Verlinken! Oder: Über das dezentrale Vernetzen

„Warum verlinken die meisten dt. Blogger eigentlich bevorzugt Seiten, die nie zurücklinken werden, also US-Blogs und dt. Altlastmedien?” (Marcel Weiss)

Um es gleich zu sagen: Wenn ich Links setze, dann nicht in der Hoffnung, dass da jemand zurück verlinkt. – Wenn ich E-Mails mit der Aufforderung zum Linktausch bekomme, am besten noch von wildfremden Personen, die offenbar gerade das Träumchen vom großen E-Bussiness an die Stelle des Schäfchen-Zählens gesetzt, die Website schon gebastelt haben und jetzt feststellen, dass eine Website ohne Besucher keine besonders gute Basis für das Träumelchen ist, mindenstens auf Amazon-Umsatzzahlen zu kommen… ∞ wenn ich also solche E-Mails bekomme, dann werden die nicht nur als Spam gekennzeichnet, dann landen diese nicht nur im virtuellen Papierkorb, sie werden auch noch durch eine „sichere“ Löschroutine gejagt, damit möglichst wenig digitale Staubreste solcher digitalen Belästigungen übrig bleiben.

Um es nochmal zu sagen: Wenn ich Links setze, dann nicht in der Hoffnung, dass da jemand zurück verlinkt. Und wenn jemand Links zu Artikeln auf meiner Website setzt, bedeutet das nicht automatisch, dass ich zu der verlinkenden Website verlinke.

Als ich anfing zu bloggen, waren mir all diese Marketingspielchen völlig unbekannt. Ich schrieb Artikel, verlinkte so, wie mir Links im Sinne des Hypertext-Gedankens sinnvoll erschienen – zu den Kriterien gleich mehr – und freute mich natürlich, wenn jemand einen Artikel von mir verlinkte, weil das für mich gleichbedeutend mit der Botschaft war, dass da jemand was mit einem Artikel von mir anfangen kann.

Als ich anfing zu bloggen, wollte ich vor allem wissen, wie das mit dem Bloggen geht. Kein Marketinggedanke blockierte mein Schreiben. Und das Twitter Folgen für mein Bloggen haben würde, war mir auch nicht klar, als meine Neugier, was Twitter sei und wie es funktioniere, vor etwas über zwei Jahren, im Oktober 2008, dazu führte, dass ich „einfach so“ einen Account eröffnete.

Man mag mir diese „Naivität“ im Umgang mit „sozialen Medien“ nun abnehmen oder nicht (doch, ich bin wirklich genau so „naiv“ da ran gegangen): Im Laufe der Zeit habe ich ein wenig verstanden, wie das Internet funktioniert bzw. wie es funktionieren könnte.

Ich muss hier nicht ausführlich darlegen, was an anderer Stelle für mich sehr überzeugend dargestellt wurde: Das Web lebt nicht in eingezäunten Sonderwelten wie Facebook und Co, sondern auf der freien Wildbahn – die selbstverständlich noch nie ein rechtsfreier Raum war, auch wenn manche nicht müde werden zu betonen, dass das Netz kein rechtsfreier Raum sein dürfe.

Das Internet, wie ich es mir vorstelle, ist dezentral organisiert. Und das gilt auch für „wirkliche Netzwerke“, die eine andere Basis haben als „Like-It-Buttons“. ((Für den Hinweis auf diese beiden zuletzt verlinkten Artikeln danke ich Jonas Pasche.))

Facebook ist für mich kein „wirkliches Netzwerk“, denn physikalisch betrachtet ist Facebook ein geschlossenes System, in das zwar von Außen Informationen mit Hilfe unterschiedlichster „Staubsauger“ hinein kommen, dann aber nicht mehr so einfach raus gelassen werden. Außerdem „enteignen“ solche Netzwerke den Ersteller von Inhalten, werden diese doch zum Beispiel für die Plazierung von Werbung ausgewertet. Das ist der Preis dafür, dass das Angebot „kostenlos“ ist.

Ein echtes Netzwerk besteht für mich aus mehr als nur einem Datensilo. Und mit dieser Vorstellung verbunden sind dann auch meine Kriterien für das Setzen von Links, ohne dass ich zuverlässig sagen könnte, ob ich mich immer an diese Kriterien halte… 😉

Ein echtes (digitales) Netzwerk ist in meinen Augen nur dann wirklich ein Netzwerk, wenn es dezentral organisiert ist. Konkret: Viele (kleine) Blogs, privat betrieben, die, so gut dem Betreiber eben möglich, individuelle Inhalte erstellen und verfügbar machen, Inhalte, die den Erstellern gehören, die aber öffentlich verfügbar sind und die jeder, der sie für gut oder für den gerade selbst erstellen Inhalt für sinnvoll ergänzend ansieht, verlinken kann.

Ein Netzwerk besteht für mich nicht darin, dass man an einem Ort „Freundschaftsbehauptungen“ aufstellt, die mit dem, was ich unter dem Begriff der Freundschaft verstehe, nichts zu tun haben. Ein Netzwerk besteht nicht darin, dass eine von mir veröffentlichte Information zur gleichen Zeit von allen im Netzwerk gelesen werden kann. Vielmehr hat die Pflege eines Netzwerkes für mich etwas Aktives an sich, das über einen Button zum Erstellen einer Verknüpfung an einem (nach außen mehr oder weniger abgeschlossenen) Ort, der vor allem der Generierung von Geld dient, weit hinaus geht.

Und das gilt dann auch für Verlinkungen. Links haben die Aufgabe, den Informationsgehalt eines Textes anzureichern oder zu ergänzen, sie verweisen auf genutztes Material (wie z. B. das Literaturverzeichnis in wissenschaftlichen Werken) und sie laden zum Weiterlesen ein. Links sind die Schnittstellen, die Knoten eines Netzwerkes, die auf Dauer ein hoch komplexes System von Verweisen aufbauen, deren Quellen dezentral organisiert sind und sich so ein wenig der Vermarktung durch Dritte entgegen stellen.

Die Entscheidung, welche Links gesetzt werden, ist selbst wieder ein aktiver Akt. Und damit komme ich auf Marcel Weiss’ Tweet zurück, den ich bereits oben zitiert habe:

„Warum verlinken die meisten dt. Blogger eigentlich bevorzugt Seiten, die nie zurücklinken werden, also US-Blogs und dt. Altlastmedien?” (Marcel Weiss)

Ja, es ist wirklich verblüffend, das sage ich auch hinsichtlich manch eigener Links, dass Blogs, die Teil eines offenen Netzwerkes sein können, oft auf „geschlossene“ Medien verweisen, die die Beiträge der meisten Blogs 1. nicht wahrnehmen und 2. nur in wenigen Fällen ernst nehmen. Das wird oft mit „Qualitätskriterien“ begründet, aber, und hier ist Wikipedia positive Ausnahme, gleichzeitig wird damit auch negiert, dass es viele Blogs mit gut recherchierten oder gut durchdachten Inhalten gibt, die durchaus als Referenzen dienen können und die für entsprechende Beiträge der „Qualitätspresse“ wahrscheinlich bei Recherchen zwar gelesen, aber als Referenz in Artikeln nur in seltenen Fällen angeben werden.

Umgekehrt gibt es viele Blogs, die fast nur auf Artikel aus solchen Organen der traditionellen Presse verweisen. Keine Frage: Die traditionelle Presse hat ihren Platz, ist von ihrer Funktion her sehr wichtig und ich will nicht auf sie verzichten (müssen). Ich stelle hier nicht die Funktion der traditionellen, qualitativ zweifelsfrei in sehr vielen Fällen sehr hochwertigen Presse in Frage. Meine Frage lautet eher: Warum nehmen Blogger, die selbst hochwertige Inhalte erstellen, andere Blogger, die das gleiche anstreben, so wenig wahr, obwohl es mittlerweile dezidierte Blog-Suchmaschinen gibt, mit deren Hilfe man leicht recherchieren kann, wer zu einem Thema in einem Blog schon etwas geschrieben hat.

Auf diesem Wege kann man dann auch schnell feststellen, dass das Thema der Verlinkung von Blog zu Blog immer mal wieder Thema ist. Hier ein paar Beispiele (und damit auch Links zu anderen Blogs):

Diese ganzen Diskussionen gehen an mir vorbei. Mir ist es, um ehrlich zu sein, relativ egal, ob Blogs nun „hypen“ oder „für tot“ erklärt werden. Ich schreibe kein Blog, kein Webtagebuch im „klassischen“ Sinn, sondern nicht-linear strukturierte Inhalte, die sich (zufällig) der Form eines Blogs bedienen.

Mir ist es reichlich egal, ob die deutschen „Top-Blogs“ nun unter Verlinkungsmangel leiden oder nicht. Das spielt für meinen Netzwerkgedanken schlicht keine Rolle, auch wenn mein Netzwerkgedanke natürlich etwas mit Relevanz und Sichtbarkeit bzw. dem Sichtbar-Machen zu tun hat.

Ich verlinke, wenn ich einen Beitrag für gelungen halte und er eine sinnvolle Ergänzung zu meinen eigenen Beiträgen darstellt. Das heißt nicht, dass Beiträge, die ich nicht verlinke „schlecht“ wären. Solche Beiträge sind mir meist schlicht durch die Lappen gegangen und sind gerne als zusätzliche Verlinkungen in den Kommentaren gesehen. ((Natürlich gibt es Leute, die schreiben Kommentare, nicht um eine Diskussion weiter zu bringen, sondern alleine um ihre Links zu posten, ohne dass diese Kommentare gleich als Spam vom System erkannt werden. Solche Kommentare sortiere ich manuell aus, wenn die Schwelle zum Aussortieren hin auch sehr hoch ist.))

Wenn ich verlinke, erwarte ich keine Gegenleistung. Dass es aber reichlich Backlinks zu herrlarbig.de gibt, ohne dass ich wiederum für diese eine Gegenleistung böte, freut mich, sehe ich als Lohn für die Freizeit, die in dieser Website steckt. Wie gesagt: Das ganze Marketing-Gedöns lässt mich reichlich kalt, denn mein Kriterium ist nach wie vor die Qualität eines Beitrages (soweit ich das beurteilen kann) und nicht die Frage, ob ein Link mehr bei Google das Ranking verbessert oder nicht.

Dennoch wünsche ich mir, dass gerade Netzwerker auf der „freien Wildbahn“ (nicht rechtsfrei, nie gewesen, siehe oben), einander wahrnehmen und per Links Brücken zueinander schlagen.

Privat betriebene Blogs sind für mich wie die kleinen, mit Leidenschaft betriebenen, keinem Konzern zugeordneten Fachgeschäfte (oder Ramschläden, ja auch solche Blogs gibt es, klar). Zwar kommt es auch vor, dass in einem solchen Fachgeschäft gesagt wird, dass man bestimmte Dinge nicht vertreibe und dass man in ein anderes Geschäft verwiesen wird. Der gute Fachhändler weiß, welcher andere private Fachhändler ein Produkt führt, der schlechte wird einfach, vielleicht, weil er einfach nicht wahrnimmt, was um ihn herum an „kleinen tollen Firmen“ vorhanden ist auf ein großes Kaufhaus verweisen, vielleicht, weil man das Gewünschte in entsprechender Qualität tatsächlich ausnahmsweise tatsächlich nur dort bekommt. (Umgekehrt wissen gute Verkäufer in Kaufhäusern, wo es kleine Spezialgeschäfte gibt, die Kundenwünsche bedienen können, die das Kaufhaus nicht bedienen kann – und verweisen auch auf diese Geschäfte)

Was hat diese Metapher mit Blogs, Verlinkungen und Netzwerken zu tun? Nun: Die Kaufhäuser sind meist die Seiten von großen Medien mit großer Reichweite. Verrückt nur, dass das Angebot dieser Kaufhäuser oft erschreckend „identisch“ ist. Man schaue sich einfach mal die Themen an, die Spiegel, FAZ, Zeit, SZ und Co auf der Startseite haben und schon merkt man, wie gleich die Themen sind, die als Top-Themen angesehen werden. Blogs sind eher die Fachgeschäfte, bringen Themen ins Spiel, die in den „Kaufhäusern“, den Websites der reichweitenstarken Medien, weniger thematisiert werden.

Oh ja, ich bin für das Verlinken. Dazu können auch mal Links zu reichweitenstarken Medien gehören, wenn es zu einem Thema passt oder ein konkreter Bezug zu Beiträgen dort besteht. Als kleiner „Fachhändler“ aber bin ich natürlich von der Leidenschaft und auch der Expertise, die andere „kleine Fachhändler“ (Blogger) mit ins Spiel bringen, fasziniert. Ich bin nicht dafür, um der Zahl der Verlinkungen willen zu verlinken. Jeder Fachhändler, der auf einen Ramschladen verweist, schadet seinem Ruf. Und so kommerziell die Fachhändlermetapher auch daher kommt, so wenig kommerziell ist sie gedacht.

Verlinkungen sind für mich im Idealfall Ausdruck meiner Neugier auf das, was ich im Netz finden kann, wenn ich gezielt nach Seiten jenseits der Mainstream-Websites Ausschau halte, ohne angemessene Verweise auf Mainstream-Websites in Frage zu stellen. Verlinkungen sind für mich im Idealfall Ausdruck meines Respekts vor der kreativen Leistung eines Anderen, der oder die zu einem Thema wirklich was zu sagen hat, das mich und von mir erstellte Inhalte bereichert, anspricht, fasziniert, klüger macht.

Verlinkungen sind für mich kein gezielt und gewollt eingesetztes Instrument des Marketings, bin ich doch der Überzeugung, dass das, was gute Blogs an Verlinkungen geben und bekommen auch ohne „Marketingabteilung“ zu angemessener Aufmerksamkeit führt. Menschen die Inhalte verfügbar machen (man nennt sie heute oft Blogger, obwohl dieser Begriff z. B. das, was ich tue, nicht wirklich beschreibt), sollten neugierig auf andere Menschen sein, die Inhalte verfügbar machen. Ja, jeder Website-Anbieter wünscht sich, dass die Inhalte zumindest so wahrgenommen werden, dass man nicht den Eindruck hat, in einen leeren Raum hinein zu schreiben. Das beste „Marketing-Instrument“ ist dabei die wirkliche Neugier auf andere, die frei, unabhängig und meist ohne kommerziellen Interessen Inhalte verfügbar machen; die Aufmerksamkeit für andere ist es, die Aufmerksamkeit erzeugt. ((Und in diesem Rahmen wundert es mich übrigens nicht, dass die deutschen Top-Blogs an Aufmerksamkeit in Sachen Verlinkungen verlieren, drehen sie sich doch meist nur noch um selbst, ohne das, was in der sogenannten Blogosphere sonst noch passiert, aufmerksam wahrzunehmen.))