Ressourceneinsatz und mediale Vermittlung – oder: Müssen es immer Videos sein?
Der 200. Artikel auf herrlarbig.de :-)
Vorspann: Dieser Beitrag ist einerseits von einer über mich gekommen Aufforderung zur Produktion von Videos motiviert (und steht erst einmal an Stelle der gewünschten Videoantwort), andererseits geht er aber über die Reflexion dieser Aufforderung hinaus auf ein paar grundsätzliche Fragen des Umgangs mit Video und anderen Medien ein. Diejenigen, die einen inhaltlichen Beitrag zur Gestaltung der „Bildungsreporter“ erwarten, mögen diesen Beitrag als eine Reflexion auf die Form, in der das Projekt inhaltlich und formal gestaltet werden könnte nehmen (am Ende sage ich dann auch noch etwas zu meinen Vorstellungen der Ausgestaltung des Projektes „Bildungsreporter”); alle anderen mögen ihn als Reflexion über die von mir beobachtete Videomanie im Netz der Gegenwart lesen.
Welche Mehrwert hat es eigentlich gegenüber einem geschrieben und im Netz veröffentlichtem Text, wenn die Kanzlerin Woche für Woche eine Videobotschaft in die Welt setzt? Was ist der Sinn, wenn sich Menschen vor eine Videokamera stellen und erzählen, was ihnen gerade durch den Kopf geht? Könnten sie das nicht auch in einem Blog einfach notieren?
Videos sind gerade sehr hoch angesehen und als ich vor kurzem das Einleitungsvideo zu dem Projekt „Bildungsreporter” sah, wurde auch ich mit der Aufforderung konfrontiert, doch bitte eine Videoantwort zu erstellen. Also nahm ich meine erst kurz zuvor angeschaffte Miniatur-HD-Videokamera und begann damit, erste Erfahrungen mit Videos zu machen. Ich versuchte sogar, einfach mal so eine Videoantwort zu produzieren – und habe davon ganz schnell wieder Abstand genommen.
Dennoch weitet sich mein medialer Blick in der Beschäftigung mit einem für mich bislang eher neuem Medium. Bisher hatte ich Erfahrungen mit dem Schreiben von Texten, mit Fotografie, mit dem Erstellen von Audioaufnahmen, aber eben nicht mit audiovisuellen Formen. Die Beschäftigung mit diesen ist für mich sehr spannend geworden, auch, weil sie für mich medienpädagogisch, mediendidaktisch, medientheoretisch und medienkritisch äußerst fruchtbar scheint.
Meine erste Erfahrung: Videos brauchen sehr viel Speicherplatz, sind also alles andere als triviale Produkte, wenn es um vernetzte Strukturen geht, setzen sie doch schnelle Internetverbindungen für die Verbreitung ebenso voraus, wie ausreichende Rechenkapazitäten eines Computers bei ihrer Erstellung. Es handelt sich also um eine Form medialer Vermittlung, die enorme Ressourcen braucht. Um einen Vergleich zu bemühen: Mir kommt die Nutzung von Video für die Vermittlung von Textbotschaften mit Einblendung der sie sprechenden Person im Vergleich zu einer schriftlichen Fassung, der man vielleicht ein Foto der Person beifügen kann, die sie geschrieben hat, so vor, wie die Nutzung von ca. einer Tonne Stahl, um eine 75 Kilogramm schwere Person in einem Auto durch die Straßen fahren zu lassen. Diese Nutzung von Ressourcen hat zu enormen Problemen u. a. bei der Stadtgestaltung, der Zerschneidung von Landschaften für Fahrwege und vor allem in ökologischer Hinsicht geführt.
Und nachdem ich mich auf YouTube nun recht intensiv umgesehen habe, bleibt ein ambivalentes Gefühl zurück: Die meisten der dort eingestellten Videos sind in meinen Augen reine Ressourcenverschwendung, sei es, weil es sich um Videos handelt, auf denen Einzelpersonen zur Welt sprechen, ohne dass es einen triftigen Grund gibt, dies nicht schriftlich zu tun (z. B. weil jemand nur eingeschränkt oder gar nicht die Tastatur bedienen kann, auch wenn in einem solchen Falle, die ressourcensparendere Variante die Audioaufnahme wäre), sei es, weil es sich um Inhalte handelt, die der Fotografie im Urlaub entsprechen, nun aber schnell mal auf YouTube der ganzen Welt gezeigt werden.
Ich weigere mich, diesen Umgang mit Videos pauschal zu verneinen oder gar zu verurteilen, denn natürlich haben Erinnerungsvideos einen individuellen Wert und ich kann es in Sachen Selbstdarstellung und Dokumentation sogar nachvollziehen, dass solche Videos online gestellt werden. Darüber hinaus bilden viele der dort veröffentlichten Videos die Weltwahrnehmung so ab, wie sie heute verbreitet ist, sodass die Videos, so sie denn erhalten bleiben, einen sozialgeschichtlichen Wert haben. (Und davon abgesehen macht das Spiel mit den unterschiedlichen medialen Formen auch unheimlich viel Spaß, was vielleicht schon alleine als Rechtfertigung für deren Nutzung reicht.)
Meine Überlegungen gehen in eine ganz andere Richtung, die zwar durchaus als kritisch distanziert zum von mir beobachteten, weit verbreiteten Umgang mit dem Medium Video gelesen werden kann, ohne dass ich diesen Umgang wirklich negieren will. Meine Überlegungen haben mit dem Zusammenhang von Inhalt und Form zu tun. Damit verbunden ist die Frage, welche Ressourcennutzung für welche inhaltlichen und formalen Zusammenhänge angemessen sein könnte.
Was spricht für Videos? Das Hauptargument, dass mir hier einfällt, besteht darin, dass wir heute weitgehend audiovisuell sozialisiert werden, es vielen Menschen also leichter zu fallen scheint, Inhalte über die Verbindung mit Ton und Bewegtbildern zu erfassen, als über Schrift. Der Mehrwert von Video gegenüber Audio ist einem solchen Kontext die Fixierung der visuellen Aufmerksamkeit auf den Bildschirm, während wir in Sachen Audio eher so sozialisiert sind, dies als ein „Nebenbei-Medium“ zu begreifen, sodass es für mich keine Überraschung ist, dass die Wortbeiträge im Radio immer kürzer werden und die Sender, die umfassende Wortbeiträge liefern eher geringe Einschaltquoten erreichen können.
Video ist also scheinbar das ideale Medium, um größere Zuschauerkreise anzusprechen. An diesem Punkt gilt also: Daumen hoch.
Darüber hinaus bieten die formalen Gestaltungsmöglichkeiten audiovisueller Produkte enorme ästhetische Reize, da in ihnen Inhalte auf mehreren Wahrnehmungsebenen gleichzeitig transportiert werden können, wobei jede der Wahrnehmungsebenen einen eigenen Anspruch erhebt: Bild und Ton ergänzen einander, treten zueinander in Spannung, fordern von jedem, der sich auf dieses Medium einlässt einen doppelten Gestaltungswillen, soll das Resultat nicht an den Möglichkeiten des Mediums vorbei gehen und somit zur Ressourcenverschwendung werden.
