Faust 1 – Zueignung (Vers 1–32)
Faust 1 – Zueignung (Vers 1–32) von Torsten Larbig steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht-kommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.
Von 1773 bis 1832 finden sich Äußerungen Goethes über den »Faust« – fast sechzig Jahre, die sich ein Autor immer wieder und in unterschiedlichen Formen mit diesem Stoff beschäftigt hat. Dies mag die Dichte und den Gehalt des Dramas erklären, aber auch, dass der »Faust« als das Hauptwerk Goethes angesehen werden kann.
Die »Zueignung«, mit der das Werk beginnt, erweckt nicht den Eindruck, dass es ich hier um ein Werk handelt, das geplant war: Aufdringlich zeigen sich die Figuren, als Goethe vermutlich am 24. Juni 1797 ((Erich Trunz (Hrsg.), Goethes Werke Band 3, Dramatische Dichtungen 1, München 1998, S. 505.)) das Werk nach langer Pause wieder aufnahm. Da lag die erste Beschäftigung mit dem Fauststoff bereits zwanzig Jahre zurück – und er lässt den Autor offensichtlich nicht los.
Im Zentrum der »Zueignung« steht nicht der aktive Wille eines Autors, einen Stoff zu gestalten, sondern vielmehr ein passives Verhalten, in dem der Stoff sich zudrängt (V 5), nun aber auf einen Autor trifft, der bereit ist, sich als Instrument dieser »schwankenden Gestalten« (V 1) zur Verfügung zu stellen und einer Windharfe (Äolsharfe) gleich, sich dem Stoff auszuliefern (V 28).
Doch diese Selbstauslieferung an einen Stoff, den Goethe bis zu seinem Tod verfolgen wird, erscheint in diesem ersten der drei Prologe als ein ein zärtliches Verhältnis des Dichters zu seinem Werk, das sich »in der zarten lyrischen Sprache« ((Erich Trunz (Hrsg.), Goethes Werke Band 3, Dramatische Dichtungen 1, München 1998, S. 505.)) ausdrückt, die hier benutzt wird.
Die »Zueignung« entsteht im Rahmen einer Wiederaufnahme des Stoffs, beschreibt das Verhältnis des Dichters zu diesem Werk, dass weder in seinen Anfangswehen liegt, noch als vollendet betrachtet werden kann.
Gleichzeitig stellt dieser Prolog das Werk in den Zusammenhang von Goethes Biographie: Er denkt an die Freunde aus Straßburger und Frankfurter Zeit, wohl aber auch aus den ersten Jahren in Weimar (V 12), an die Schwester Cornelia und an seinen Vater, an Susanna Katharina von Klettenberg, an Merck, Lenz etc. (V 16) ((vgl. ebd. 505f.))
Die Zueignung, obwohl noch vor Schillers Tod entstanden, verweist in besonderm Maße auf die Stellung des »Faust« in Goethes Schaffen. Fast sein ganzes Leben als Erwachsener stellt sich Goethe der Frage, was einen Menschen ausmacht, der nicht nach Gier und Lebensgenuss, sondern vor allem nach Erkenntnis strebt – und dabei auch den Bund mit dem Teufel nicht verschmäht. – In diesesm Sinne ist der »Faust« ein »modernes« Werk, in dem sich bereits all die Probleme andeuten, die mit dem Streben nach Erkenntnis in der Zeit seit der Aufklärung eigen sind: Neben der tieferen Einsicht in das, »was die Welt im innersten zusammenhält« (V 382f), stellt dieses Werk die Frage, welchen Preis Menschen zu zahlen bereit sind, die sich dieser tiefen Sehnsucht hingeben.
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