemessen berücksichtigt würde. Jugendromane werden zu pädagogischen Zeigefingern, weil sie etwas bestimmtes wollen, statt Lesern Freiheit zu geben.

Kann da Projektlernen helfen? Jaein. Wenn Projektlernen dazu beträgt, erworbene Einzelkenntnisse zu kontextualiseren und somit zu transferieren, dann ist Projektlernen effizient. Wenn Projektlernen unter der Hand Kompetenzen vermitteln soll, die nicht formuliert werden und somit für die Schüler und Schülerinnen nicht formulierbar sind, dann hilft Projektlernen ebensowenig wie Gruppenarbeit oder sonst eine Methode.

Neben die Kompetenz tritt die reflektierbare Kompetenz, in deren Kontext es möglich ist, ein Können selbst zu definieren, Inhalte zu isolieren und Einzelphänomene aus dem Gesamtzusammehang herauszulösen und darzustellen.

Dieser Beitrag wurde angeregt durch Change the Subject: Making the Case for Project-Based Learning, von Rob Riorda