Nur Ersatz? – Nutzung und Integration (digitaler) Medien im Unterricht (Vortragsskript)

An dieser Stelle veröffentliche ich mein „Skript“ – also das, was früher mal auf Karteikarten stand, wenn man einen Vortrag hielt – zu meinem Vortrag beim „Fachforum „E-Learning in der Lehrerbildung“ an der Justus-Liebig-Universität am 15. Mai 2012 mit dem Titel „Nur Ersatz? – Nutzung und Integration (digitaler) Medien im Unterricht“ Der Vortrag wird aufgezeichnet und steht später dann voraussichtlich auch online zur Verfügung.

Dieses „Skript“ ist erst mal nur eine Materialsammlung. Ich werde sicher nicht auf jeden Punkt ausführlich eingehen (die Zeit ist beschränkt) und wie heißt es so schön: Vor Ort zählt dann das gesprochene Wort 😉

Gespannt, ob es im Kommentarteil oder per Blogbeitrag mit Pingback zu so etwas wie einer Diskussion kommt.

  • Wie war eigentlich früher ein Klassenzimmer ausgestattet? Mit welchen Medien konnte vor 30 Jahren gearbeitet werden?

    • Stühle, Tische, Kreidetafel
    • Seit den 80ern kam der OHP (Overhead-Projektor / Tageslichtprojektor) dazu.
    • Es gab Projektoren, mit denen man Buchseiten an der Wand für die Lerngruppe sichtbar machen konnte (Episkope), aber die wurden eher selten eingesetzt.
    • Filme konnte man schon gezeigt bekommen: Auf Zelluloid und im Laufe der 80er Jahre des 20. Jahrhhunderts dann als Video.
    • Es gab hektographierte Arbeitsblätter. Jeder und jede, der oder die sie bekam, erinnert sich des Blaus auf gelblichem, saugstarkem Papier, das einen starken Geruch an sich hatte.
    • Schülerinnen und Schüler hatten Bücher, Hefte, Stifte und – je älter wie wurde um so weniger – alles mögliche an Material zur kreativen Gestaltung von und mit Papier.
  • Was hat sich seit den 80ern (und wir können das eigentlich bis mindestens weit in die 90er verlängern) in den Klassenräumen getan?

    • Es gibt weiter Tische, Stühle und in vielen Fällen Kreidetafeln, aber nicht mehr überall.
    • OHP sind weiter in fast allen Klassenräumen verfügbar und werden genutzt.
    • Es gibt je nach Schule oder Schulträger entweder in einzelnen oder allen Räumen interaktive, digitale Tafeln
    • Beamer haben sich verbreitet und lösen den OHP immer mehr ab.
    • Computer gibt es oft nach wie vor v. a. im PC-Raum oder in PC-Räumen.
    • Langsam kommen Beamer und ans Internet angeschlossene Rechner auch in die Klassenräume.
  • Was hat sich in den letzten fünf Jahren bei Schülern getan? www.mpfs.de—index.php

    • Schülerinnen und Schüler haben Bücher, Hefte, Stifte und – je älter sie werden um so weniger – alles mögliche an Material zur kreativen Gestaltung von und mit Papier.
    • UND
    • Die Schüler haben Mobiltelefone, Smartphones bzw. smarte MP3-Player verbreiten sich zunehmend unter den Schülern.
    • Laut JIM-Studie kann davon ausgegangen werden, dass nahezu alle Schüler und Schülerinnen zuhause Internetzugang haben, wenn auch vielleicht keinen eigenen Rechner.
  • Das meiste, was sich bei den Schülern und Schülerinnen an technischen Möglichkeiten ergeben hat, ist in den Schulen noch nicht angekommen oder findet nur zögerlich Aufnahme, wenn es nicht verboten wird. Genau genommen ist das aber alles schlecht 😉

