Beim Flanieren entdeckt: Altes Apfelweinrestaurant in Frankfurt Heddernheim

Das Haus hier gibt es seit 1532. Eine Gaststätte ist es wohl schon seit Jahrhunderten. So genau weiß es die Bedienung nicht. Aber das „Momberger“ sei schon seit Jahrhunderten Gaststätte, da ist sie sich sicher.

Außenaufnahme der im Text erwähnten Gaststädte. Erdgeschoß und das aus Facherwerk bestehende Obergeschoss sind zu sehen. Auf einem außen hängenden Schild steht »Gaststätte Momberger«.

Von außen Fachwerk, innen ein Holzdielenboden, an der Decke Balken, die so aussehen, als ob sie vor hundert Jahren zuletzt gestrichen wurden, die freiliegenden Steckdosen sind vergilbt. In einer Ecke steht eine alte Standuhr, die aber keine Zeit mehr anzeigt. – Hier wird der Apfelwein nach wie vor im Haus selbst gekeltert. Und in den zwei Stunden, die ich an diesem überraschenden Ort der Gegenwart verbracht habe, der dennoch aus der Zeit gefallen scheint, hat es über eine Stunde gedauert. Bis ich ein Handy gesehen habe, das aber nach wenigen Augenblicken wieder eingesteckt wurde.

Ich will das ja nicht romantisieren, aber manchen Orten tut es gut, wenn sie gepflegt, aber nicht grunderneuert werden. Selbst der nur bei genauem Riechen wahrnehmbare, eigentümliche Geruch hier ist so, wie ich ihn aus anderen alten Fachwerkhäusern kenne. Das ist kein muffiger, unangenehmer Geruch. Es ist ein Geruch, der sich aus der Mischung von Holz, Stein, Alterungsprozessen an der Bausubstanz, Gastronomiebetrieb und den Jahrzehnten ergibt, die dieser Raum voller Menschen erlebt hat.

Ich bin glücklich, dass es einen solchen Ort noch gibt. Zufällig habe ich ihn entdeckt, weil ich mich wieder einmal in eine U-Bahn gesetzt habe und an einer willkürlich gewählten Haltestelle ausgestiegen bin. Ich war noch nie bewusst und vor allem nicht zu Fuß in diesem nördlicheren Stadtteil unterwegs gewesen, in dem schon ca. 75 n. Chr. die Römer ein Feldlager hatten.

Beim Flanieren stand ich plötzlich vor diesem Haus. Das Licht, das auf die Straße drang, war gedämpft. Der Eingang war im Hof. Fremde sehe ich hier keine. Kaum einer scheint hier einen langen Weg nach Hause zu haben.

Zwei kleine Fenster in einer weißen Wand, durch die Licht aus der Gaststätte nach außen dringt.

Auf den Tischen stehen die Bembel, hier trinkt – gerade jetzt, in diesem Moment – niemand etwas anderes, als den zugegebenermaßen überzeugenden Apfelwein. Nach dem Essen bleibt man sitzen, tauscht sich untereinander aus.

Jenes Frankfurt, das manche in Sachsenhausen suchen und das es dort gerade um die Schweizer Straße herum, aber auch an anderen Orten – außer in Alt-Sachsenhausen – durchaus noch gibt, findet man eher in den Stadtteilen am Rand. In Niederrad kenne ich solch ein Apfelweinlokal, in Eschersheim, ganz im Süden von Sachsenhausen, wo Frankfurt in den Stadtwald übergeht, und nun auch hier in Heddernheim.

Geprägt sind solche Lokale von eher großen Tischen, Kleiderhaken finden sich rundum an der Wand. Dass man mit Fremden auf Holzbänken am Tisch sitzt, dass man schnell ins Gespräch kommt, wenn man das will, oder einander in Ruhe lässt, wenn man das will, ist hier ganz normal. Ebenso eine Grundlautstärke, die gleichzeitig dafür sorgt, dass man eigentlich nur die Menschen versteht, mit denen man selbst gerade spricht.

Hier könnte man eine Kneipenszene aus „Der Herr der Ringe“ drehen; dies könnte eine Kneipe in Hogsmeade sein.

Reizvoll ist auch der Umgang mit den Speisen. Alles wird zunächst einmal mit Brot angeboten. Wer weitere Beilagen will, bestellt diese extra. So kann man hier günstig essen, wenn man z. B. ein Schnitzel mit Brot isst. Bratkartoffeln, Salat, Sauerkraut etc. kann man dazu bestellen. Was für ein angenehmer Umgang mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Möglichkeiten der Gäste.

Ich bin nach einer Zeit am Schreibtisch am frühen Abend einfach losgezogen. Mit der U-Bahn zu einer Haltestelle gefahren, an der ich noch nie ausgestiegen bin. Und dann fand ich diesen Ort. Es ist nicht das erste Mal, dass ich in Frankfurt am Main oder an anderen Orten beim ziellosen Flanieren auf solche Kleinode gestoßen bin. Und ich habe das Glück, in einer Stadt zu leben, in der es mehr als genug auch noch nach all den Jahren, die ich hier nun wohne, zu entdecken gibt. Das liegt daran, dass die Stadt sich ständig verändert, aber auch an vielen Stellen über Jahrzehnte gleich bleibt.

Für mich ist ein solches kleines, sehr regionales, mit offenen Augen Unterwegssein vergleichbar mit dem, was in der Erfahrung steckt, das Reisen bilde. Manchmal reicht es, sich in der Großstadt in einen anderen Stadtteil zu begeben, den man zu Fuß, ohne Ziel und immer wieder anhaltend, schauend, riechend, hörend auf sich wirken lässt, um Neues im anscheinend so Vertrauten zu entdecken.

Eingangstür mit Hiwneis, dass der Eingang über den Hof erfolge. Daneben eine Aushang mit der Speisekarte.