Apples „Earpods“ im Test
Gemeinsam mit dem iPhone 5 stellte Apple am 12. September 2012 neue Kopfhörer vor, die zukünftig mit iPods und iPhones ausgeliefert werden und für 29 Euro einzeln angeboten werden. Apple nennt diese kleinen, kompakten In-Ear-Kopfhörer „EarPods“.
Diese „Earpods“ werden von Apple mit Superlativen angepriesen, die wirklich erstaunen, denn in der Regel sind Kopfhörer, die Geräten beigelegt werden, nette Kleinigkeiten mit kleinem Klang und wenig Größe, wenn es um Sound und Tragekomfort, wenn es um das Gesamtpaket geht, das sie liefern.
Drei Jahre, so Apple, habe man an diesen „Earpods“ gearbeitet. Klanglich sollen sie es „mit High-End-Kopfhörern aufnehmen können, die mehrere Hundert Euro kosten“, schreibt Apple auf seiner Website.
Das hat mich neugierig gemacht. Also bin ich losgezogen und habe mir ein Paar besorgt.
Da es bei Kopfhörern auch auf den Komfort beim Tragen ankommt, habe ich sie einfach mal aufgesetzt, auch ohne Musik, sodass ich sie ein paar Stunden am Stück im Ohr hatte, um einen Eindruck für diesen Test zu bekommen.
Allerdings hatte ich nach einiger Zeit des Tragens ohne Musik vergessen, dass ich Kopfhörer im Ohr habe. Ich spürte fast nichts von diesen Kopfhörern. Sie sitzen relativ stabil im Ohr, ohne dass ich irgendwo Druck wahrnehmen würde. Dafür gibt es ein Plus.
Zweite Auffälligkeit: Apple hat sich wieder für Kopfhörer entschieden, die nicht schallisolierend sind. Das gilt in beide Richtungen:
Zum einen werden Umgebungsgeräusche nicht abgeschirmt. Man nimmt also die Geräusche noch wahr und wenn es laut genug ist, kann das den Musikgenuss durchaus beeinträchtigen. Aus Sicherheitssicht ist das aber nachvollziehbar, bleibt z. B. für Fußgänger der Kontakt mit der Umgebung erhalten – und Radfahrer oder Lenker eines Autos sollten bzw. dürfen sowieso nicht mit Kopfhörern fahren.
Zum anderen sind die Kopfhörer wiederum nicht nach außen hin schalldicht, sodass das Phänomen des unfreiwilligen Mithörens der Sitznachbarn im Zug ab einer bestimmten Lautstärke weiter bestehen wird.
Für die Schallisolierung gibt es weder Plus noch Minus, weil es sich hier um Grundentscheidungen handelt. In ruhigem Umfeld erzeugt diese Bauart einen sehr offenen Klang; in lautem Umfeld verführt die Bauart zum Hören lauter (eventuelle die Ohren schädigende) Musik.
Laut Apple hat man mit den neuen Kopfhörern zwei Ziele verfolgt: Sie sollten möglichst so geformt sein, dass sie in vielen unterschiedlichen Ohrformen gut sitzen und darüber hinaus einen guten Klang haben. Die Frage der Schallisolation spielt dabei keine Rolle, auch wenn sie natürlich bei der Frage nach dem Klang nicht unwichtig ist. Dazu gleich mehr.
Was hält Apple von diesen Versprechen:
Die Kopfhörer werden ohne austauschbare Silikonaufsätze geliefert, die man bei vielen anderen In-Ear-Kopfhörern heute findet. Man kann die Kopfhörer also nicht an das eigene Ohr anpassen. Allerdings kann man auch keine Silikonaufsätze beim Aufziehen zerstören. Apple folgt hier also seiner puristischen Designlinie.
Oben habe ich es schon gesagt: Die „Earpods“ sitzen recht stabil in meinem Ohr, ohne dass ich irgendwo Druck wahrnehmen würde. Wenn man den Kopf heftig schüttelt, ist es mit dem stabilen Sitz allerdings vorbei, für die meisten Alltagsaktivitäten dürfte es aber reichen. Ob sie auch beim Joggen halten, wie Apple verspricht, kann ich nicht sagen. Aber insgesamt fühlen sie sich im Ohr extrem angenehm an.
