2008 – Big Brother is still watching you

Mal ehrlich — was eigentlich hat man vor Augen, wenn die Rede auf George Orwells Roman »1984« kommt? Bei mir war es der Satz »Big Brother is watching you«, zu Deutsch: »Der Große Bruder sieht Dich«. So wird es zumindest in der Übersetzung von Michael Walter formuliert. Aber das Englische »to watch« meint mehr: aufpassen, bewachen, überwachen, zusehen, beobachten.

Dachte ich an den zum Schlagwort gewordenen Titel, so dachte ich an den Überwachungsstaat, Kameras überall, Kontrolle total. Ganz falsch ist das nicht. Das alles gibt es in der Welt, die Orwell vor den Lesern aufbaut – und auch in Deutschland wurden in den vergangenen Jahren immer neue Formen der Überwachung eingeführt. Aber ginge es nur um dieses eine Thema, wäre das Buch wahrscheinlich kein solcher Klassiker geworden.

»Sie sind hier, weil es Ihnen an Demut, an Selbstdisziplin mangelte. Sie wollten den Akt der Unterwerfung nicht vollziehen, der der Preis für geistige Gesundheit ist. Sie zogen es vor, ein Wahnsinniger, eine Einpersonenminderheit zu sein. Nur der disziplinierte Geist erkennt die Realität, Winston. Sie halten die Realität für etwas Objektives, Äußeres, das seinen eigenen Bestand hat. […] Aber ich sage Ihnen, Winston, daß Realität nichts Äußeres ist. […] Die Realität läßt sich ausschließlich durch die Augen der Partei erkennen. […] Es erfordert einen Akt der Selbstvernichtung, eine Willensanstrenung. Sie müssen sich erst demütigen, ehe Sie geistig wieder gesund werden können.« (299f)

Georg Orwell, 1984, übersetzt von Michael Walter, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Herbert W. Franke, 23. Aufl. 2002, englisches Original 1949, erste deutschsprachige Ausgabe 1984, 384 Seiten, 7,95 Euro.

© by Torsten Larbig, 07.2002/zuletzt bearbeitet: 08.2008