Kleine Indizien des großen Strukturwandels
Am Mittwoch, dem 3. September 2014, ging durch die Medien, dass der Taxi-Konkurrent Uber vor dem Frankfurter Landgericht per einstweiliger Verfügung verboten bekommen hat, weiter private Fahrer an Fahrgäste zu vermitteln. Diese einstweilige Verfügung wurde von dem Zusammenschluss – gibt es triftige Gründe, nicht von einem Kartell zu sprechen? – der deutschen Taxizentralen „Taxi Deutschland“ erwirkt.
Wenn man diese Auseinandersetzung im Rahmen des digitalen Strukturwandels betrachtet, ist dieser Versuch der Interessenvertretung der Taxi-Zentralen nur einer mehr, der zeigt, dass längst nicht jeder verstanden hat, dass wir es mit einem grundlegenden digitalen Strukturwandel zu tun haben, dessen Auswirkungen sicherlich so gravierend sein werden, wie der Wandel des Ruhrgebietes in den vergangenen Jahrzehnten, aber nicht nur eine Region, sondern die gesamte Gesellschaft betreffen werden.
Besitzstandswahrer haben im Kontext dieses Strukturwandels keine Ideen. Sie sehen nur, dass da etwas Neues am Entstehen ist und reagieren reflexartig mit Versuchen, die als Indizien der Veränderung zu verstehenden Entwicklungen zu verbieten – und fallen absehbar auf die Nase.
Es ist in so vielen Branchen momentan genau das der Fall: Wir erleben einen Strukturwandel angesichts der zunehmenden Präsenz des Digitalen und des Internets und mit diesem verbunden das Aufbegehren der jeweiligen Gruppen bisheriger Nutznießer bestimmter Konstellationen.
Die Musikbranche ist von diesem schmerzhaften Prozess des Strukturwandels mit als erste getroffen worden und eine neue Studie zeigt, dass Musikstreaming an die Stelle bisheriger Musikkonsumenten-Gewohnheiten treten wird, sodass sowohl das Geschäft mit CDs und auch mit Musik-Downloads keine große Zukunft mehr haben dürfte.
Die Buchbranche wehrt sich mit Händen und Füßen gegen den Strukturwandel, glaubt anscheinend, wenn sie EBooks (nicht von jedem Buch allerdings) anböte, könne sie im Strukturwandel ihre Pfründe bewahren. Da wird das Erwachen ziemlich unvermittelt sein, wenn man plötzlich merkt, dass Autoren sich anderen Vermarktungswegen zuwenden, insbesondere jene, die ihre Geschichten crossmedial erzählen.
Und nun also das Taxi-Gewerbe.
Gunter Dueck weist schon seit längerer Zeit darauf hin, dass das autonom fahrende (fahrerlose!) Taxi kommen wird. Das werden die Taxibetriebe wahrscheinlich nicht verbieten wollen, aber der Beruf des Taxifahrers wird exotischer werden nahezu verschwinden.
Im Augenblick wehrt sich die Taxibranche gegen Versuche, das Monopol deutscher Taxiunternehmen und derer -zetralen aufzubrechen. Wenn sie bis zur letzten Instanz Recht bekommen sollte, sollte sich die Branche dennoch nicht zu früh freuen. Der digitale Wandel wird sie noch wesentlich härter treffen, als Uber das je könnte. – Zumindest in Kalifornien sind die Autobahnen für Autos, die mit Autopilot fahren, gerade freigegeben worden.
„There has grown up in the minds of certain groups in this country the notion that because a man or a corporation has made a profit out of the public for a number of years, the government and the courts are charged with the duty of guaranteeing such profit in the future, even in the face of changing circumstances and contrary public interest. This strange doctrine is not supported by statute nor common law. Neither individuals nor corporations have any right to come into court and ask that the clock of history be stopped, or turned back, for their private benefit.“ (Robert Heinlein, 1939)
Die Taxi-Branche wird bestimmt bald – ähnlich wie die Zeitungsgilde – unter einen staatlich angefertigten Leistungsschutzschirm kriechen.
Die Digitale Revolution wurde noch nicht voll begriffen, da tritt bereits Industrie 4.0 vor unsere Tür.
Mancher hat vielleicht noch nicht begriffen, dass Monopole nicht Freiheit bedeuten. Ob uns Google oder NSA unterdrücken, macht einen Unterschied: Auf die NSA wie auf andere Geheimdienste haben wir wenigstens einen bescheidenen politischen Einfluss.
Mancher will vermutlich auch Gewerkschaften als Kartelle unterdrücken. Der steckt noch im tiefsten 19. Jahrhundert.
Technischer Wandel bedeutet nicht, dass ihm notwendigerweise immer der Mensch zum Opfer gebracht werden muss.
Eine Kleinigkeit ist hier vergessen worden: Anscheinend gehört es auch zum digitalen Strukturwandel, Gesetze und Gerichte zu ignorieren. Uber hat die Gerichtsentscheidung ignoriert, andere „Geschäftsmodelle“ basieren schlicht auf Ignorierung von z.B. Urheberrechten. Ob das eine gute Entwicklung ist, merkt man wahrscheinlich erst, wenn man mal die Hilfe von Gesetzen und Gerichten braucht..