Überwachungsstaat konkret – oder: Nachgerechnet
Chris Inglis ist stellvertretender NSA-Direktor. Er sagte bei einer Anhörung im Rechtsausschuss des Repräsentantenhauses des Vereinigten Staaten von Amerika, dass im Verdachtsfall nicht nur Verdächtige beobachtet werden, sondern darüber hinaus deren „Kommunikationspartner“. Dabei gehe man 3 Schritte weit.
Person a ist verdächtig. In der Freundesliste der Person a auf Facebook stehen x Personen (1. Schritt). Nun wird aber nicht nur die Kommunikation von a mit x überwacht, sondern auch die Kommunikation von x mit jedem in ihrer Freundesliste auftauchenden Menschen (y). (2. Schritt) Damit nicht genug: Auch die Kommunikation der Menschen, die mit y befreundet sind (z) wird überwacht, obwohl die meisten aus der Gruppe y die Person a überhaupt nicht kennen dürften. (3. Schritt)
Wenn Person a nun auf Facebook, auf Twitter, auf Xing oder LinkedIn ein Profil hat, muss man natürlich alle „Kommunikationspartner“ – verlinkt zu sein, heißt noch nicht, dass man auch regelmäßig kommuniziert – auf jeder dieser Plattformen nehmen und all die dort entstehende Kommunikation 3 Schritte tief beobachten.
Da man nach Studien auf Facebook über 4,74 Schritte mit quasi jedem online aktivem Menschen verbunden ist (zumindest auf der Facebook-Welt), kann man erahnen, wie umfassend die Kommunikation der im Netz aktiven Menschen von den USA im Verdachtsfall (einer verdächtig, gegebenenfalls ein paar Millionen Leute fallen in den Bereich der Kommunikation über 3 Schritte) überwacht wird.
Ich habe das Experiment jetzt mal auf Xing nachgerechnet. Auf Xing deshalb, weil mir dort ein Tool meine Verbindungen bis zum 3. Grad darstellt.
Und die Zahlen stimmen so immer noch nicht, denn z. B. auf Twitter habe ich zur Zeit über 800 Profile, denen ich folge und über 1800 Profile die mir folgen. Legte man diese Zahlen zu Grunde, hätte das Erschrecken über die jetzt bekannt gewordenen Überwachungsstrategien, denen sicher nicht nur die NSA, sondern bestimmt auch andere Geheimdienste anderer Länder folgen, eine vermutlich noch deutlich erschütternde Dimension.
Jetzt also einmal das „harmlose“ Beispiel auf der Basis von nur 84 Kontakten auf XING:
Auf Xing habe ich derzeit 84 Kontakte. Diese Kontakte haben zusammen wiederum 16970 Kontakte – von denen ich die wenigsten Personen kennen. Diese 16970 Kontakte haben zusammen wiederum 990 685 Kontakte.
Würde nun der US-Geheimdienst mich überwachen (vielleicht, weil ich das Wort Bombe einmal zu oft benutzt habe), dann würde er meine Kommunikation mit Kontakten 1 Grades beobachten und die Kommunikation der Kontakte 2. und 3. Grades gleich auch noch.
Auf der viel zu niedrigen Basis von 84 Leuten, mit denen ich auf XING direkten Kontakt habe, würde bereits die Kommunikation von 84+16970+990685=1 007 739 Personen von der NSA überwacht werden.
Das ist mit den „3 Schritten“ gemeint, die im verlinkten Spiegel-Artkel genannt sind.
Das ist doch echt beruhigend. So macht deutsch-amerikanische Freundschaft richtig Spaß. Und die Bundesregierung?
Sascha Lobo fasst es wie folgt zusammen: „Meine Heimat wird illegal attackiert, aber die Bundesregierung weiß von nichts, ist nicht zuständig oder wiegelt ab.“
Man reiche mir eine Nierenschale.