Und der Klang?
An meine – freilich weniger mobilen – Bowers und Wilkens „P5“ reichen sie nicht heran. Die B & W haben deutlich bessere Auflösung von Bässen, Mitten und Tiefen. Dafür kosten Sie aber auch das Zehnfache dessen, was Apples „Earpods“ kosten. Außerdem handelt es sich bei ihnen um geschlossene On-Ear-Kopfhörer. Die „Earpods“ an ihnen zu messen, ist nicht ganz fair.
Also die Möglichkeit genutzt, sie mit Sennheisers hochgelobten „IE8“ zu vergleichen. Die IE8 haben insgesamt einen angenehmen Klang mit regulierbaren (!) Bässen, doch kommen die Höhen in meinem Ohr etwas dumpf an. Zudem spüre ich sie deutlich im Ohr und sie isolieren die Außengeräusche noch massiver ab, als die „P5“.
Aber auch an die „IE 8“, die ebenfalls etwa das zehnfache von dem kosten, was Apple für seine „Earpods“ verlangt, kommen die Kopfhörer aus dem Hause Apple nicht heran. Das liegt vor allem daran, dass die „IE 8“ deutlich druckvoller auf mich wirken und trotz der leicht dumpfen Höhen lösen Sennheisers In-Ear-Kopfhörer überzeugend differenziert den Klang auf, sodass, bei leichter Überbetonung des Basses, die Mitten und Höhen angenehm auf mich wirken.
Aber sind Apples „Earpods“ wirklich so weit vom „P5“ und dem „IE 8“ entfernt, wie es der Preisabstand vermuten lässt? Da sage ich eindeutig Nein. Keiner der beiden Vergleichskopfhörer ist zehn Mal besser als die „Earpods“, so man beim Klang überhaupt in solchen Kategorien argumentieren kann.
Das eigentliche Aha-Erlebnis hatte ich, als ich die „Earpods“ mit den bisher von Apple zum gleichen Preis verkauften und den Geräten beigelegten Kopfhörern verglich.
Diese Klangquirle ohne nennenswert ausgewogene Auflösung, nahezu bassfrei und nicht sonderlich stabil in meinen Ohren sitzend, habe ich nie benutzt. Nur einmal überraschten sie mich, weil ich sie aus Versehen mitgewaschen hatte und sie anschließend immer noch funktionierten.
Im Vergleich zu diesen bisherigen Kopfhörern sind Apples „Earpods“ tatsächlich um einige Klassen besser! Der Bass ist deutlich präsenter, wenn er auch druckvoller ausfallen könnte. Bei geringer Lautstärke ist der Bass schwach; erst bei etwas höheren Lautstärken gewinnt er zumindest etwas an Charakter. Das ist dann im wahrsten Sinne des Wortes brauchbar, aber eben nicht so überragend, wie Apple es angesichts seiner Ankündigungen vermuten lässt.
Und damit ist auch schon das Wort gefallen, das meine Hörerfahrung nach einigen Stunden zusammenfasst: Apples „Earpods“ sind endlich einmal brauchbare Beilegekopfhörer für iPods und iPhones. Brauchbar meint, man kann sie wirklich nutzen und bekommt ein brauchbares Ergebnis.
Während die Vorgänger, die immerhin viele Millionen Mal unter das Volk gebracht wurden, auf Mitten konzentriert, Höhen und Bässe zu einem Wischiwaschi machten, das den gesamten Klang für mich unerträglich machte, wurde bei den „Earpods“ von Apple tatsächlich drastisch nachgebessert.
Bässe, Mitten und Höhen stehen in einem brauchbaren Verhältnis zueinander. Mögen die Höhen zum Teil auch etwas dumpf wirken, so stört das guten Gesamteindruck in meinem Ohr kaum. Und diese leichte Dumpfheit hatte ich ja auch bei den deutlich teureren „IE 8“ bemerkt.
