Kategorie: Literatur

Zum Frankfurt-Marathon ein Sonett von Platen

Der Frankfurt-Marathon ging heute nur ein paar Meter von hier entfernt vorbei. Also bewaffnete ich mich mit dem Fotoapparat und ging auf Suche nach möglichen Motiven. Als ich diese durchsah, erinnerte ich mich an Gedicht von August von Platen, ein Sonett, um genau zu sein, in dessen letzter Zeile »der Läufer« ausdrücklich genannt wird. Was passiert, wenn ein paar der Bilder, die Läufer und auch Publikum zeigen, neben dieses Gedicht gestellt werden?

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Terézia Mora, Alle Tage: 0. Jetzt – Wochenende – Vögel (S. 9f)

Nach dem »Vorspann« kann nun also der Roman beginnen. Irritierend: Er beginnt mit einem Abschnitt der »0. Jetzt Wochenende« betitelt ist. Und dann erste Kapitel dieses Abschnittes, kaum zwei Seiten lang, mit dem Titel »Vögel« obwohl kein Vogel in dem Kapitel auftaucht. Die Zeit »Jetzt«, der Ort »Hier«. Na, toll. Welches »Jetzt« denn? Das »Jetzt« Lesers, der Autorin, des Erzählers/der Erzählerin des Romans? Und die gleiche Verwirrung beim Ort »Hier«. Ein Hinweis, das Ort und Zeit unwesentlich sind? Dem widerspricht die folgende Beschreibung des Ortes, die mit Adjektiven nur so gespickt ist. Eine Auswahl: östlicherer, braune, leere, vollgestopft, winzig, wüst,

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Terézia Mora, Alle Tage: Der Vorspann des Romans (S. 5)

Im Anfang eines Romans soll alles enthalten sein, was sich im weiteren Verlauf des Buches entfaltet. Zumindest ist dies für mich ein Kriterium für gelungene Literatur und ich weiß aus Gesprächen mit Autoren, dass nicht nur den ersten Seiten eines Romans noch mehr Mühe gewidmet wird als dem Rest, sondern dass der erste Satz hier noch einmal eine herausragende Stellung hat. Manchmal aber gibt es vor dem ersten Satz noch eine Seite mit einer Art Motto des Romans: Das können Zitate bekannterer, unbekannterer und sogar erfundener Leute sein. Bei Terézia Mora wirkt diese der eigentlichen Geschichte voran gestellte Seite ein

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Schmöker-Schnipsel: Die Dinge der Literatur

Immer wenn Buchmesse in Frankfurt ist, schwebt angesichts der Masse an literarischen Werken und Autorenauftritten, die in diesen fünf Oktobertagen die Stimmung in der Stadt prägen, für mich die Frage im Raum, was Literatur denn nun eigentlich sei. Eine Antwort fand ich beim Schmökern in Raymond Carvers Erhählungenband »Würdest du bitte endlich still sein, bitte« (Berlin 2001, amerikanische Originalausgabe 1976). Richard Ford schreibt dort im Vorwort (Der gute alte Raymond – S. 9–40): »Auf die eine oder andere Art geht es in Literatur natürlich immer um diese einfachen Dinge: mit den Folgen zurechtkommen zu müssen, wenn die Vergangenheit sich in

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Otfried Preußler – Krabat: Ein kritischer Zwischenruf

Ja,  Otfried Preußlers Roman »Krabat«, der 1971 zum ersten Mal erschien, ist gut zu lesen. Er erzählt die spannende Geschichte eines Müllerjungens, der in den Machtbereich eines der schwarzen Magie anhängenden Müllermeisters gerät und – natürlich: die Liebe – einen Weg zur Erlösung findet.  Preußlers Roman wird als Meisterwerk der Kinder- und Jugendliteratur gehandelt, wurde mit Preisen ausgezeichnet, in viele Sprachen übersetzt und nun sogar als Grundlage für einen Spielfilm genommen, der von einem eigenen Blog begleitet  und dessen Vermarktung auch von der »Stiftung Lesen« unterstützt wird. Aber ist »Krabat«, abgesehen von der begrüßenswerten Kunst, den Lesenden in eine Geschichte