Das Musterbeispiel von Ressourcenverschwendung sind für mich alle audiovisuellen Produktionen, bei denen das Bild neben dem Text bzw. Ton keinen Eigenwert hat oder in denen der Text bzw. Ton neben dem Bild keinen Eigenwert hat.
Ein paar subjektive Beispiel für solche misslungenen audiovisuellen Produktionen:
- An erster Stelle steht für mich das „Wort zum Sonntag“, das jede Woche im Ersten (ARD) ausgestrahlt wird. Hier steht in der Regel eine Person vor einem blauen Hintergrund oder manchmal auch im öffentlichen Raum und spricht. Die Kamera ist, von einigen Zooms oder leichten Perspektivenverschiebungen auf eine Person gerichtet, die spricht und am Ende wird sogar noch darauf hingewiesen, wo man den Text der Sendung beziehen kann. Gerade dieser Hinweis zeigt: Der Text kann gut ohne die verwendeten Bilder stehen.
- Ähnlich kritisch sehe ich Veranstaltungen, die im Fernsehen laufen, aber gleichzeitig auch im Radio übertragen werden (z. B. Presseclub); reine Wortsendungen (Philosophisches Quartett) etc.
Ähnliche Ressourcenverschwendungen beobachte ich im Radio, wenn jemand eine Stunde lang einen Text verliest, statt frei sprechend einen Gedanken zu entwickeln, wobei ich literarische Lesungen davon ausdrücklich ausnehme, da die sprachliche Gestaltung eines literarischen Textes eine eigene Form der Deutung und Vermittlung eines solchen Textes ist.
Ähnlich unangemessen finde ich es übrigens, wenn jemand schriftlich versucht einen Film wiederzugeben und sich dabei alleine auf die Inhalte beschränkt und den ästhetischen Mehrwert der audiovisuelen Umsetzung völlig außen vor lässt, also im Prinzip zu keinem deutenden Umgang mit dem Gesamtkunstwerk kommt. Doch dieses Problem gibt es ja auch schon beim Umgang mit literarischen Texten, deren formale Gestaltung bei der Rezeption sehr selten wirklich in den Blick genommen wird.
Zurück zu den Videos.
Wenn sich – und damit bin ich wieder bei über mich gekommen Aufforderung, ein Antwortvideo zum Einleitungsvideo der Bildungsreporter zu erstellen – Text und Bild einander ergänzen (bei den Bildungsreportern gelingt die Christian Spannagel und Lutz Berger z. B. durch die teilweise bildlich eigenständige Verwendung des Bahnhofs), dann finde ich Videos gelungen. Wenn aber eine bloggende Person plötzlich vor einer Videokamera sitzt und x Megabyte Datenmaterial erzeugt, indem sie alleine in eine Videokamera spricht, dann frage ich mich wirklich, ob man da nicht ressourcenschonender arbeiten könnte, indem die Gedanken als Text im Blog niedergeschrieben werden oder von mir aus auch als Audiodatei online gestellt werden. (Wenn man natürlich die Inhalte so verpackt, wie es nur per Video geht, weil z. B. eine Puppe spricht oder jemand ein „Antivideo“ dreht, indem er beschriebene Blätter vor die Kamera hält, dann bekommt das Ganze für mich schon wieder einen Reiz.)
Was jetzt wie Kritik und Seitenhiebe gelesen werden kann, ist als solches überhaupt nicht gedacht! Ich habe nämlich genau solche Videos in den vergangen Wochen selbst in Massen produziert und bin dabei auf die Probleme gestoßen, die ich hier jetzt niederschreibe. Ich bin dabei zu dem Schluss gekommen, dass ich keine Videos produzieren bzw. veröffentlichen will, bei denen das verwendete Medium keinen für mich erkennbaren Eigenwert hat. Und damit bin ich bei der Frage, wann welches Medium eigentlich angebracht ist.
- Wenn ich rein sprachliche Inhalte vermitteln will, die schriftlich gefasst werden können, ist für mich die Schrift nach wie vor erste Wahl.
- Audioaufnahmen haben für mich dann ihre Berechtigung, wenn z. B. spontane Gedanken ohne Skript oder max. mittels Stichwortsammlung produziert werden. Ebenso, wenn es um Feldaufnahmen (Geräusche) geht, um Interviews, die als Gespräche wiedergegeben werden sollen etc. Außerdem bietet Audio andere Möglichkeiten der Gestaltung als Schrift, da hier, neben der inhaltlichen Seite die akustische Seite und der Umgang mit ihr als Mehrwert zu gestalten ist. Das sind dann aber auch schon die höheren (anderen) Anforderungen, die akustische Produktionen stellen. Hier kommen formale Gestaltungsmöglichkeiten hinzu, die dann auch zu nutzen sind. Würde ich diesen Text hier nun also einfach einsprechen, dann hätte das eigentlich keinen Mehrwert, es sei denn meine Stimme hat einen solchen ästhetischen Wert, dass sie selbst Teil der Gestaltung der Inhalte ist. Außerdem halte ich Audioaufnahmen z. B. von Blinden oder Menschen, die ihre Hände nur begrenzt verwenden können für sehr angemessen.
- Video kommt dann ins Spiel, wenn die Bilder eine eigene Sprache sprechen, wenn also der formale (ästhetische) Mehrwert des Videos auch genutzt wird. (Auch hier gilt die Einschränkung, dass Videos von Menschen, die sich anderer medialer Formen nicht oder nur mit Problemen bedienen können, immer angemessen sind!)
Für ein Projekt, wie die „Bildungsreporter“ bedeutet das für mich, um diese Gedanken jetzt mal praktisch zu wenden, dass ich mir eine Gestaltung der Inhalte in ihnen angemessenen Formen vorstelle. So können Texte wie dieser hier schriftlich (und somit am ressourcenschonensten) in das Projekt eingespeist werden. Unterrichtsdokumentationen hingegen sollten (so dies möglich ist) eher als Videos produziert werden (aber dann wirklich „produziert“). Interviews können als Audios bereitgestellt werden.
Ich wünsche mir ein Projekt, das nicht nur etwas darstellt, sondern in dem auch die Beteiligten in einen Lernprozess eintreten, der über die Frage der Bildung hinaus geht. Ich wünsche mir, dass die Beteiligten am Projekt selbst ihre medienpraktischen Kompetenzen erweitern und sich neben der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Bildungsfragen auch Gedanken um die angemessene Form der Vermittlung dieser Inhalte machen. Dabei stellen Videos mit die größte Herausforderung dar, zumindest dann, wenn die für ihre Produktion notwendigen Ressourcen (Speicherplatz, Internetzugang, Rechnergeschwindigkeit etc.) so genutzt werden, dass dieser enorme Ressourceneinsatz auch eine formale und inhaltliche Rechtfertigung hat.
