Perspektiven für Blog-Debatten: Aktuelle Entwicklungen im Netz
Zwei Blogbeiträge geben Anlass zu diesem Blogbeitrag. Warum es wichtig ist, dass ich hier auf Einträge in anderen Blogs reagiere, wird gleich deutlich werden.
Via Twitter stieß ich auf einen Beitrag Matthias Schwenke im „bwl zwei null”-Blog mit dem Titel
Blogs in der Defensive? Über den Kommunikationswandel in sozialen Medien
und von diesem ausgehend dann auf einen Beitrag, der bereits im Mai 2011 von Robert Basic veröffentlicht wurde, in dem er fragt:
In diesem Zusammenhang stieß ich dann bei Robert Basic auf den
der im Juli 2011 veröffentlicht wurde.
„Blog-Blurb“ meint die kleinen Knöpfchen und nicht immer so kleinen Bildchen unter Blogeinträgen, die der Einspeisung des in Blogs erstellten Inhalts (Contents) in die soziale Netzwerke dienen, in denen sich die Leute heute eigentlich tummeln. Und die Quintessenz der Frage, ob Blogs in der Defensive seien (Matthias Schwenk) und wo die Blog-Debatte hin sei (Robert Basic) hat viel mit dem „Blog-Blurb“ zu tun.
Ja, Diskussionen wandern aus den Blogs aus, so der Eindruck. Sie emigrieren mehr und mehr in soziale Netzwerke jenseits der großen Blogbetreiber, die eigentlich Netzwerke anbieten, selbst soziale Netze sein wollen. Das ist zumindest dann so, wenn ein Blog bei Blogger, blogspot, WordPress.com oder wie die Dienste alle heißen betrieben wird.
Und dann gibt es noch Domain-Inhaber, die eigene Blogs betreiben, die sich selbst um die Infrastruktur kümmern und damit belohnt werden, dass sie die Hoheit über die Inhalte und, das wird in der Debatte oft vergessen, die anfallenden Besucherdaten haben, so keine externen Statistikinstrumente wie Google-Analytics verwendet werden.
Doch dieser Lohn ist ein magerer, angesichts der Frage, wer diese Blogs denn eigentlich liest und – das ist noch viel wichtiger – im Blog oder über Bloggrenzen hinweg eine konstruktive Debatte anstößt.
Ja, Robert Basics und Matthias Schwenke Beobachtung kann ich nachvollziehen. Es ist schwer geworden, mittels Blogs in Debatten einzusteigen. Und deshalb ist die Eingangsbemerkung wichtig, dass dieser Blogbeitrag genau diesen Ball aufgreift und in die Debatte eingreift.
Seit es Google+ gibt, also noch nicht lange seit ein paar Tagen (!), stoße ich immer häufiger auf Beiträge, die früher in Blogs gestanden hätten, die nun plötzlich mit einem Link zu Google+ versehen sind. Nicht, dass ich schon bei Google+ selbst dabei wäre, doch wenn mich mein Eindruck nicht täuscht, dann versucht Google sich weiter an der großen Integrationsleistung Monopolisierung, die darin besteht, das gesamte Wissen der Wissen nicht nur auffindbar und zugänglich zu machen, sondern immer mehr Teile dieses Wissen auch zum Teil des Google-Imperiums werden zu lassen, also in gewissem Maße die Hoheit über die Daten zu erlange, Wissen zu monopolisieren.
Und das scheint zu funktionieren.
Bei Facebook funktioniert es auch. Nur hat Google jetzt wohl verstanden, dass Texte nicht viel Speicher verbrauchen und dass es kein Problem darstellt, Texte in unbegrenzter Länge zuzulassen. – Wenn die Leute dann in den Netzen erste einmal gefangen drinnen sind, dann werden sie auch diese Debatten innerhalb dieser Netze führen. Das passiert auch heute schon, selbst wenn die Zeichenzahl dafür begrenzt ist.
Ich beobachte an mir selbst, wie ich manchmal in Diskussionen auf 140-Zeichen-Basis (Twitter) gerate, die dann teilweise recht lang werden. So lang, dass man sich manchmal fragt, was man damit den eignen Followern antut.