Wenn ich mein persönliches Referenzstück für Kopfhörer höre, gelingt den „Earpods“ teilweise eine Klangwiedergabe und -genauigkeit, die ich bei anderen Kopfhörern durchaus nicht immer geliefert bekomme. In Ennio Moricones „Here’s to You (from Sacco e Vanzetti)“ gibt es relativ am Anfang ein Akkordeon, das aus dem Hintergrund klanglich aufblitzt, das aber oft untergeht, wenn Kopfhörer nicht gut auflösen. (Das Video hier nur zur Auflockerung, die Ton-Aufnahme habe ich in deutlich besserer Qualität vorliegen, sodass dieses Video nur der Ilustration dient.)
Apples „Earpods“ haben mit seiner Wiedergabe kein Problem. Und die Trompete, die kurz vor Schluss auf dem rechten Kanal ziemlich massiv auftritt führt bei anderen Kopfhörern oft zu einem Erschrecken im Ohr, weil sie extrem hart einsetzt. Auch diese Trompete können die „Earpods“ überraschend gut und harmonisch in den Gesamtzusammenhang des Klangs einfügen.
Diese Genauigkeit verliert sich aber, wenn die „Earpods“ höhere Lautstärke erreichen, dann werden sie wieder etwas schrill, dann merkt man, dass der Bass zwar deutlich vernehmbar, aber eben ziemlich drucklos ist.
Andererseits wird zum Beispiel (bassärmere) Orgelmusik ebenso präzise wiedergegeben wie Funny van Dannen, der allein mit der Gitarre und Gesang fast schon so klingt, als wäre ich beim Konzert dabei.
Apples „Earpods“ versuchen anscheinend den Spagat, für 29 Euro Kopfhörer gute Kopfhörer zu sein. Und tatsächlich ist mein Eindruck, dass Apple dies leisten kann. Je nach Hörsituation überzeugen die Kopfhörer mich völlig (Gitarre mit Gesang) oder eben in brauchbarer Weise, wobei die differenzierte Wiedergabe von Bässen, Mitten und Höhen bis zu einer bestimmten Lautstärke wirklich gut gelingt. Bei zu großer Lautstärke verlieren die „Earpods“ hier aber an Präzision.
Und was Bässe angeht: Peter Fox schafft es mit „Stadtaffe“, „Haus am See“ und „Alles neu“, also mit Stücken, die extrem bass- und percussionlastig sind, doch ein wenig Druck in den Bass hinein zu bekommen, wobei aber auch die Geigen und der Gesang weiter differenziert bleiben.
Was gibt es noch zu sagen?
Die Fernsteuerung (für Applegeräte), die am rechten Kabel in für mich angenehmer Griffhöhe angebracht ist, liegt gut in der Hand. Sie ist größer als beim Vorgängermodell und gut blind zu bedienen. Da gibt es nichts zu meckern.
Die Qualität des verbauten omnidirektionalen Mikrofons geht für diese Größenordnung in Ordnung. Um zwischendurch mal einen Audioboo (mobil erstellter Podcast, der auf der Plattform Audioboo läuft) zu erstellen, langt das Mikro auch noch.
Wenn auch die markigen Worte Apples zur Qualität der „Earpods“ ein wenig übertrieben sind, so ist es Apple doch gelungen, kleine, leichte, optisch ansprechende Kopfhörer zu entwickeln, die für diese Größe einen erstaunlich überzeugenden Klang bieten. Im Vergleich zum Vorgängermodell gelingt hier ein großer Qualitätssprung.
Waren die alten Kopfhörer für meine Ohren unbrauchbar, so können mich die „Earpods“ nicht nur im Preis-Leistungs-Verhältnis überzeugen, sondern auch mit einigen interessanten Entscheidungen bei der Gestaltung des klanglichen Gesamtbildes.
Wer oft in eher leiserer Umgebung Musik hört, wird mit den „Earpods“ gut zurecht kommen. Wenn es um einen herum lauter ist, wird man das deutlich wahrnehmen. Aber das war bei den Vorgänger-Kopfhörern aus dem Hause Apple auch schon so. – Und wer wirklich High-End-Sound haben will, nutzt sowieso ganz andere Kopfhörer, die dann aber auch etwas andere (äußere und finanzielle) Gegebenheiten mit sich bringen. Zumindest empfahl mir ein Hifi-Händler auf die Frage, welche Kopfhörer das beste Preis-Leistungs-Verhältnis hätten, diese hier. Aber das wäre dann wirklich schon ein anderer Blogeintrag…
© Text & Fotos by Torsten Larbig 2012