    • Handys sorgen dafür, dass Schülerinnen und Schüler ständig miteinander kommunizieren. Im Lehrerjargon geht es da um Facebook, in Wirklichkeit ist WhatsApp (Stand: Mai 2013) der Renner, finden sich immer mehr Schüler auf YouTube und die Plattform Tumblr, auf der man öffentlich sehr einfach in kurzer Form bloggen kann, findet auch mehrZulauf. Selbst auf Twitter beginnen sich immer mehr Schüler einzufinden. Das alles lenkt vom Unterricht ab! Das alles muss in der Schule verboten werden. – Sagen manche, sagen viele. Und sie fördern damit genau das, was sie eigentlich verbieten wollen.
    • Im Internet schreiben die Schüler ab. Copy und Paste IST weit verbreitet. Viel weiter, als es Lehrer mitbekommen. Deshalb müssen Schüler per Hand schreiben, weil sie dann wenigstens kopierte Informationen einmal selbstgeschrieben haben. Und ja, auch nicht gemachte Hausaufgaben müssen dann im Bus oder irgendwo zwischen dem Unterricht wengistens noch von Mitschülern abgeschrieben werden. Man sollte es Schülern nicht zu einfach machen, indem man Computer in Schülerhand erlaubt, mit deren Hilfe sie dann auch noch bei Hausaufgaben Copy und Paste machen können.
    • Um ganz ehrlich zu sein: Es soll auch Lehrer geben, die Copy und Paste verwenden. Besonders „lustig“ wird das, wenn Klassenarbeiten aus dem Netz eingesetzt werden und zufälligerweise haben die Schülerinnen und Schüler die gleiche Suchmaschinen-Abfrage gestartet, wie der Lehrer, indem das Thema des Unterrichts mit dem Wort „Klassenarbeit“ oder „Klausur“ verbunden wurde.
  • Wenn Lehrer die Technik nicht ganz so böse finden, dürfen Schülerinnen und Schüler diese nicht nur unter strengster Kontrolle und mit vom Lehrer zentral überwachbaren Bildschirmen im PC-Raum nutzen, sondern tatsächlich im Unterricht, dann geht es oft um das Nachschlagen von Begriffen und Vokabeln, vielleicht mal einer Jahreszahl.

    • Schülereigene Geräte ersetzen punktuell Lexika und Wörterbücher (natürlich nicht bei Klausuren und Klassenarbeiten).
    • Ich erlebe das als große Bereicherung, auch wenn es sich eben „nur“ um den Ersatz von Werken geht, die es schon immer auf Papier gab und auf die Schüler schon immer Zugriff hatten.
    • Die letze Aussage stimmt nicht. In Klassenzimmern gab es selten spontan im Unterricht nutzbare Universallexika. Wörterbücher hingegen gab es in den Fremdsprachen, Rechtschreibwörterbücher wurden von manchen Klassen angeschafft, engagierte Lehrer und Lehrerinnen starteten vielleicht den Versuch, eine Klassenbibliothek aufzubauen.
    • Die Verbreitung von Schulbibliotheken (zumindest habe ich das in Frankfurt so beobachtet, da ist der Blick dann ja doch föderalistisch eng) scheint oft auch ein Phänomen der letzten Jahre zu sein. Überall? Oder ist das schulträgerabhängig? – Zumindest gibt es in diesen Bibliotheken auch Computerarbeitsplätze)
    • Genau genommen ist es schon ein Gewinn, wenn Schüler auf Fragen im Unterricht eigenständig nach Antworten suchen können. Im Idealfall kann man da nicht nur die Antworten im Internet finden, sondern auch so mediendidaktische Kleinigkeiten wie Recherchetechniken und Fragen der Qualitätsmerkmale thematisieren, anhand derer man die Zuverlässigkeit von Informationen einschätzen kann.
    • Was zunächst wie ein Ersatz von analogen Werken aussieht, ist bei genauer Betrachtung auch schon mit einem Mehrwert versehen: Das Wissen ist verfügbar. Und das Nachschlagen in einem Lexikon hat Menschen noch nie dümmer gemacht. Nach wie vor aber gibt es Behauptungen, die digitale Arbeitsformen mit der Alterskrankheit Demenz in einem Atemzug miteinander koppeln.
  • Das Problem mit digitalen Technologien in der Schule ist nicht, dass digitale Technologien in der Schule zu viel genutzt würden.

    • In Wirklichkeit sind das Internet und mobile Zugriffs- und Arbeitsmöglichkeiten längst in der Schule angekommen. Digitale Technologien verändern Schule schon längst.
  • Die Frage lautet: Gestaltet Schule diesen Veränderungsprozess aktiv mit oder lässt sie ihn passiv über sich ergehen?

  • Das Problem ist vielmehr, dass Schülerinnen und Schüler bei der Nutzung digitaler Technologien in Lernzusammenhängen allein gelassen werden.