Als Ressoucen, die vernetzten Bildungsreportern zur Verfügung stehen könnten, stelle ich mir beispielsweise folgende vor:
- Blogeinträge
- Nutzung von Audioboo oder anderen Audiodiensten
- 1000mikes für Liveaudio
- YouTube / Vimeo für Videos
- Gegebenfalls Einsatz von Fotografie
Und dabei immer im Wechselspiel zwischen Darstellung und persönlicher Reflexion über die Zusammenhänge von Inhalt und Form – und zwar nicht, weil jedes Medium eigene Möglichkeiten bietet, sondern vor allem deshalb, weil ich nach wie vor der Überzeugung bin, dass die Berücksichtigung des Zusammenhangs von Form und Inhalt zu Beiträgen führt, die auch ihre Rezipienten finden.
Ich sehe das alles so ähnlich. (Und dann kommentiert man doch am liebsten?)
Bei Schriftlichem kommt für mich noch dazu, dass ich freier bei der Lektüre bin, Pause machen kann, wann ich will, leichter springen kann, den ganzen Text auf einmal sehen und navigieren und auch Stellen gezielt überspringen kann. Videos schaue ich schon mal ungern an, weil die von mir ein Tempo und (auch wenn’s unlogisch klingt) einen Zeitpunkt fordern, den nicht ich bestimme.
(Audio: Zwischending. Ich höre viele Podcasts beim S-Bahn-Fahren, ich weiß nicht, warum das etwas anderes ist.)
Und ja, ich bin textlich sozialisiert. Ob die jungen Läuse wirklich so audiovisuell sozialisiert sind? Und wenn, ist das nicht einfach Pech für sie und kein Grund für uns, das mitzunehmen? Es sei denn natürlich, das Medium hätte tatsächlich auch Vorteile. Hat es ja auch – aber eben nur bei bestimmten Inhalten, wie es oben ja schön dargestellt ist.
Danke, dass du uns an deinen Gedankengängen auf diese Weise teilhaben lässt, denn genau das ist mir auch durch den Kopf gegangen, als ich Christians Aufruf gelesen/gesehen hatte. Ich hätte es allerdings nie derart dezidiert auf den Punkt gebracht.
Nicht vergessen darf man auch die Ressource Zeit, die für das Anschauen dutzender (langatmiger und ausschweifender) Videos verbraucht wird, während man beim Lesen schnell überfliegen kann.
Hallo
Danke für’s Auf-den-Punkt-bringen, ich teile die Argumentation und den Wunsch. Aus diesem Grund gibt es von mir auch noch kein Video bei den Bildungsreportern. Ich habe angefangen, auch mit der Bitte, keine (langen) Videos zu drehen (ein Aspekt auch in Hokeys Kommentar), es aber auch ganz schnell gelassen. Es hat für mich in diesem Kontext keinen Mehrwert.
Liebe Reportergrüsse 😉
Mandy
@Herr Rau: Die zeitliche Autonmie des Leser halte ich für ein wichtiges Argument: Zurückspringen, auch mal was überspringen, das Lesetempo anziehen, wenn ich was vertrautes lese, langsamer lesen, wenn was neues kommt.
@Hokey: Oh ja, ich glaube sehr gut zu verstehen, wovon du da sprichst 😉
Ich reihe mich ein – auch ich habe ähnlich auf die Aufforderung zum Antwort-Video reagiert. Aus den von Dir und auch von Thomas und Hokey genannten Gründen.
Hinzu kommt noch, dass ich mich nicht so exponieren möchte, wie man das unweigerlich in einem solchen Video tut – Sprache, Mimik, Ausdruck etc. verraten eine Menge über die Person, die da in Großaufnahme vor dem Monitor sitzt – solche Details möchte ich nicht einfach unbedacht ins Internet beamen.
Ein weiterer Punkt ist das von Dir angesprochene „Produktion“ von Videos oder das Fehlen davon. Ich persönlich kann mit Videos weniger was anfangen, wenn sie nicht gewisse Mindeststandards bezüglich der Qualität einhalten. Abschweifendes, stockendes Sprechen, schlechte Bild- und Tonqualität oder ein verwackeltes Bild trüben meines Erachtens die Rezeption deutlich – weil ich es selbst nicht besser könnte oder viel Zeit dafür investieren müsste, habe ich bisher von selbstgemachten Videos abgesehen.
Den von Thomas angesprochenen Aspekt der „Vorsortierung“ finde ist essentiell: einen Text von der Länge Deines obigen Beitrags kann ich in wenigen Sekunden überfliegen, um zu entscheiden, ob ich ihn genauer lese. Wenn Du das Ganze als Video gesprochen hättest, gäbe es nur „alles oder nichts“ – entweder ich schau es mir an oder nicht. Beim Anschauen merke ich evtl. nach 5 Minuten, dass mich der Inhalt nicht weiterbringt, die Zeit ist dann aber schon verstrichen. So geht es mir bei vielen Tipps auf Twitter: wenn es sich um ein Video handelt, schaue ich zuerst auf die Gesamtlaufzeit – ein Video, das 10 min dauert, schau ich mir nur im Ausnahmefall an. Einen entsprechend langen Text kann ich dagegen in wenigen Sekunden scannen, dann ggf. per Instapaper mobil verfügbar machen und im Zug oder Bus in Ruhe lesen.
Als Fazit stimme ich Dir gänzlich zu, dass man Videos nicht machen sollte, weil man es kann, sondern eben nur, wenn der Inhalt nach dieser Form verlangt.
Diese Formulierung gefällt mir. Aber um nicht als Miesmacher dazustehen: Es kann natürlich einen riesen Spaß machen, mit Video zu spielen und zu schauen, was geht und was nicht, das mach ich zur Zeit ja auch. Und ohne dieses Spiel, ohne Erfahrungen mit dem Medium wächst ja auch die Kompetenz im Umgang nicht. Von daher hat ein „try and error“ auch etwas, denn die in meinem Beitrag erhobene Forderung ist, das ist mir durchaus bewusst, ja schon recht anspruchsvoll…
Ich möchte das auch nicht mies machen und spiele natürlich auch gerne mit solchen Technologien und Tools. Und natürlich muss man üben, bevor man das kann.
Meine Aussage ist zunächst einfach wertneutral: Wenn ein Video keinen Mehrwert bietet oder zu lange dauert, ist die Chance, dass ich es rezipiere, sehr gering. Auch dann, wenn es zwar einen Mehrwert bietet, ich das aber nicht VOR dem Anschauen entscheiden kann. Insofern werden manche Inhalte nicht rezipiert, WEIL sie in dieser Form daherkommen, OBWOHL sie vielleicht wertvoll sind.
