Habemus Papam: Erste Gedanken zu Papst Franziskus
Ich bin überrascht.
Hatte mich die Kürze dieses Konklave zunächst befürchten lassen, dass die Kardinäle möglicherweise den schweren Schritt zu Reformen nicht gehen würden, gab es dann ganz viel, was es vor Jorge Mario Bergoglio, der als Papst Franziskus nun das Amt ausübt, nicht gegeben hat:
Noch nie gab es einen nicht-europäischen Papst und entsprechend
gab es noch nie (vgl. z. B. hier und auf der Liste aller Päpste hier [Korrektur 15.3.2012]) einen lateinamerikanischen Papst.
Darüber hinaus ist Bergoglio der erste Jesuit der Papst wurde und als solcher hat er den Namen des Gründers einen anderen Ordens angenommen: Bergoglio nennt sich nach Franz von Assisi, von dem erzählt wird, er habe einst im Traum eine Stimme gehört, die ihn aufgefordert habe, die Kirche wieder aufzubauen.
Franz von Assisi hat diese Stimme ernst genommen und die damals verfallene Kirche San Damiano vor den Toren Assisis wieder aufgebaut, wurde aber für die Kirche seiner Zeit zu einem Reformator, der all dem Prunk Roms die Einfachheit und Bescheidenheit zur Seite stellte.
Bergoglio wird nachgesagt, er habe im Umgang mit der argentinischen Militärdiktatur zu große Zurückhaltung, wenn nicht gar eine Nähe zu dieser gezeigt und auch sonst gibt es durchaus sehr konservative Äußerungen von ihm. – Entsprechend war es ein angemessenes Zeichen, dass er bei seinem ersten Auftritt in Rom zwar von oben herab sprach, der Balkon ist nun einmal erhöht und nicht ebenerdig angebracht, aber zunächst darum bat, dass für ihn gebetet werde. Mir kam es so vor, als wisse er, dass Bescheidenheit die ihm einzig angemessene Form ist, als wisse er, dass er als Mensch – und es werden Menschen zu Päpsten gewählt, keine Halbgötter oder gar Heiligen, wie der Frankfurter Kapuziner Bruder Paulus auf N24 so treffend formulierte – genug an Schuld mit sich herum trage.
Inwiefern die Biographie Bergoglios seinem Amt oder gar seiner Glaubwürdigkeit im Weg stehen wird, werden die nächsten Wochen zeigen, wenn der neue Papst journalistisch mit Sicherheit von allen Seiten durchleuchtet werden wird.
Der Schritt ins Papstamt ist ein Bruch in der Biographie des Menschen, der dieses Amt als Auftrag bekommt. Das ist einer der Gründe, warum ein neuer Name angenommen wird. – Bergoglio wird nicht nach Argentinien reisen, packen und dann sein Amt antreten, er ist mit der Wahl im Amt und wird in Rom bleiben, bis er sich vielleicht auf Missionsreise nach Argentinien begeben wird.
Und es gab noch ein paar Neuerungen beim ersten Auftritt Franziskus:
So hat schon lange kein Papst mehr einen ganz neuen Namen gewählt. Johannes Paul I. hat die Namen von Johannes XXIII. und Paul Vi., also die Namen der Päpste, die das Zweite Vatikanische Konzil leiteten, kombiniert. Aber einen ganz neuen Namen gab es wohl seit Papst Lando nicht mehr, der von 913-914 regierte, über den wir aber wenig wissen, der zudem wohl eher bedeutungsarm gewesen sein dürfte.
Papst Franziskus legte auch nicht die rote Mozetta um und trug die Minimalkleidung des Papstes, ohne zusätzlichen Prunk.
Und trotz all dieser Zeichen, die auf was „Neues“ verweisen, bin ich gespannt, ob dieser sechsundsiebzig Jahre alte Mann auf dem Stuhl Petri wirklich Impulse wird setzen können. Wenn er in der Kurie aufräumt, den römischen Verwaltungsapparat reformiert, wäre das vor allem kirchliche Innenpolitik, die zwar dringend notwendig scheint, die aber noch nicht mit neuer Glaubwürdigkeit der Kirche verbunden sein muss.
Was ich Papst Franziskus zutraue ist, dass er das Amt mit neuer Bescheidenheit ausstattet. Als Erzbischof wohnte er nicht im erzbischöflichen Palais, er verzichtete auf große Autos und war mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Das erinnert mich an den Vorgänger des gegenwärtigen Limburger Bischofs, das erinnert an Franz Kamphaus, der im Limburger Priesterseminar eine Wohnung hatte und in einem Kleinwagen ohne Chauffeur unterwegs war.
Ich erwarte nicht, dass Papst Franziskus all die Themen mit reformatorischem Elan angehen wird, die oft mit der Kirche verbunden sind: Er wird kaum die Rolle der Frau stärken, das Familienbild aus naturrechtlichen Vorstellungen heraus holen etc. (Obwohl man sich nie so sicher sein sollte, was ein Papst tun wird oder nicht tun wird.)
Wenn ich mir aber meine Erwartungen an Papst Franziskus wirklich durch den Kopf gehen lasse, dann merke ich, dass es dem Konklave gelungen ist, jemanden zu wählen, bei dem man nicht so genau weiß, was er mit dem Amt machen wird. Bergoglio gilt einerseits als Konservativer in Sachen katholischer Morallehre, aber er gilt auch als Anwalt der Armen, der mit Gruppen für die Armen zusammenarbeitete, die durchaus politisch links angesiedelt sind. Bergogolio gilt als jemand der sowohl Traditionalisten in der Katholischen Kirche als auch Reformern etwas zu sagen hat und zwischen den Flügeln vermitteln kann.
Im fünften Wahlgang dieses wiederum sehr kurzen Konklaves hatte Bergoglio eine Zweidrittelmehrheit. Das lag sicher nicht daran, dass er 2005 als schärfster Konkurrent für Joseph Ratzinger galt. Vielmehr ist zu vermuten, dass Bergoglio bei den Beratungen im Vorfeld der Papstwahl Äußerungen getan hat, die die Kardinäle dazu brachten, ihn so schnell zu wählen.
Wofür Papst Franziskus aber letztlich stehen wird, gilt es abzuwarten.
Der erste Auftritt direkt nach der Wahl aber, dass gebe ich durchaus zu, hat mir gefallen, ja, hat mich neugierig auf diesen Papst gemacht.
(In einer ersten Version des Beitrages stand „Franziskus I.“. Nach nochmaligem Anhören der Verkündiung des Papstnamens und nach einem Hinweis auf Twitter, habe ich gemerkt, dass sich der neue Papst nur Papst Franziskus nennt, ohne eine hinzugefügte Zahl. Ich habe den Blogartikel entsprechend korrigiert. Auch auf der Seite des Vatikans ist nur von Papst Franciscum die Rede.)