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Faust 1 – Vor dem Tor (Gelehrtentragödie 2 – V 808–1177)

Was bereits in den letzten Versen der Nacht-Szene in Goethes Faust (V 737–807) von Engeln verkündet und von Faust in seiner tiefen Zerrissenheit vernommen wird, wird in den Versen 808–1177 (Vor dem Tor) ausgearbeitet: Es ist die Osternacht, in der Faust in seinem Studierzimmer nach metaphysischer Wahrheit strebt. Ostern: Das christliche Fest der Auferstehung Jesu Christi, das Fest, in dem sich im christlichen Glauben die Selbstoffenbarung Gottes vollendet. Faust Suchen nach Wahrheit könnte hier eine Antwort finden, doch er sagt: »Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube; / Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind. / Zu

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Du wirst ständig überwacht – Morton Rhues »Boot Camp«

Irgendwann dürfte Todd Strasser, so heißt der Autor Morton Rhue mit bürgerlichem Namen, Decca Aitkenheads Reportage »The last resort« gelesen haben, die am 29. Juni 2003 in der englischen Zeitung »The Observer« erschienen ist und das in Jamaica angesiedelte »Verhaltensänderunszentrum« »Tranquility Bay« ins Zentrum stellt. – Anschließend dürfte er sich dann an die Arbeit an dem Roman »Boot Camp« gemacht haben. Zumindest entsteht dieser Eindruck, nach der Lektüre von »Boot Camp«, wenn ich die Details miteinander vergleiche; sicher ist es nicht, da Rhue in seinem Nachwort zwar einerseits auf den Realitätsgehalt seines Romans verweist, aber keinerlei Hinweise gibt, woher er

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Faust 1 – Wagner und Faust (Nacht, Osterspaziergang)

Faust 1 – Wagner und Faust (Nacht, Osterspaziergang) von Torsten Larbig steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht-kommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz. Hier geht es um Wagner im Faust 1 in den Versen 522–601; 941–949; 1011–1021; 1056–1063; 1100–1109) Was Faust beunruhigt und unbefriedigt lässt, ist Wagners höchstes Ziel: Wissen aus Büchern zu erlangen. »Von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt! / Da werden Winternächte hold und schön, / EIn selig Leben wärmet alle Glieder, / Und ach! Entrollst du gar ein würdig Pergamen, / So steigt der ganze Himmel nieder.« ( V 1105–1109) Wagner hat seinen ersten Auftritt

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Faust 1: Nacht – »Nachts in einem hoch gewölbten, engen gotischen Zimmer.« (Gelehrtentragödie 1 – Verse 354–521)

Faust 1: Nacht – »Nachts in einem hoch gewölbten, engen gotischen Zimmer.« (Gelehrtentragödie 1 – Verse 354–521) von Torsten Larbig steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht-kommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz. Goethes Faust ist nicht dumm – und das ist sein Problem. Um dies zu erkennen, muss keine Zeile des Eingangsmonolog gelesen werden, schon die Regieanweisung Goethes reicht: »Nachts in einem hoch gewölbten, engen gotischen Zimmer. Faust unruhig auf seinem Sessel am Pulte.« Auch ohne sich in der Kunst- und der mit ihr verbundenen Ideengeschichte auszukennen, lässt dieser Rahmen für Fausts Auftreten die Figur und ihre Situation erfassen:

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Faust 1: Zueignung, Vorspiel auf dem Theater, Prolog im Himmel

Faust 1: Zueignung, Vorspiel auf dem Theater, Prolog im Himmel von Torsten Larbig steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht-kommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz. Warum kann Goethe mit dem »Faust« nicht einfach anfangen? 353 Verse braucht er, bis endlich »Der Tragödie erster Teil« beginnt und Faust selbst mit den Worten »Habe nun, ach! Philosophie, / Juristerei und Medizin, / Und leider auch Theologie / Durchaus studiert, mit heißem Bemühn. / Da steh ich nun ich armer Tor! / Und bin so klug als wie zuvor;« (V354–359) auftreten darf. Bis dahin muss sich der Leser durch eine »Zueignung«, ein »Vorspiel

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Faust 1 – Zueignung (Vers 1–32)