@ Andreas Kalt: Genau so sehe ich das auch. Und genau so will ich auch gerne meinen Beitrag verstanden wissen 🙂
„Sprache, Mimik, Ausdruck etc. verraten eine Menge über die Person,“
deshalb mag ich (auch) video
„Hinzu kommt noch, dass ich mich nicht so exponieren möchte, wie man das unweigerlich in einem solchen Video tut – Sprache, Mimik, Ausdruck etc. verraten eine Menge über die Person, die da in Großaufnahme vor dem Monitor sitzt – solche Details möchte ich nicht einfach unbedacht ins Internet beamen.“
Genau deswegen sind es bei mir eine Puppe und eine verstellte Stimme geworden. Auch der Hintergrund verrät kaum etwas über die Art und Weise, wie ich lebe.
Vielleicht geht es in einer Videoantwort aber auch genau darum: Den oft nur virtuell bekannten Menschen wenigstens zu sehen und zu hören und auch diese Weise Metainformationen über ihn/sie zu erhalten – also ein Stück „Welt“ zu transportieren. Wie oft entscheiden wir uns bei unseren Expeditionen in die Welt nicht nach inhaltlichen, sondern persönlichen Aspekten. Es soll ja z.B. Städte geben, die man ohne direkten Kontakt mit einem Menschen nie kennen gelernt hätte.
Daraus ergibt sich eben ein Spannungsfeld: Das eigene Bedürfnis nach Selbstschutz und das aktive/passive Verlangen nach Exposition. Und es sind gerade diese Expositionen, die wir Menschen gerne sehen, nach denen wir verlangen. Unterricht wird an Stellen interessant, an denen ich Menschen erfahre.
@Thorsten
Vielleicht ist dein Artikel lediglich eine lehrerstereotypisch intellektuell formulierte Ablehnung deiner eigenen Exposition – der Videoaufruf hat hat etwas mit dir gemacht und dich gedanklich lange begleitet.
Auf jeden Fall ist es aber deine Art, mit dem von mir skizziertem Spannungsfeld umzugehen. Und das ist (d)ein unbestreitbares Recht. Und ich habe wieder viel Neues daraus gelernt.
Wenn aber extern ein solches Spannungsfeld aufgezogen werden kann – dann sagt das doch etwas über Bindung aus. Das ist für mich das eigentliche Phänomen. War für mich absolut witzig, das Video zu drehen.
„[They] seem[s] to have invisible touch […]“
„Vielleicht ist dein Artikel lediglich eine lehrerstereotypisch intellektuell formulierte Ablehnung deiner eigenen Exposition – der Videoaufruf hat hat etwas mit dir gemacht und dich gedanklich lange begleitet.“
Hier fehlt noch ein: „Vielleicht auch nicht, vielleicht in Teilen“. Sorry.
Stimme im wesentlichen zu, danke für die so ausführliche Erörterung!
Nicht dass ich jetzt was lostrete, aber die Fähigkeit Videos aufzunehmen erfordert weniger komplexe Hirnaktivitäten als die Fähigkeit, einen in sich stringenten Text aufzunehmen mit einem Anfang, einer Argumentation und einem Ende, zu dem die Argumentation führt!
Und noch ein Aspekt, wenn unser Denkvermögen und die Entwicklung von Kritikfähigkeit als Ressource betrachtet werden: In diesem Sinne sind Videos bei der Produktion vielleicht eine Ressourcenverschwendung, bei der Rezeption aber sehr ressourcenschonend 😉
Texte fordern sowohl in der Produktion, aber auch bei der Rezeption sehr viel Ressourceneinsatz (Denkvermögen, Kritifähigkeit) und bieten deutlich bessere Möglichkeiten, in die Tiefe zu gehen, den linearen Weg zu verlassen und Verbindungen zu knüpfen. Sie sind aus meiner Sicht das ideale Instrument für alle Lerntätigkeiten, die eigene Denkleistungen erfordern.
Damit lehne ich Videos nicht ab – deren Einsatz für Lernzwecke erfordert aber mehr Begründung als die postulierte Notwendigkeit, Videos erstellen zu können gehöre zur Medienkompetenz.
Wenn wir Lernen im Netz tatsächlich ernsthaft betrachten sollten wir zu diesem Thema sehr differenziert Stellung nehmen – insofern ist der Beitrag hier ein guter Anfang!
@Maik:
Das sehe ich auch so – und wenn Filterraum sagt, dass er genau wegen dieser Exposition Videos mag: mir geht es genauso. Ich habe z.B. mit Spannung die Videos und Audio-Beiträge der Bildungsexpedition verfolgt, weil ich einige von Euch (Maik, René, Torsten) damit mal in vivo sehen und sprechen hören konnte.
Auch im Unterricht nutze ich bewusst die Möglichkeit, die Schüler an einer persönlichen Situation teilhaben zu lassen. Aber fürs Netz ist mir das zu offen – insofern fand ich Deine Lösung mit der Puppe oder auch Herr Raus Version mit Text-Seiten sehr elegant und interessant.
Noch eine Ergänzung: Ansprechende Videos zu machen ist eine große Herausforderung. Hierzu muss eine Geschichte konstruiert werden (storyline), die sehr viel Textarbeit erfordert 😉
Bei mir ist es ein Bedürfnis, die Leute direkt anzusprechen. Ich habe mir auch eine zeitlang Gedanken gemacht über die Zweckmäßigkeit meiner Videos. Meistens genügt ein Blogeintrag, manchmal drängt es mich aber, per Video kurz den Inhalt des Blogs zusammenzufassen oder anzukündigen. Das geht sehr spontan und ich möchte mir diese Spontaneität erhalten. Allerdings die Frage der Umweltbelastung war mir bisher nicht bewusst. Ist die Belastung für 45 sekunden video so hoch?
für die frage welches medium für was geeignet ist, wär doch eine entscheidungsmatrix nützlich, oder?
„für die frage welches medium für was geeignet ist, wär doch eine entscheidungsmatrix nützlich, oder?“
Oder menschliche Erfahrung gepaart mit Intuition. Ein bisschen Spaß muss doch noch bleiben…
Was ist der Mehrwert eines Videostatements? Es erzwingt vielleicht ein Sichkurzfassen und erlaubt trotzdem Redundanz und Ellipsen. Es gibt Schwulst und Geschwurbel der Lächerlichkeit preis, wo sie schriftlich vielleicht noch beeindruckt hätten.
Das neue Leitmedium Internet hebt die Prämierung des Schriftlichen aus der Buchkultur auf, emanzipiert durch die Buchkultur unterdrückte mediale Formen, wie audiovisuelle und deiktische. Es erlaubt, alte Medien neu zu entdecken und sie ganz frisch neu und kreativ einzusetzen. Z.B. das Erzählen! Ist es nicht herrlich, wenn man zum Text auch wieder eine Stimme und ein Gesicht hat?