Die Erfahrung lehrt mich, dass Follower auf Inhalte und auf inhaltlich geführte Debatten nicht sonderlich genervt reagieren. Das tun sie eher dann, wenn Tweets nur noch Verweise auf andere Inhalte sind, statt selbst Inhalte zu haben. Anders als in Blogs finden auf Twitter dann Debatten statt, die nur stattfinden können, wenn sich die Teilnehmenden kurz fassen, auf den Punkt kommen können, Argumentationen verkürzen.
Einen großen Nachteil aber haben diese Debatten: Sie bleiben vielleicht in der Erinnerung der Beteiligten oder besonders aktiv mitlesender Follower erhalten, sind aber nicht dokumentiert, letztlich kaum nachvollziehbar. Solche Debatten „versenden“ sich.
Debatten auf Blogs sind langwieriger, aufwendiger zu verfolgen, vielleicht sogar nachhaltiger. Deshalb ordnet Matthias Schwenk seinen Beitrag auch der Kategorie „Beschleunigung“ zu.
Google macht nun ein Angebot, das einerseits umfassende inhaltliche Beiträge ermöglicht, diesen aber zusätzlich potentiell eine große Öffentlichkeit verschafft.
Daran leider kranken meines Erachtens übrigens „Blog-Debatten“ von Anfang an, genau genommen seit ein paar Blogger das Netz erobert haben und im Prinzip die Meinung vertraten, dass Bloggen letztlich nichts anderes bedeute, als sich bloggend mit dem Netz (also im wesentlichen mit sich selbst) zu beschäftigen und „das Netz“ ins Zentrum zu stellen. Wer sich mit anderen Inhalten befasste, wurde und wird weitgehend von „echtenBloggern“ nur dann beachtet, wenn man die gleichen Themen hat, sich also die gleichen Begrenzungen auferlegt. Tut man dies nicht, dann ist man jemand, der eine Blogsoftware als Content-Managementsystem (CMS) nutzt und nicht etwa ein Blogger, nein, Blogger bloggen über das Bloggen und das Netz und reagiert wird auf Blogger, die über das Bloggen und das Netz bloggen.
Die Chance wurde bis heute weitgehend verpasst, mit Blog-Debatten die Debatten-Landschaft wirklich zu erweitern. Es gibt einzelne Kampagnen, die sich via Netz durchsetzen können. Interessanterweise haben einige über Blogs groß gewordene Blogger, die sich um kleine Blogs in der Regel nicht geschert haben, sondern eben genau so unter sich geblieben sind, wie es die Kommentatoren meines Blogs sind, wie es sich allzu oft auch in meinen Reaktionen auf Beiträge Dritter widerspiegelt, genau in dieser Zeit beschlossen, dass sie sich jetzt um Kampagnenarbeit kümmern wollen, die digitale Bürgerrechte in den Blick nimmt.
Nicht, dass das falsch verstanden wird, dieses Mal erwähne ich dieses Phänomen nur beschreibend und nicht wertend, wie ich das im Rahmen einer sprachkritischen Auseinandersetzung mit dem von diesen Bloggern et al. gegründeten Verein auch schon getan habe.
Im Prinzip gab es die Blogsphere nie so, wie es sie hätte geben können, wenn Blogger und Bloggerinnen nicht einfach das reproduziert hätten und nach wie vor reproduzieren würden, was in Communities schon immer getan wurde, nämlich sich auf sich selbst und untereinander zu beziehen, statt neugierig, die Fühler auszustrecken und zumindest in einem gewissen Rahmen und gezielt Beiträge zu leisten, die nicht mit der eigenen „Community“ zu tun haben.
Das ist angesichts der zahlreichen Blogs nur begrenzt leistbar. Und oft kranken solche Äußerungen auch daran, dass man einander belehren will. Das wird Lehrern oft vorgeworfen, dabei wird aber meist übersehen, wie häufig Dritte Lehrer belehren wollen, wobei die Kompetenztiefe dieser Ambitionen außerordentlich weit gefächert ist.
Die Selbstreferentialität hat sicher auch damit zu tun, dass gute Blogger in der Regel wissen, in welchen Bereichen sie kompetent sind und zu welchen Bereichen sie lieber schweigen sollten. Spannend wird es aber allemal, wenn jemand mit anderen Denkstrukturen als man selbst, diese anderen Sichtweisen reflektiert in Debatten einbringt.
Was ich in den Blogdebatten vermisse und immer vermisst habe, ist der respektvolle „fremde“ Blick auf unterschiedliche Materien, ein Blick, der sich nicht anmaßt, die Weisheit mit Löffeln gefuttert zu haben, ein Blick, der nicht zeigen will, wie toll man selbst ist und dass der andere, obwohl mehr vom Fach als man selbst, eigentlich doch eh keine Ahnung hat, ein Blick der sich einfach als „fremder Blick“ ins Spiel bringt und den Horizont der Mitspieler erweitert.
Twitter hat mir diese Erweiterung des Blicks zum Teil gebracht. Twitter bringt mich auf Blogs, die ich nicht auf dem Schirm habe. Twitter lockt mich dank einer Followerstruktur, die einerseits meine Interessen widerspiegelt, die aber andererseits dennoch ziemlich bunt ist, immer wieder auf Entdeckungsreisen.
Aber trauen andere Blogger, die über das Netz und Blogs bloggen, einem Lehrer zu, selbst einen kompetenten Beitrag zu diesen Fragen leisten zu können? Traue ich als Blogger Leuten kompetente Äußerungen zu meinen Themen zu, deren Schwerpunkte andere Themen sind?
Als Lehrer und Akademiker weiß ich schon lange, dass die Zeit der Universalisten angesichts der Fülle des heute verfügbaren Wissens zu Ende gegangen ist.
Wir leben in einer „Expertenwelt“. Diese Experten kümmern sich um sich selbst. Und diese Selbstreferenzialität spiegelte sich so lange in den Blog-Debatten wider, bis eigentlich alles gesagt gewesen schien.
Da es vielen neben den Inhalten beim Bloggen dann doch auch um die Frage der Größe der mit eigenen Beiträgen erreichten Öffentlichkeit geht, ist die Karawane dorthin gezogen, wo heute größtmögliche Öffentlichkeitswirksamkeit erreicht werden kann: Google+ ist die logische Konsequenz, wenn man 1. möglichst viele Inhalte an einem „Ort“ haben will und 2. dies dadurch motivieren kann, dass man Öffentlichkeit verspricht.
Blogs wie dieses hier, das von Matthias Schwenk, das von Robert Basic, die nicht einmal auf einer der großen, als „Social Communities“ designten Blog-Plattformen angesiedelt sind, sondern mit eigener Domain, eigenem Webspace und der damit verbundenen Datenhoheit arbeiten, sind in solchen Aufmerksamkeitsstrukturen eher exzentrisch.
Dennoch sind Blogs nicht veraltet, wenn nach dem Hype der Blogs, der vorbei scheint, die Qualitäten von Blogs von den Bloggern genutzt werden.
Eine dieser Qualitäten ist, dass man sich aufeinander beziehen kann und dennoch ein eigenen Profil erkennen lässt, da man sich nicht im Einheitsdesign von Facebook oder Google+ bewegt, sondern wirklich weite Teile des eigenen Auftritts gestalten kann.
Es ist eine Qualität, dass Diskussionen auf Blogs meiner Wahrnehmung nach relativ lange nachvollziehbar sind, so es sich um einigermaßen langlebige Blogs handelt, deren Betreiber die Inhalte nicht einfach mal so löschen.
Es ist aber auch die relative Langsamkeit von Blogs gegenüber den doch auf schnelle Reaktionen hin angelegten sozialen Plattformen wie Facebook und Twitter. Man muss sich Zeit nehmen, Beiträge in Blogs zu lesen. Reagiert man knapper darauf, kann man einen Kommentar schreiben, fällt die Reaktion umfangreicher aus, so lohnt es sich einen Blogbeitrag zu schreiben.
Und doch kann die Blogkultur auch gefördert werden. Ich habe in einem offenen Kurs zur Zukunft des Lernens gerade erst erlebt, wie Blogs sich aufeinander beziehen, wie Teilnehmende sich die Infrastruktur geschaffen haben, die sie zu brauchen meinten, wie ein dezentraler Austausch möglich ist, auch wenn sich (natürlich) eine Gruppe auf Facebook bildete und Twitter als Austauschkanal nicht unbedeutend war.
Wie wird es weiter gehen? Christian Hennig Fehr, auf den ich mittels eines Links von Matthias Schwenk gestoßen bin, fordert zurecht einen angemessen Mix von Social-Media-Aktivitäten. Ich gehe da noch weiter: Es wird eine Reduktion (sic!) der Social-Media-Aktivitäten gehen, denn den von Robert Basic konstatierten „Blog-Blurb“ werden auf Dauer viele User gar nicht leisten können, geschweige denn wollen.
Es wird, so meine Prognose, die Blogger geben, die ihr eigenes Ding machen und über Twitter miteinander verbunden sind, vielleicht auch über Facebook, und es wird die Social-Media-Nutzer geben, die ihre Inhalte beispielsweise auf Google+ posten. Google wird irgendwann Google+-Beiträge im Ranking bevorzugen und somit den Druck auf bestehende Blogs erhöhen, endlich die Inhalte auf Google-Servern abzulegen. Das wird Facebook nicht auf sich beruhen lassen. Und jede kleine Datenspur, die im Rahmen dieser Social-Media-Aktivitäten hinterlassen wird, wird kapitalisiert.
Die Inhalte, davon gehe ich aus, werden weiter in Blogs und kollaborativ in Wikis entstehen und diskutiert werden, wenn wir uns nur immer vor Augen halten, welchen Eigenwert eigene, sozusagen „inhabergeführte“ Blogs haben. Dann werden sich auch die Blog-Debatten konsolidieren und hoffentlich nicht nur in Worten hängen bleiben, sondern an der einen oder anderen Stelle auch wirklich relevant und wirksam werden.
Die Fokussierung der Blogs auf die Diskurs-Finktion wird ihnen aber nicht unbedingt gerecht.
Die Mehrzahl der (von mir gelesenen) Blogs hat weniger ein Interesse am Diskutieren/Debattieren, als vielmehr am Proklamieren/Reflektieren/Schreiben.
Ich kann verstehen, dass bspw. Sascha Lobo mit google+ deutlich schneller mit deutlich mehr Menschen interagieren kann. Aber der gemeine Blogger möchte doch meist einfach nur seine Kolumne schreiben, oder?
Es hat alles mit Bequemlichkeit zu tun. Feedreader werden nur von Freaks benutzt, Blogs zu besuchen ist schon selten geworden, sich für Kommentare dann auch noch anzumelden… na ja, im Sozialen Netzwerk ist das etwas Anderes: Da kommen die Leckereien angeflogen und man kann bei Bedarf direkt seinen Senf dazugeben…
Halte ich eigentlich nicht für so schlimm, so lange Verschränkung ermöglicht wird. Interaktion und Kommunikationsqualität auf Plus erlebe ich als deutlich überlegen im Vergleich zu Twitter. Ich möchte gerne diese Kommunikation an meine eigenen etwas ausführlicheren Beiträge koppeln.
Auf Plus würde ich dann einen Appetizer/ein Abstract posten, auf den Blogpost verlinken – und wahlweise kann dort oder auf Plus diskutiert werden, eingebunden wird alles unterhalb des Blogposts.
Das würde mir schon reichen – und dann sind die „Blog-Debatten“ auch wieder da… prinzipiell und inhaltlich ist der erste Teil des Wortes für mich ohnehin unerheblich bis überflüssig.
Ein anderer Effekt des Appetizer-Gedankens ist die Ausblendung der eingegangenen Kommentare, wenn diese NICHT über FACEBOOK oder GOOGLE+ einlaufen. Somit wird das Blog zwar immer noch der Ursprungsort des Diskurses bleiben, jedoch findet die Diskussion/Kritik/Zustimmung nur noch im sozialen Netzwerk statt.
Doch wer dort nicht angemeldet ist, wird nicht gelesen und fällt sorgsam ignoriert unter die Schranke der Aufmerksamkeit. Aber das ist an sich kein Blog-Problem, sondern die Folge einer monopolisierten Aufmerksamkeitsökonomie, die nur noch den einen, eigenen Knotenpunkt im sozialen Netzwerk wahrnimmt. Schade ist es so oder so.
ein großteil meiner leser ist „laufkundschaft“ per google, hinterlässt keine kommentare, aber geht hoffentlich zufrieden, nachdenklich oder mit neuer kognitiver dissonanzspannung wieder weg. klar liebe ich auch debatten, und das ist mir dann egal, ob in meinem blog oder in deinem oder auf g+ . aber die neukunden für meine messages, die gibt es eben nur übers offene netz.
selbstreferenziell bloggen ist wie bücher über den eigenen verlag herausgeben.
Ich schätze mal, das durchgestrichene „gefangen“ soll Ironie anzeigen.
Ur alter Hut gähn
Im Gegensatz zu allen anderen Anbietern, kann von Google alles abgezogen werden.