Faust 1 – Zueignung (Vers 1–32) von Torsten Larbig steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht-kommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz. Von 1773 bis 1832 finden sich Äußerungen Goethes über den »Faust« – fast sechzig Jahre, die sich ein Autor immer wieder und in unterschiedlichen Formen mit diesem Stoff beschäftigt hat. Dies mag die Dichte und den Gehalt des Dramas erklären, aber auch, dass der »Faust« als das Hauptwerk Goethes angesehen werden kann. Die »Zueignung«, mit der das Werk beginnt, erweckt nicht den Eindruck, dass es ich hier um ein Werk handelt, das geplant war: Aufdringlich zeigen sich die Figuren,

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Faust 1 – Studierzimmer (»…wie ein Elefant«)

[singlepic=9,320,240,,center] Faust: … Hinter den Ofen gebannt, Schwillt es wie ein Elefant Den ganzen Raum füllt es an, Es will zum Nebel zerfließen. Steige nicht zur Decke hinan! Lege dich zu des Meisters Füßen! Du siehst, daß ich nicht vergebens drohe. Ich versenge dich mit heiliger Lohe! Erwarte nicht Das dreimal glühende Licht! Erwarte nicht Die stärkste von meinen Künsten! Mephistopheles tritt, indem der Nebel fällt, gekleidet wie ein fahrender Scholastikus, hinter dem Ofen hervor. Mephistopheles: Wozu der Lärm? was steht dem Herrn zu Diensten? Faust: Das also war des Pudels Kern! Ein fahrender Skolast? Der Kasus macht mich lachen.

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2008 – Big Brother is still watching you

Mal ehrlich — was eigentlich hat man vor Augen, wenn die Rede auf George Orwells Roman »1984« kommt? Bei mir war es der Satz »Big Brother is watching you«, zu Deutsch: »Der Große Bruder sieht Dich«. So wird es zumindest in der Übersetzung von Michael Walter formuliert. Aber das Englische »to watch« meint mehr: aufpassen, bewachen, überwachen, zusehen, beobachten. Dachte ich an den zum Schlagwort gewordenen Titel, so dachte ich an den Überwachungsstaat, Kameras überall, Kontrolle total. Ganz falsch ist das nicht. Das alles gibt es in der Welt, die Orwell vor den Lesern aufbaut – und auch in Deutschland

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Beim Hören Autoren entdecken

»Ich mache die Augen auf und sehe auf ein weißes Stück Papier« ((Rolf Dieter Brinkmann, Westwärts 1&2 – Gedichte, Reinbek bei Hamburg 1990 [zuerst 1975], 7.)) Es gibt Schriftsteller, die hartnäckig als »Geheimtipp« gehandelt werden oder nach kurzer Bekanntheit weiter nur noch vor allem von Liebhabern zur Hand genommen werden. Ich denke dabei an Oskar Pastior, Hans Henny Jahnn, Gertrud Kolmar und neben vielen anderen eben auch Rolf Dieter Brinkmann. Sie haben alle auf weiße Stücke Papier geschaut. Sie haben alle ungewöhnliche Werke geschrieben. Viele von ihnen sind Dichter (Pastior, Kolmar, Brinkmann) oder waren als Künstler auf mehreren Gebieten unterwegs (Jahnn:

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Doris Lessing: Nobelvorlesung

Da mir Doris Lessing aus dem Herzen spricht und gleichzeitig das Problem beim Umgang mit Büchern in unserer Gesellschaft die angemessene Schärfe verleiht, erlaube ich mir hier, Lessings Nobelvorlesung vollständig festzuhalten. Die schriftliche Genehmigung der Nobel-Foundation für diese Veröffentlichung liegt mir vor. © DIE NOBELSTIFTUNG 2007 Nachdruck genehmigt für Zeitungen in allen Sprachen nach dem 7. Dezember 2007, 17 Uhr 30 (schwedische Zeit). Jede Veröffentlichung in Zeitschriften oder Büchern, die über eine inhaltliche Zusammenfassung hinausgeht, bedarf der Genehmigung der Stiftung. Alle Veröffentlichungen des gesamten Textes oder größerer Teile des Textes müssen die oben angegebene unterstrichene Copyright-Angabe enthalten. Doris Lessing: Nobelvorlesung

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