Dass wir es noch nicht gut können, liegt daran, dass wir zur Schriftlichkeit sozialisiert und gebildet wurden, und nur dazu. Was für eine Reduktion von Möglichkeiten, auch den eigenen Körper zur Kommunikation einzusetzen! So gefallen uns unsere eigenen Videoprodukte notwendigerweise momentan nur bedingt. Das liegt daran, dass wir stocksteif unsere schriftlich vorbereitete Rede verlesen oder teleprompten. Wir könnten aber das allmähliche Verfertigen der Gedanken beim Sprechen üben und einsetzen. Und wer sich traut und übt und experimentiert, der kann den Mehrwert entdecken und einfahren. Ganz neu wäre ein antikes Medium wiederzuerobern: Die Rede. Zu üben und ihren persuasiven Charme zu entdecken. Es werden andere „Text“formen (wieder-)entstehen. Die Predigt, das Gespräch, die Szene … Der Unterschied zwischen direkter und indirekter Rede bekommt wieder akkustische Konturen und vieles mehr. Es gibt viele tolle Videos im Netz, die das vormachen. Und auch an nicht so gelungenen Beispielen kann man viel lernen. Seit ich die Videos für mich – zunächst konsumierend – entdeckt habe, fühle ich mich wie befreit vom Diktat der Schriftlichkeit. Und nu lasst uns doch einfach mal ausprobieren, was damit alles geht und was nicht, und auch ordentlich über die Stränge schlagen, das gehört dazu. Ist es nicht ein wunderbares Experimentier- und Spielfeld, was sich da geöffnet hat? Stellt euch vor, wie es wirken würde, wenn Jeanpol nicht mit großen Augen in die Kamera starren würde, sondern seine Missio als sokratisches Gespräch mit seiner Frau inszenierte! Vorab am grünen tisch zu diskutieren und entscheiden zu wollen, was sinnvoll ist und was nicht, verdirbt ja den ganzen Experimentierspaß und ist – nun ja: schulmeisterhaft.
Ich glaube, dass man sich täuscht, wenn man meint, dass man die Medien wie Gefäße verwendet, die mal diesen oder jenen Inhalt enthalten. Die Medien machen etwas mit dem Inhalt, sie konstituieren Inhalt. Oder, wie Giesecke sagt: „An jedem Wissen klebt Medienmaterial“.
@herrlarbig Ich kann die Argumente gut nachvollziehen, und ich sehe auch viele Vorteile von schriftlichen Beiträgen (z.B. Durchsuchbarkeit, schnelles Drüberlesen, etwas genau und langsam lesen usw.).
Insgesamt ist aber zu sagen, dass es mit den zahlreichen Bildungsblogs u.ä. einfach schon genug Publikationsorgane gibt, die auf Schriftliches setzen. Wir möchten mit den Bildungsreportern mal etwas im Bildungsbereich machen, was es in dieser Form noch nicht gibt. Natürlich wollen wir nicht „sinnlos Videos“ erzeugen, sondern nach Möglichkeit sollten diese auch einen gewissen visuellen Wert haben.
Einen visuellen Wert hat ein solches Video für mich schon, wenn ich beispielsweise mal eine Person „live“ erlebe, die ich bislang nur aus Twitter und schriftlichen Beiträgen kannte. Dieses Gefühl ist in etwa so, wie wenn ich ein Buch von C. G. Jung gelesen habe und dann bei Youtube ein Interview mit ihm entdecke: Ich lerne in diesem Video etwas darüber, wie dieser Mensch sich verhält, ob er sympathisch auf mich wirkt oder nicht, wie er mit Mimik und Gestik seine Worte unterstreicht, welche Worte er betont usw. In einem solchen Video, selbst wenn es nur eine Person vor einer Webcam ist, kommen für mich ganz viele Aspekte hinzu, die nicht inhaltlicher Natur sind, sondern mit etwas von der „Atmosphäre“ dieser Person mitteilen. Insofern schaue ich mir einfach gerne solche Videos an – vorausgesetzt (und da stimme ich voll und ganz zu) sie sind nicht zu lang.
Anders formuliert: Es gibt viele Menschen im Netz, die kennen Herrn Larbig bislang „nur“ aus seinen Texten. Für diese Menschen wäre es vielleicht auch einmal sehr reizvoll, Herrn Larbig als Menschen agieren und sprechen zu sehen.
Denn dann kommt etwas hinzu, was ich schon oft erlebt habe: Wenn ich weiß, wie jemand spricht, dann lese ich auch dessen schriftliche Texte anders. Diese Person „spricht“ dann aus den Texten zu mir, ich weiß, wie sie manches Wort aussprechen würde und warum sie an dieser oder jener Stelle eine bestimmte Formulierung verwendet, und dann erhält sogar der schriftliche Texte eine zusätzliche Qualität. Diese Chance besteht aber nur, wenn man die Person tatsächlich auch ein paar mal sprechend erlebt hat.
@Lisa Genau! 🙂
@Christian Auch genau!:-)
Ich habs doch geahnt und nicht auf mich gehört: irgendwas stimmte nicht mit dem emoticon – jess, Leertaste vergessen. (Wäre im Video nicht passiert 😉
ich kann mich dir, christian spannagel, nur voll und ganz anschließen.
ansonsten gilt wie überall. jeder so wie er kann und mag. es gibt weiß gott genug plattformen, auf denen alle die form der beteiligung finden, die sie sich wünschen.
insgesamt finde ich es (übrigens und vor allem auch in punkto der angesprochenen) energie-effizienz) immmer sinnvoller, FÜR etwas zu sein anstatt dagegen.
Tja, da habe ich mal wieder zu lange nachgedacht, so dass mir einige „zuvor gekommen“ sind. Ganz besonders Lisa: ich denke ebenfalls, dass es eine Form der Sozialisierung ist. Ich suche für mich und für Euch für jeden Sonntag ein Youtube-Schmankerl im D21-Projektblog. Das sind inzwischen gut 60 Wochen, teilweise mit mehreren Videos pro Woche. Und ich gehe davon aus, dass ich für jedes gefundene und für zeigenswert befundene Video im Schnitt 6-10 andere verwerfe. Dabei entsteht eine „Effektivität“, ein Training im Umgang. Und ich kann inzwischen sehr gut in Videos „blättern“, „scrollen“ oder wie ihr es nennen wollt. Ich kann sie überfliegen, kann durch 15 Minuten zappen und brauche dafür vielleicht eine. Man erkennt Strukturen, Anlehnungen, Adaptionen usw.
Ja, um mich Schliemann anzuschließen: Wir müssen wieder lernen, Bilder zu lesen – auch bewegte. Ich bin heute noch baff, wenn ich mich erinnere, wie vielschichtig meine Dozenten an der Uni antike Gemälde, Inschriften und Statuen „lesen“ konnten und wie frühere Kulturen ganz offensichtlich mit diesem Medium spielen konnten.