    • Der Umgang mit digitalen Medien muss gelernt werden.
      • Smartphone, Tablet, Laptop müssen als etwas anderes als Instrumente zum Konsum vermittelt werden. Hier liegt eine Aufgabe für die Schule. So, wie in der Schule nicht nur Lesen, Schreiben und das Einmaleins gelehrt werden, gilt es auch, den Umgang mit digitalen Instrumenten zu lehren und zu lernen.
    • Problem: Wie soll ein Lehrer etwas lehren, was er selbst erst noch lernen muss?
      • Lehrerfortbildung ist das eine.
      • Die Bereitschaft von Lehrern, sich in vernetzte Arbeitsprozesse einzulassen und selbst zu praktizieren, was den Schülern vermittelt werden sollte, ist etwas anderes, das weit über den Besuch von Fortbildungen hinaus geht.
  • Welchen Mehrwert aber haben digitale Technologien über Recherchefunktionen hinaus?

    • Vernetzung
    • Kooperation
    • Kollaboration
    • Relevanz durch Ausprobieren von Öffentlichkeit – häufig mit Angst besetzt (Datenschutz!), tut aber bei guter Betreuung meist gar nicht weh. 😉
    • Vertrautwerden mit dem eigenen Arbeitsgerät
    • Möglichkeit höherer Eigenverantwortung beim Lernen. — Abgabe von Kontrolle aus Lehrersicht (Vertrauen vs. Kontrolle und Überwachung von Netzwerkaktivitäten).
  • Beispiel einer (gelungenen!) Monokulturlösung mit iPads im Klassensatz an der Kaiserin-Augusta-Schule / Köln: www.youtube.com—watch

    • Schüler komponieren, tauschen sich aus, erleben Eigenmächtigkeit, recherieren, schreiben Wikitexte.
  • Exkurs (falls Zeit es zulässt): Facebookgruppen als Instrument im Unterricht? Chancen und Risiken: youtu.be—BbMmszWlZ1s

  • Ein Schulbuch von Schülern gemacht: ischulbuch.wordpress.com

  • Schüler bloggen (mit eigenen Geräten – Bring your own device) in meinem Unterricht : religk2013.wordpress.com

    • Anders als bei Klassensatzlösungen wird hier auf Basis des „Bring your own device“ gearbeitet. Abdeckung mit Geräten im Kurs zuhause 100%, vor Ort besteht die Möglichkeit der Nutzung von je einem Laptop mit Webanschluss pro Klasse oder der PC-Nutzung in der dem Raum gegenüberliegenden Schulbibliothek.
    • Der Kurs hat sich für das Bloggen entschieden! Es gab die Möglichkeit anders zu arbeiten, z. B. auch rein analog (Plakaterstellung, Folienerstellung) oder offline.
    • Neben der Beachäftigung mit anspruchsvollen Themenbereichen findet eine Einführung in den Mediengebrauch statt (Medienpädagogik)
      • Urheberrecht: Die Frage tauchte schnell angesichts der Nutzung eines Bildes auf
      • Tools: Backend eines Blog-CMS-Backends (WordPress); Etherpad; Googledocs (kamen wir drauf, weil die Schüler bereits über Accounts verfügten, es wurden keine neuen angelegt)
      • Herausforderung: Unterschiedliche Geräte und Betriebssysteme. (SuS helfen sich gegenseitig, im Kurs ist KnowHow vorhanden)
  • Ziel: Didaktisch verantwortete und sinnvolle Integration digitaler Endgeräte in den Unterricht.

    • Es geht nicht um Leuchtturmprojekte; es geht nicht um phasenweise Nutzung (im PC-Raum)
    • Es geht um Nutzung vorhandener Ressourcen, wobei bislang die Komponente Sozialneid nicht beobachtbar war, im Gegenteil: Schüler arbeiten zusammen, ermöglichen Mitschülern Recherche. Diesen Aspekt gilt es aber genau im Blick zu behalten.
    • Mehrwert: SuS haben meist aktuelle Technik verfügbar UND sie lernen wirklich ihr eigenes Gerät als Arbeitsgerät kennen. Da jeder mit vertrautem Betriebssystem arbeitet, fallen die Benachteiligungen für die Schülerinnen und Schüler weg, die mit in der Schule nicht vorhandenen Betriebssystemen arbeiten.
    • Herausforderung für Lehrer:
      • Eigene Bereitschaft, vernetzt zu arbeiten.
      • Fortbildung und Vertrautheit mit einem Betriebssystem.
      • Vertrautheit mit plattformübergreifenden Formaten und Standards (.doc ist z. B. kein solcher Standard)
      • Akzeptieren lernen, dass Schülerinnen und Schüler kompetent sein können und die Kontrolle über das verfügbare Wissen didaktisch begründet aufzugeben.
  • Weiterführende Links: