Wulff – Ein Kommentar

Schweigt er noch immer?

Im Augenblick ist die Stimmung so gespannt, dass man nicht weiß, ob Deutschland nicht schon ein ganz anderes ist, wenn man solch einen Blogartikel abgeschlossen hat. Siegt das Aussitzen eines Bundespräsidenten, der zwecks Selbstschutz den Chefredakteur (mind.) einer Zeitung anruft? Oder siegt der Anstand, kommt auch bei Christian Wulff die Einsicht, dass er aus der Kreditaffäre noch herausgekommen wäre, hätte er gutes Krisenmanagement betrieben, es aber „Fehler“ gibt, die nicht entschuldigt werden. Die Bedrohung von Journalisten ist solch ein unentschuldbarer Fehler.

Es beschädigt das Amt des Bundespräsidenten, zieht man sich hinter dem Amt zurück, statt persönliches Versagen einzugestehen.

Entsprechend darf die Person Christian Wulff nicht erwarten, dass mit ihr respektvoll umgegangen wird: Zu sehr hat sich Wulff in diesen Tagen als amtsunfähig erwiesen. Vielleicht wäre er als der schweigende Bundespräsident in die Geschichte eingegangen. Nun aber kommen Zweifel am Intellekt, an der Fähigkeit des Krisenmangements und an der Unabhängigkeit dieses Inhabers des Amtes.

Herr Wulff ist im Amt nicht mehr zu halten. Dass Merkel und Co ihn noch stützen, liegt alleine am noch nicht so lange zurückliegenden Rücktritt Horst Köhlers. Köhler hätte bleiben können und ist doch gegangen. Wulff kann nicht bleiben, schweigt aber, als fiele es ihm schwer, politische Größe zu zeigen – wenigstens jetzt, dieses eine Mal.

Statt dessen wird die Salamitaktik eingesetzt: Gib nicht mehr zu als andere schon wissen. Das Staatsoberhaupt verhält sich so und in Zukunft könnten auch Schüler und Schülerinnen darauf verweisen, dass ihr Vorbild das Staatsoberhaupt sei.

Und wenn Schüler und Schülerinnen schlechte Leistungen bringen, werden Eltern bei der jeweiligen Schulleitung anrufen und mit dem Verweis auf das Staatsoberhaupt darum bitten, dass die Schulleitung doch diese (berechtigte) schlechte Note angesichts ihres gesellschaftlichen Ansehens verhindern möge. „Mein Kind hat nur Vierer geschrieben, aber ich erwarte aus Respekt für meine gesellschaftliche Stellung, dass da eine Zwei rausspringt.“

Wenn Wulff bliebe, würde es zukünftig schwerer, sich gegen solche Argumente zu stemmen. Und auch deshalb: Wulff kann nicht bleiben, schweigt aber, als fiele es ihm schwer, politische Größe zu zeigen – wenigstens jetzt, dieses eine Mal.

Damit ist die bei einem Rücktritt befürchtete Staatskrise längst da. Frau Merkel hatte in ihrer Neujahrsansprache recht: 2012 wird ein schwieriges Jahr.

Herr Wulff, bitte erklären Sie sich – und wenn Sie die Vorwürfe der Manipulationsversuche gegenüber Journalisten nicht entkräften oder dementieren können, dann treten Sie endlich zurück.

(Stand der Informationlage am 3. Januar 2012, 13:03 Uhr)