Das Ressourcenargument ist eines, das mir schwer zu denken gibt. Denn wenn ich mir ansehe, wie lange wir in der Lage sind, Videos aufzunehmen und wie sich das Medium in dieser Zeit rasend gewandelt hat, bin ich stutzig, ob wir ein solches Argument ernsthaft ins Feld führen sollten. Vor wenigen jahren musste ein komplettes Kamerateam mit Assistenzen ausrücken, um einen kurzen Beitrag für die Fernsehnachrichten einzuspielen. heute haben wir die Technik im Handy, ich habe Massen von Videoa auf meiner privaten Festplatte und ganze Kinofilme werden übers Web gestreamt (ohne bleibende Downloadnotwendigkeit, liegen also an einem Ort und sind auf den vielen Privatrechnern nur flüchtig vorhanden). Ob wir heute so schöne Bücher lesen würden, Zeitungen hätten, wenn damals jemand Gutenberg erklärt hätte, wie ressourcenverschwendend seine beweglichen Letter in diesen Monströsen Druckmaschinen sind? ob wir in 10 Jahren noch ansatzweise darüber nachdenken, welche Ressorcen in einem Videoclip stecken? Meine Schüler tun dies jedenfalls nicht, wenn sie unvermittelt das Handy zücken und mich auffordern, doch etwas zu machen, zeigen, sagen 😉
Eines ist aber sicher. Die Gedanken, die wir uns machen, sind wertvoll. und ich bin mit meinen Überlegungen noch ganz am Anfang/spontan – vor allem in der Skeptik. Also… danke, Christian und Lutz, für diesen Anstoß. und Torsten für die tolle Aufbereitung hier.
Toll, René, Deine Erfahrungen mit den youtubes hier zu lesen, und sehr gut gefällt mir auch die historische Analogie zur Buchgesellschaft.
bei einigen blogbeiträgen bin ich sogar hingegangen und hab ein eingebundenes video transkribiert
Ich habe auch zuerst gedacht: „Oh Gott – die wollen ein Video von mir“. Dann aber ganz schnell:
Das machst du jetzt, da kannst du dich gleich mal deinen „Ängsten“ stellen (denn nicht jeder ist TV-Moderator…) Also habe ich das Ganze im Sinne von, „da lerne ich etwas und gebe etwas preis“ recht sportlich genommen…
Der Auftrag lautete: Bitte eine Videoantwort. Als gebuchter Reporter musste ich da durch… Ich habe die Herausforderung angenommen und auch, wenn ich leichter etwas hätte schreiben können, so habe ich vieles gelernt dabei!
Ich mache da weiter, denn Videos produzieren kann für verschiedene Kontexte sehr hilfreich sein bzw. Themen super vermitteln…
Für mich war es eine gute Sache über meinen Schatten zu springen und auch mal trotz meines, für mich eher krampfhaften Videos, „Fünfe gerade sein zu lassen“ und das Video hochzuladen.
Wunsch der Auftraggeber erfüllt 😉
Was für ein spannender Tag! Danke für all eure Kommentare, die meinen Beitrag allesamt bereichern, ausdifferenzieren, Aspekte aufgreifen, die ich sehr unterstützte, in meinem Beitrag aber nicht berücksichtigt habe.
Hier noch ein paar Anmerkungen:
Wenn dem so wäre, würde mich das erschrecken. Ich lehne die eigene Exposition nämlich, je mehr ich mich mit der Frage befasse, immer weniger ab. @Jean-Pol ist mir da ein Vorbild, da er es mit einer instinktiven Sicherheit schafft, die Medien zu bedienen, wie ich es nur selten erlebt habe.
Es stimmt: Ich achte darauf, dass meine Netzidentität „kontrollierbar“ bleibt, aber das hat eher mit den Eigenarten des Netzes zu tun als damit, dass ich keine „Rampensau“ wäre. Nur bis ich mediale Formen öffentlich nutze, bei denen ich erst meine Kompetenzen erwerben zu müssen, kann dauern. Das hat mit meinen Vorstellungen des Zusammenhanges von Inhalt und Form zu tun, die ich zumindest selbst ansatzweise erfüllen will. Das Spiel mit den medialen Formen findet bei mir eher im Verborgenen statt.
Eine intellektualisierte Überspielung eigener Zurückhaltung in Sachen Exposition ist da für mich eher Ausdruck eines Lernprozesses. Ich nutze ein Medium in der Regel erst dann, wenn ich es einigermaßen begriffen habe. Und ich finde, dass das nicht lehrersterotypisch ist, sondern eigentlich dem Lehrerideal entspricht, da ich nach wie vor der Meinung bin, dass Lehrer sich auf Dauer keine Mittelmäßigkeit erlauben können, auch nicht im Umgang mit Medien. Das macht den Beruf so interessant, aber eben auch so verdammt anspruchsvoll.
Da widerspreche ich ernergisch. Ein gelungenes Video erfordert komplexere Kompetenzmuster als ein stringenter Text, da neben dem Text das Bild reflexiv und bezüglich seiner Funktion berücksichtigt werden muss.
Aber das sagst du in einem weiteren Kommentar dann ja auch selbst 🙂
Sorg, aber deine Videos entsprechen meinen Vorstellungen von Videos, auch wenn sie ihnen formal zu widersprechen scheinen: Du hast kein Konzept, du nutzt deine Persönlichkeit und den spontanen Ausdruck. Und dies Spontaneität, die hier zum Ausdruck kommt, ist eng mit dem Bild verbunden, dass du von dir selbst lieferst. Zur Umweltfrage: Die Videos auf YouTube liegen auf Servern. Angesichts der Massen an Videos, die über YouTube verbreiten werden, braucht es Massen an Servern. Das ist stromintensiv. Gleiches gilt für den Abruf der Videos. Ein 45SekundenVideo ist da irrelevant, aber Millionen von 45SekundenVideos sind da durchaus relevant, insbesondere dann, wenn sie keinen Mehrwert bezüglich des verwandten Videos bieten.
@Filterraum Entscheidungsmatrix: Ach, da stimme ich @Maik Rieken zu: Lehrer wollen immer Vorlagen, an denen sich Entscheidungen orientieren können. Aber ich finde den Spaß an einem Medium, auch wenn mein Beitrag vielleicht teilweise einen anderen Eindruck vermittelt, obwohl ich den Spaß durchaus auch nenne, nicht unwichtig.
@ Lisa Rosa Ja, ja, ja. Ich stimme dir zu. Aber den Versuch einer reflexiven Aufarbeitung dessen, was da gerade passiert gleich „schulmeisterlich“ zu nennen, ärgert mich. Das ist irgendwie typisch: Wenn ich den Beitrag als Medientheoretiker geschrieben hätte, wäre dieser Gedanke weniger aufgekommen, aber in dem Augenblick, in dem man als Lehrer so etwas macht, wird man, so erlebe ich es zumindest manchmal, schnell auf das Lehrerdasein reduziert und alles, was man genau so tat, bevor man Lehrer war, wird plötzlich nur noch auf dieser Schiene gesehen. Außerdem diskutiere ich nicht am grünen Tisch. Meine Erfahrung mit Medien ist durchaus auch aus meinen Zeiten freier journalistischer Arbeit geprägt, auch wenn diese sich auf Print und Radio beschränkt. Ich bin dir nicht persönlich böse, dafür schätze ich dich viel zu sehr (!), aber dass man als Lehrer ständig als Lehrer gesehen wird und nicht als jemand, der sich ernsthaft und mit einem gewissen Anspruch mit Inhalten befasst, nervt mich zunehmend. Das aber mag mein persönliche Schwäche sein.
Und ja, Inhalt und Medium hängen zusammen. Und selbst ein per Video verlesener Text ist etwas anderes als ein geschriebener. Da stimme ich dir völlig zu. Daraus könnte man dann auch schließen, dass das Medium so stark ist, dass die Form tatsächlich auch immer den Inhalt verändert.
Ja. Das ist in meinem Sinne. Mein ganzer Beitrag läuft ja darauf hinaus: Wenn wir als Bildungsreporter Videos produzieren, dann bitte kompetent. Und zu dieser Kompetenz gehört dann eben auch zu unterscheiden, wann ein Video angebracht ist und wann nicht. Den Grundgedanken finde ich toll, spannend, herausfordernd. Und irgendwie werde ich mich dieser Herausforderung auch stellen. Deshalb denke ich parallel zu meinen nicht veröffentlichten Videoversuchen über diese Form nach: Ich will sie verdammt noch mal kompetent (!) nutzen können, ohne in den eigenen Ansprüchen zu ersaufen.
Danke für diesen Einwurf, weil er mir ermöglicht, etwas zu klären, was im Beitrag selbst vielleicht zu kurz gekommen ist.
Ich spreche von dem Einsatz von Ressourcen. Das Wort Energieeffizienz habe ich im Beitrag selbst sehr bewusst vermieden. Ich spreche von angemessenen Forme oder im Sinne der aristotoelischen Ethik, wie sie in der Nikomachischen Ethik vertreten wird, von einem „rechten Maß“. Und dabei versuche ich eine konstruktive Kritik im Sinne einer philosophischen Kritik, die nicht per se negativ ist, sondern das angemessene vom nicht angemessenen zu unterscheiden versucht. Ich spreche mich nicht „gegen“ etwas aus, sondern ich frage, was in welcher Situation angemessen ist. Für mich ist das ein großer Unterschied.
@ scheppler Das Thema der Sozialisierung ist genau mein Thema, wenn ich nach einem kompetenten Umgang mit medialen Formen suchen. Da auch mir die rein schriftliche Sozialisierung zu wenig ist, auch weil ich als Lehrer ja Tag für Tag mündlich arbeite, reibe ich mich so sehr an diesem Thema. Ich bin der Meinung, dass nicht schriftliche Formen, dass mündliche Formen ihren eigenen Wert haben. Da stimme ich dann auch @ Lisa zu. Wie erzählen wir heute etwas, ohne ein schriftlich ausformuliertes Konzept? Wie gelingt die audiovisuell? Im Rahmen eines Kompetenzgewinns bedarf es allerdings der Reflexion auf die eingesetzten Medien, um diese Kompetenzen zurück zu gewinnen.
In Sachen Ressourcen denke ich übrigens nicht nur an die Anwender eines Mediums, sondern tatsächlich an die Ressourcen, die zur Verbreitung nötig sind. Du hast Recht, da hat sich viel an der Verfügbarkeit der Ressourcen geändert. Aber die Verfügbarkeit von z. B. Strom in Massen ändert zwar für die Anwender sehr viel, führt aber gesellschaftlich zu enormen Problemen und erhöht die Schwelle des Zugangs z. B. in Entwicklungsländern enorm. Ich finde nach wie vor, dass Wissen so verfügbar sein soll, dass es mit möglichst wenig Ressourcen und damit auch möglichst billig für möglichst viele Menschen verfügbar sein sollte. Hier gilt es über den eigenen DSL-Tellerrand ein wenig hinaus zu schauen.
@ Alexander Ich erinnere mich an eine Fortbildung, in der wir von den Trainern die absurdesten Aufträge bekamen und diese dann auch auszuführen versuchten, was zu riesigen Problemen führte, die die Trainer dann auf der Ebene reflektierten, was uns eigentlich dazu motiviert habe, die absurden Aufträge schön gehorsam auszuführen. Seit dieser Zeit habe ich mir angewöhnt, Aufträge zu hinterfrage und als solche zu reflektieren. Wenn Auftraggeber auf eine kritische Reflexion treffen, dann sind sie in der Begründungspflicht (@Christian hat sie dann auch 1a erfüllt 🙂 ) und nicht ich. Historisch haben wir zu viele Beispiele, in denen sich Leute auf Aufträge beriefen und dabei völlig übersahen, dass der Auftragsempfänger autonom darüber entscheiden kann, wie er mit einem Auftrag umgeht oder auch nicht.
So, das war jetzt noch einmal viel Holz, auch viel kritisches Material. Aber das soll über eins nicht hinweg täuschen: Ihr habt mit eueren Kommentaren mein Nachdenken enorm angeregt und ich bin für jeden einzelnen Beitrag zutiefst dankbar, da sie das Thema vertiefen und erweitern. Und jetzt erwarte ich gefälligst Widerspruch zu diesem Kommentar, damit die Erweiterung des Denkens weiter geht. 🙂
2.24 am, da kann man sich schon mal kurz fassen. nachfassen möchte ich trotzdem (spontan und zeitnah), weil ich die diskussion hier so geil finden #zwinker, christian … zum einen wegen der tiefe, länge und breite, wegen der vielfältigkeit (eins zu null für text & blogs) – und des daraus resultierenden erkenntnisgewinns, speziell entlang der timeline/diskussion.
nachdem wir das entweder/oder hinter uns gelassen haben, kommen wir zum sowohl als auch und schliesslich zum kontextspezifischen beitrag: mal schreibe ich, mal lese ich, mal halt ich einfach nur die klappe. ausserdem würde ich gerne noch klavier spielen können und tango tanzen.
es gibt momente, da ist ein video kaum zu toppen. an informationsdichte. oder aktualität. über ressourcenschonung liesse sich streiten. energiebilanztechnisch sicher schlechter, finanziell: 1 Terrabyte für 80 euro, fällt nicht mehr ins gewicht. und wer rechnertechnisch nicht gerade mit robotron arbeitet, ist auch auf der sicheren seite.
apropos sichere seite: für mich war es aus digital-evolutionärer sicht geradezu zwangsläufig, daß das internet augen und ohren bekam. in umgekehrter reihenfolge. das scheint eine morphogenetische resonanzkette zu sein. fragen sie ihre dna!
und mal ganz praktisch: ich erfuhr über die gesamte bandbreite der videoantworten, die ja von puppe bis text reicht, eine menge persönliches vom einen oder anderen. und das mag ich. blogs sind geduldig …
fröhliches neues jahr auch!
ein b-reporter
Und nur, damit es wirklich nicht überlesen wird, nochmal ein Zitat aus meinem Beitrag:
Fazit für mich persönlich: wie immer: just do it!
@Lisa
Gerade entdeckt:
„Stellt euch vor, wie es wirken würde, wenn Jeanpol nicht mit großen Augen in die Kamera starren würde, sondern seine Missio als sokratisches Gespräch mit seiner Frau inszenierte! Vorab am grünen tisch zu diskutieren und entscheiden zu wollen, was sinnvoll ist und was nicht, verdirbt ja den ganzen Experimentierspaß und ist – nun ja: schulmeisterhaft.“
Lisa, ich liebe nicht nur meine Frau, sondern auch dich (in diesem Augenblick)!:-))
wow!
jetzt entdeckt:
„@Jean-Pol ist mir da ein Vorbild, da er es mit einer instinktiven Sicherheit schafft, die Medien zu bedienen, wie ich es nur selten erlebt habe.“
Natürlich liebe ich auch dich jetzt, herr larbig!
@Torsten: Das mit dem Auftrag habe ich mit einem 😉 versehen. So im Zusammenhang Bildung und Schule, also nochmal 😉
Was für mich entscheidend war: Etwas zu tun, was mir schwer fällt, bei dem ich mich nicht sicher fühle… nun könnte ich ganz viele Argumente dafür bringen, warum das auch nicht wirklich schlau war – aber für mich geht es unter anderem in der Bildung auch darum: Nicht immer so tun als müsse man alles wissen und können, sondern auch mal den Mut zur Lücke haben… erwarten das die Lehrer nicht auch von ihren SchülerInnnen? (und lernt man da nicht auch oder gerade sehr viel?)
Muss ich als Bildungsreporter perfekt sein, um darüber berichten zu „dürfen“ bzw. mitreden zu können. Ab wann hätte ich dieses Ziel erreicht?
@herrlarbig
ehrlich gesagt, als egozentriker dachte ich natürlich dass deine kritik am inflationären gebrauch von videos hauptsächlich mir galt. daher habe ich es vermieden, diesen blog zu lesen, um mich vor „schlägen“ vorerst zu schützen. auf die videoidee kam ich, als Alina Rachimova mich bat, ein grußevideo zum 70 jubiläum ihrer Fakultät in Kasan (tatarstan) anzufertigen. dann fand ich die sache sehr praktisch und fertigte eines an für eie hochschulverantstaltung in ludwigsburg zum thema „energie“. dann habe ich entdeckt, dass auch facebook eine videofunktion hat und fand das sehr lustig… und so ging es für mich seinen lauf, unabhängig von den sonstigen verwendungen in unserer community…
Guten Morgen,
leider hab ich grad nicht die Zeit, die gesamte – großartige – Diskussion im Detail zu lesen (zum Schauen eines Videos mit demselben Informationgsgehalt hätt ich auch keine Zeit), erlaube mir trotzdem kurz eine Anmerkung: Meine eigene Video-Botschaft aus Second Life ist tatsächlich als solche genau deshalb zustande gekommen, weil ich SL nicht nur „besprechen“, sondern auch *zeigen* will. Hier sind wir also bei der Frage nach der „Rechtfertigung“ der Form durch den Inhalt.
Mehr später nach genauerer Lektüre…
Es grüßt die Göre
Wow, was für eine Diskussion. Klasse.
Die ganze Thematik beschäftigt mich – als Lehrer – seit einiger Zeit, ganz speziell den Einsatz von selbsterstellten Videos im Fachunterricht.
Im Grunde würde ich gerne Videos, auf denen ich zu sehen bin, vermeiden. Das ist meine erste Reaktion.
Offen gesagt, insbesondere das Argument der Ressourcenverschwendung finde ich nicht wirklich stichhaltig. Selbst wenn Ressourcen nicht „sparsam“ verwendet werden (Speicherplatz, Bandbreite, etc), schaue ich mir an, was es für eine Verschwendung im Unterhaltungsbereich gibt. Da ist jedes Experimentieren oder Produktionen von Videobotschaften im Bildungsbereich locker zu rechtfertigen. Es erinnert mich an Diskussionen (vor gefühlten 15 Jahren), in dem darüber diskutiert wurde, wie lang eine E-Mail-Signatur sein darf (damaliger Vorschlag: nicht mehr als 4 Zeilen, ohne Bild natürlich).
Es kommen ja noch andere Aspekte hinzu. Zum einem unsere knapp bemessene Arbeitszeit. Ich gebe ein Beispiel: Ich kann eine kurze Sequenz, in der ich im Mathematikunterricht an der Tafel etwas Kompliziertes den Schülern erkläre, aufnehmen und ihnen verfügbar machen (z. B. auf einer geschlossenen Lernplattform a la Moodle). Der Vorteil: Sie können es sich mehrfach anschauen und ich muss es (weniger) wiederholen. Solch ein Videobeitrag ist sicherlich nicht professionell erstellt, erfüllt aber seinen Zweck. (Nicht, dass ich Frontalunterricht propagiere, aber Lehrervorträge gehören auch zum Unterricht.)
Alternativ könnte ich das Tafelbild vielleicht als Folien-Präsentation erstellen, evtl. noch mit einem Audio-Kommentar versehen. Wäre sicher besser, aber ganz ehrlich: die Zeit dafür habe ich nicht. Ich würde es einfach nicht tun. Und hier zeigt sich auch ein großer Vorteil von ich sage mal Video-Schnappschüssen, die nicht professionell erstellt sind. Sie können schnell erstellt sein (je nach Anspruch natürlich).
Irgendwie ist es für mich ein Bauchgefühl, dass ich auf sinnvollen Videoeinsatz nicht verzichten kann/darf. Ich muss es mir irgendwie erarbeiten.
So, und jetzt ziehe ich los und kaufe mir eine „Video Flip“. (Danke an Christian Spannagel für die Idee.) Ernsthaft.
Es ist wunderbar Bilder und Sprache für die eigene Persönlichkeitsentwicklung zu entdecken – verstehen zu lernen,um Lernen zu verstehen mit all unseren spannenden technischen,medialen und anderen Möglichkeiten im 21.Jhd. einfach großartig.
Ich denke es ist sehr vielversprechend und beeindruckend,wie wir vom medialen und interaktiven Mit-und Voneinander lernen können (so wie durch Euch hier).
Wunderbar sind auch diese technischen Möglichkeiten von Informationstransfer.
Danke an alle! die dazu beigetragen haben uns diesen Informationsaustausch zu ermöglichen.Und danke an diejenigen diese sehr wichtige Sache weiter entwickeln.
Mit herzlichem Gruß aus Walldorf viel Erfolg.
„Antivideo“ … das muss ich jetzt erst mal verkraften, bevor ich hier inhaltlich kommentiere… 😉