Siehe Import/Export-Optionen in den jeweiligen Diensten selber bzw. das von der Google Data Liberation Front (http://www.dataliberation.org/) gestaltete Tool Google Takout (https://www.google.com/takeout/).
Google/Datenkraken-blah ist sowas von vorgestern. Nämlich nicht mal in Netz-Zeiten gesprochen sondern auch in „Echt“-Zeit.
Und weshalb gibt es solche Organisationen wie DataLiberation? Weil die Leute, die sich mit ihrem „blah“ an der Datensammelwut aller möglichen Institutionen gerieben haben, genau dafür ein öffentliches Bewusstsein schufen.
Darüber hinaus:
Natürlich kann man GOOGLE und Co vertrauen, dass sie die wertvollen Datenbestände mit einem selbst gestalteten Tool bereinigen. Man kann aber auch misstrauisch bleiben.
Natürlich kann man sich fragen, wie viele Otto Normalbenutzer von dieser Option der vollständigen Datenbereinigung überhaupt wissen. Man kann hier nämlich schnell einem naturalistischen Fehlschluss erliegen („Ich kenne es -> Alle kennen es“).
Natürlich kann man die hier diskutierte und meines Erachtens noch immer aktuelle Argumentation als veraltet betrachten. Man sollte aber dennoch nicht vergessen: Wir alle sind nur Zwerge auf der Schulter eines Riesen.
Möchte man von wem oder von was wahrgenommen werden?
Ist Wahrnehmung durch viele mehr als Wahrnehmung von Einzelnen?
Bloggt man, um wahrgenommen zu werden? Wenn ja: Ist das nicht unglaublich egozentrisch?
Erzeugen Web2.0-konformistische Äußerungen oder Blogartikel Wahrnehmung?
Ist eine Diskussion auf g+/Twitter/Facebook qualitativ hochwertige Wahrnehmung/Wertschätzung?
Wenn jeder seine Wahrnehmung in schneller Abfolge mikromäßig durch die Gegend feuert: Wird diese Wahrnehmung dann noch wahrgenommen so wie wir sie wahrgenommen wünschen?
Wo im Web2.0 geht Wahrnehmung von Zuständen in Handeln über?
Ist Deskription von Wahrnehmung schon selbst eine Handlung um der Wahrnehmung Willen?
@Hansi
Vermutlich hast Du recht. Das Data Liberation Projekt kommt zwar aus Google, wird aber sicher auf Grund des geschaffenen Bewusstseins gepusht worden sein.
Dem Fehlschluss erliege ich definitiv immer wieder, dachte auch das Blog hier und den Autor gibt’s schon länger 😉
Zwerge auf Riesen -> absolut richtig.
Bin zwar Betreiber eines „inhabergeführten Blogs“ (schöne Wortschöpfung, Torsten!), beschäftige mich aber nicht „ernsthaft“ mit der Bloggerei (im Sinne R. Basics in Blog-Burb). Insofern muss unsereins auch nicht auf allen Kanälen präsent sein, um Aufmerksamkeit zu erhaschen. Schade wäre nur, wenn durch die Veränderungen des Nutzerverhaltens die „Stammkundschaft“ verloren ginge. Mal abwarten, wir leben die letzten Jahre doch sowieso mit ständigen Verschiebungen …
Ich finde auch, dass man Blogs und die sozialen Netzwerke nicht vergleichen kann. Alle haben ihre Berechtigung, befriedigen verschiedene Bedürfnisse und ziehen unterschiedliche Nutzer an.
Wenn ich eine Analogie zu den Printmedien ziehe, dann sind Twitter und Facebook für mich wie die BILD-Zeitung (ist nicht wertend sondern beschreibend gemeint). Kurze, das Menschliche ansprechende Inhalte, schnell zu konsumieren, kaum Aufwand aber auch schnell vergessen.
Anspruchsvolle Blogs sind wie Wochenzeitungen à la ZEIT, FAS oder Magazine wie SPIEGEL oder brandeins. Lange Artikel, die Zeit brauchen zu schreiben und Zeit brauchen zu lesen und zu verdauen.
Was einen als Leser interessiert oder als Schreibenden, hängt also viel von der Bedürfnislage und dem Ziel ab, Facebook & Co ist wie Fastfood, schnell und billig zu konsumieren, viel Resonanz. Ich habe mal ein Badefoto von mir, auf dem ich gar nicht zu erkennen war, dort gepostet. Das bekam innerhalb von zwei Stunden dreissig Kommentare!
