Hans Joachim Schädlich: Felix und Felka. Das Schicksal der Unmächtigen angesichts des Terrors der Mächtigen

Felix Nussbaum wurde am 11. Dezember 1904 in Osnabrück geboren und 1944 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet. Als Maler wird er der Neuen Sachlichkeit zugeordnet. 1932 ging ein Großteil seines Werkes durch Brandstiftung verloren.

Felka Platek wurde am 3. Januar 1899 in Warschau geboren und 1944 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet. 1932 geht ein Großteil ihres Werkes durch Brandstiftung verloren.

1924 lernten Felix und Felka einander in Berlin kennen, sie heirateten 1937 in Brüssel, wo sie sich bis zum 21.07.1944 versteckt halten konnten. Nach ihrer Entdeckung wurden sie von der Gestapo in das Sammellager Mechelen transportiert und dann nach Auschwitz deportiert.

Hans Joachim Schädlichs Roman über das jüdische Künstlerpaar setzt im Mai 1933 ein. Nussbaum ist Stipendiat der Villa Massimo in Rom und wird vom Mitstipendiaten Hanns Hubertus Graf von Merveldt tätlich angegriffen. Am 17. Mai muss Nussbaum mit Felka die Villa verlassen, aber eine Rückkehr nach Deutschland ist beiden nicht möglich, da während ihres Aufenthaltes in Rom die Nazis in Deutschland an die Macht gekommen waren.

Es beginnt eine Zeit ohne feste Bleibe. Diese Zeit, der Alltag der Flüchtlinge, die sich anfangs noch als Malertouristen sehen, durch Italien und Frankreich reisen und schließlich in Belgien bleiben, nimmt Schädlich in seinem Roman in den Blick. Er tut dies, indem er Szenen aus dem Alltag aufgreift und diese so weit reduziert, verdichtet, knapp darstellt, dass nur das in den Augen des Autors Relevante als Text auf der Seite steht.

Hier kommt der Leser ins Spiel, dem diese Art von Erzählung viel Platz lässt. Schädlichs Roman ist nicht für Leser_innen geschrieben, die jedes Detail dargestellt bekommen wollen und im Buch versinkend Seite für Seite umblättern. Vielmehr ist es ein Text für Leser_innen die innehalten, der Fantasie Zeit geben, den Text weiterdenken wollen. Damit verbunden ist dann auch die Chance, diesem Leben auf der Flucht näherzukommen, etwas mehr zu verstehen, was die Folgen eines Lebens auf der Flucht sind. Schädlich selbst nennt das Thema seiner Arbeit »Die Unmächtigen und die Mächtigen«. – Seine Sympathien gelten dabei eindeutig den Unmächtigen. So ist der Text zwar leicht zu lesen, aber je mehr man den eigenen Gedanken Raum lässt, um so mehr wird diese Unmacht (sic!) erfahrbar und der Text wird zu einer Klage über das Schicksal von Menschen wie Felix und Felka unter dem Naziregime und allgemein über das Schicksal von Unmächtigen angesichts der Machtausübung der Mächtigen, die autoritäre Systeme aufbauen, in denen Menschen ausgegrenzt, verfolgt und ermordet werden.

Neben erzählten Szenen finden sich Auszüge aus Nussbaums Briefwechsel, die den Anspruch des Dichterischen unterstreichen, nahe an der Historie zu sein.

Für jeden, der sich auf diesen Text einzulassen bereit ist, kann sich ein Sog entwickeln, der immer stärker in die Erfahrung dieses Ausgeliefertsein hineinziehet und diese zumindest in Ansätzen nachvollziehbar werden lässt. Schädlichs Roman kann die Empathiefähigkeit stärken. So ist der Roman nicht nur ein historischer Roman, sondern auch eine Auseinandersetzung mit und eine Klage über Antisemitismus in der Gegenwart.

Für alle, die nach der lohnenden Lektüre des Romans mehr über Felix und Felka erfahren wollen, hat Schädlich ein Verzeichnis der Quellen beigefügt, deren Lektüre die Niederschrift des Romans vorbereitet haben. Abgesehen von dieser Geschichte sind da nämlich noch die Bilder Nussbaums und Plateks, denen Schädlichs Roman neue Betrachter bringen mögen. Es sind eindringliche Bilder, vor allem jene von Nussbaum, Reduktionen, die Platz lassen für den Betrachter und somit dem Roman voraus gehen, oder von diesem ausgehend einladen, sich mit der Kunst und dem Leben von Felix und Felka zu befassen.

Hans Joachim Schädlich, Felix und Felka. Reinbek bei Hamburg (Rohwohl) 2018, 202 Seiten, 19,95 als Hardcover, 16,99 als E-Book.
Beitragsfoto: Torsten Larbig unter Verwendung des Einbandes des Romans.