Leidenschaft für Gott und die Menschen

Hier veröffentliche ich einen Beitrag neu, den ich über Bruder Paulus Terwitte bereits 2002 für die Osnabrücker Kirchenzeitung geschrieben habe. Wer wissen will, was Bruder Paulus heute tut, kann sich die Sendung „Redezeit“, die heute beim WDR lief, als MP3 des WDR anhören. – Jetzt aber einen kleinen Blick in die Zeit vor sechs Jahren:

Im Internet und der Gemeinde will Bruder Paulus Gottes Wort verkünden

Frankfurt – Wenn es darum geht, Aufmerksamkeit für das Wort Gottes zu erregen, ist man bei Bruder Paulus an der richti­gen Adresse. Gemeinsam mit Ul­rich Fischer von der Katholi­schen Medienarbeit in Frankfurt am Main hatte er vor zwei Jahren den zündenden Gedanken. „Wir fragten uns: Wie bringen wir die Kirche in die Medien? Interessant sollte es sein und damit neugierig machen. Lebensalltag und Glaubenswelt sollten zusammenkommen – ein Grundanliegen der Kapuziner in der Innenstadt von Frankfurt.“ Heraus kam die Idee, täglich die Schlagzeile der Bild­zeitung mit einem Bibelvers zu verbinden, einen kurzen Kom­mentar zu schreiben und das Ganze im Internet zum lesen und hören zu veröffentlichen. Die Idee schlug ein wie eine Bombe. Nicht nur im Internet spricht Br. Paulus heute vom Glauben. Zahllose Journalisten wollen mit ihm sprechen, Talkshows auf al­len Kanälen laden ihn ein, bei Radiosendungen ist er ein gern gesehener Gast. Und so klingelt das Telefon auch, als wir im son­nigen Innenhof des Frankfurter Kapuzinerklosters sitzen und uns mitten in Frankfurts City unter­halten. Eine Journalistin will et­was über Christi Himmelfahrt er­fahren und fragt nach einem In­terview. „Wenn sie heute Abend um zwanzig nach Sieben da sind, können wir uns sieben Minuten unterhalten. Oder kommen sie um halb Elf vorbei.“ Der Ter­minkalender von Bruder Paulus ist voll, denn noch immer ist er der Einzige, dem es gelingt, das Wort Gottes in eine Öffentlich­keit zu tragen, in der es in der Regel peinlich ist, davon zu spre­chen, dass man gerne Christ ist. Ihm ist das nicht peinlich. „Da will ich ja gerade hin – wo der Kirche normalerweise keinen Platz mehr hat.“ Und außerdem findet er es ein­fach spannend, Menschen dort zu begegnen, wo sie leben und ar­beiten. So ist das ja auch mit dem Bildzeitungskommentar. „‚Bild’ hat so menschlich-allzumenschli­che Themen als Aufmacher, Themen über Liebe. Sünde, Ero­tik, Erfolg und Misserfolg – und das sind Themen, die jeder in seinem Leben kennt – und somit auch die Bibel.“ Und schon ist er wieder bei seinem Lieblings­thema, dem Bestseller Bibel. Wie aber schafft er es, täglich neu eine Bibelstelle zur Schlagzeile zu finden? „Das ist eng mit mei­ner Spiritualität verbunden, die darin besteht, alles aus dem Glauben heraus zu sehen. Es gibt nichts, zu dem mir kein Bibelvers einfällt.“ Und dann muss er nur noch an seinen Computer, die Bibelstelle suchen und in fünf­undvierzig Minuten steht der Kommentar.

Auf die Frage, wie er sich die Zukunft dieser Arbeit vorstellt, zuckt er leicht mit den Schultern und sagt nachdenklich: „Es ist eine Kunst, etwas auch wieder aufzuhören.“ Und dann kommt er auf den Ordensvater der Kapuzi­ner, Franz von Assisi zu spre­chen. „Wie er sind wir Kapuziner Menschen unterwegs. Vielleicht mache ich morgen etwas ganz anderes.“ Er habe das wohl von seinem Vater, der auch viel selbst gemacht habe und vor al­lem Spaß am Ausprobieren hatte. „Jetzt lerne ich gerade, auf der Klaviatur der Medien zu spie­len.“ Und das ist nicht das erste Mal, dass Bruder Paulus etwas für ihn ganz Neues lernt. Aufge­wachsen ist er im münsterländi­schen Stadtlohn und entschied sich dann mit neunzehn, sein Leben als Kapuzinerbruder zu gestalten. Nach Noviziat und Studium arbeitete er unter ande­rem in Offenburg und Stühlingen im Schwarzwald. 1992 ging er mit zwei Mitbrüdern nach Gera in Thüringen, wo sie in einer So­zialwohnung eine kleine Ordens­niederlassung gründeten. Er ar­beitet seit vielen Jahren für die Hospizbewegung in Deutschland und baute deren Internetpräsenz hospiz.net auf. Denn neben dem Leben, dass er intensiv und im jeweiligen Augenblick leben möchte, sind Sterbende und Trauernde für ihn als Priester keine nötige Pflicht, sondern Auftrag und mehr als nur ein Fingerzeig Gottes über das endli­che Leben. Außerdem liebt Br. Paulus leidenschaftlich gerne ar­gentinischen Tango, trotz seiner hundertfünfzehn Kilo, liest gerne Krimis und Gedichte. Aber na­türlich hat Br. Paulus auch noch andere Aufgaben, denen er als Ordensmann gerne nachgeht und aus denen er Kraft schöpft. „Den Rest meiner Zeit verbringe ich mit Gebet, Arbeit für die Ge­meinschaft (ich bin Hausoberer, Guardian heißt das bei uns) und mit Seelsorge für Menschen, die zu uns in die Liebfrauenkirche oder ins Kloster kommen. Ich sehe aber, dass die Arbeit für das Wort Gottes in den Medien ein Full-Time-Job werden könnte – mal sehen, was die Zukunft bringt.“

Bei aller Neugier, Neues auszu­probieren, als Mensch unterwegs zu sein, gibt es dennoch einen ruhenden Pol im Leben von Bru­der Paulus, den er auch nicht dem Gefühl überlässt: seinen Glauben an die Gegenwart Got­tes in dieser Welt. „Gott ist prä­sent, hier und jetzt. Glaube ist nicht Ge­fühlsduselei, sondern das konsequente Ja zum Leben. Und das kommt nicht irgendwie aus mir raus, sondern ist meine klare Antwort auf das Ja Gottes zu mir, zur Welt. Bei allem, was es hier an Versuchung, an Bösem und an Blödsinn gibt: Ich habe keine Angst vor dieser Welt. Sie und keine andere ist es nämlich, in der sich Gott seine besten Talente erschafft.“

Torsten Larbig – Kirchenzeitung Osnabrück (19. Mai 2002)