Eine solche Reaktion würde ich mir auf meinem Blog wünschen. Da sitze ich vier, fünf Stunden an einem Artikel, es kommen auch Kommentare. Aber weniger, später – dafür gehaltvoller. Gehaltvolle Blogs sind eben wie ein sehr gutes Restaurant, da will man auch nur einmal die Woche essen aber nicht jeden Abend.
Mit meinem Blog verfolge ich zwei Ziele.
1. Markenbranding als Experte auf meinem Gebiet.
Darüber füllen sich meine Seminare, bekomme ich Interviewanfragen und sogar einen Buchvertrag.
2. Leser für psychologische Hintergründe in ihrem Leben zu sensibilisieren.
Das ist mein Herzensanliegen und den Sinn, den das Bloggen für mich hat – neben der Freude am Schreiben.
Ich bin auch auf Facebook,Twitter und Google+ sehr aktiv. Das sind für mich wie Infozettel, die man auf der Straße in die Hand gedrückt bekommt, damit man gleich nebenan in den Laden – das ist der Blog – kommt.
Insofern glaube ich auch, dass Bloggen weiterhin eine Zukunft hat. Es ist nicht ersetzbar, man muss nur seine Ziele klären.
Guter Beitrag zu einer wichtigen Meta-Diskussion.
Die Kulturtechnik Blog ist noch in der Ausprägung. Die thematische Ausdifferenzierung und intellektuelle Tiefe von Blogs hängt auch von der vorab bestehenden Debatenkultur im jeweiligen Kulturkreis und in der jeweiligen Peergroup ab.
Übergeordnete Ziele einer spezifischen Blogosphäre osszilieren zwischen der einfachen Begeisterung, Aufmerksamkeitswellen zu erzeugen und dem Generieren von gemeinschaftlichen Willensfindungsprozessen.
Die Gewichtung zwischen diesen beiden Bereichen hängt zwar auch von tageskonditionellen emotionalen Zuständen der Teilnehmer, der aktuell politischen Bedeutung des Diskursthemas und den soziokulturellen Schichten der einbezogenen Personen ab, es wird aber wesentlich vom Willen der Teilnehmenden beeinflußt. Dem Willen eine Diskussion nicht um ihrer selbst willen, sondern wegen eines gemeinschaftlichen Ergebnisses zu führen. (Auch final festgestellter Dissens ist hier vorstellbar, Konsens kein Zwang)
Nicht die aktuell an allen eingeforderte „Zivilsiertheit“ oder erweiterte „Netiquette“ sind wichtig für eine Weiterentwicklung der Online-Diskussionskultur, sondern das Fördern einer humanistischen dialektischen Streitkultur. Diese beinhaltet auch (wie beim Poker) das Einbeziehen der offenen Einschätzung des Gegenübers. Eine Meinung hat immer sachliche UND personengebundene moralische Wertaspekte. –
Dennoch kann auch ein herzhafter Streit mit Stil und Anstand geführt werden. Unterschiedliche (vermutete) Machtpositionen tragen, insbesondere bei offensichtlicher Ignoranz oder Manipulationsversuchen zu Respektverlust bei. (Ich will hier nur das Blog des „Konzerngeschäftsführer Public Affairs Axel Springer“ oder, wie ich ihn nenne, „Propagandaminister“ Chr. Keese anführen.)
Die Selbstreferenzialität (oder auch Netzthemenbezogenheit) der deutschen Blogosphäre ist sicher überzogen. Es gibt andere Länder bzw. Kultur/Sprachkreise, die ausdifferenierte Themenfelder „verbloggen“. Dennoch, es gibt Ansätze auch in der deutschsprachigen Blogosphäre.
Ich halte die Aggregation via Modelle wie techmeme, rivva u.ä. wichtiger als thematisch nicht geordnete Attention-zu/wegleitende Tools wie fb oder twitter. Bei G+ ist die personengesteuerte Themensetzung noch sehr verwirrend. Zwar „poppen“ immer wieder Diskussionsstränge auf, aber durch fehlende Blogelemente wie Kategorien oder Tags versenden sich auch spannendste Debatten folgenlos.
Es braucht dringend mehr thematisch ausdifferenzierte deutschsprachige (Blog)Diskurse, ggf. durch vertikale Suchmethoden unterstützt.
tl;tr I know.