Du sollst mehr bloggen ;-)

Es kommt mir manches Mal so vor, als gehöre es fast schon zum „State of the Art“, über das Nischendasein deutschsprachiger Blogs in der deutschsprachigen Internetlandschaft ein wenig zu jammern. Zum Spiel gehört wohl auch, dass Vorschläge gemacht werden, wie sich das ändern könnte.

Die Überschrift dieses Artikels verweist weder darauf, dass ich hier einschätzen will, wie der gesamtgesellschaftliche Status von Blogs ist, noch enthält dieser Beitrag ein Patentrezept, wie ein Blog „erfolgreich“ werden kann. Das „Du“ in der Überschrift könnte auch „Ich“ heißen, wobei man die Überschrift dann auch noch grammatikalisch anpassen müsste 😉

Anlass für diese Überlegungen ist eine ganz andere Beobachtung: Es kommt vor, dass das eine oder andere Thema, das für mich eigentlich ein klassischer Gegenstand des Bloggens ist, in sozialen Netzwerken untergebracht wird, auf denen es sich relativ schnell „versendet“. Die Wahrnehmungsspanne, die ein Standardtweet bekommt, scheint mir deutlich unter vierundzwanzig Stunden zu liegen. Wie stark Beiträge auf Google+ wahrgenommen werden, vermag ich nicht zusagen, aber überbevölkert scheint diese Plattform nicht zu sein, die Aktivitäten der Nutzer sind meiner Wahrnehmung nach nicht als hyperaktiv zu bezeichnen. – Wie das auf Facebook aussieht, kann ich aufgrund anhaltender Abstinenz nicht bewerten, aber so wahnsinnig viel bekomme ich von außerhalb über die dortigen Aktivitäten nicht mit.

Kein Zweifel, ich schätze die ganz eigene Dynamik, die Twitter entwickeln kann. Das gilt auch für Inhalte: Den einen sind hundertvierzig Zeichen zu wenig, um sich ausdrücken zu können; andere vermuten, Tiefgang sei in dieser Kürze kaum zu erreichen. Ich halte es eher mit der sprichwörtlichen Würze, die der Kürze eigen ist. Hundertvierzig Zeichen und dennoch – oder gerade aus diesem Grund – auf den Punkt zu kommen, ist durchaus eine intellektuelle Herausforderung, die ich mag.

Trotz dieser starken Sympathien für die Kürze und die dynamische Kompexität, die der Austausch auf Twitter bekommen kann, ist mir in den vergangenen Wochen ein paar Mal aufgefallen, dass ich Themen auf Twitter kurz anreiße, die ich eigentlich vertiefen will, was nicht immer einen ewig langen Artikel mit sich bringen muss. Obwohl ich ein Werkzeug benutze, das mir die Wiederverwertung und nachhaltige Speicherung einer Serie von Tweets zu einem Thema komfortabel ermöglicht, mache ich es mir teilweise leicht, indem ich manche Themen, die mich interessieren, kürzer kommen lasse, als ich das eigentlich will.

Darüber hinaus ist ein Blog von seiner Struktur her ein Tagebuch und keine Fachzeitschrift. 😉 In einem Blog dürfen – ja, sollen – Gedanken entwickelt werden können und nicht vor allem Ergebnisse von Prozessen präsentiert werden. Natürlich sollen die Gedanken und auch Geschichten, die einem Blog anvertraut werden, zumindest soweit es mich betrifft, nicht allzu platt sein.

In diesem Sinne ist es gemeint, wenn ich mir und vielleicht der einen oder dem anderen zuraune: „Du sollst mehr bloggen“.

Das ist ja gar nicht so viel Aufwand. Man kann, mit ein wenig Übung, in überschaubaren Zeiten solch einen Eintrag verfassen. So ist einer der am meisten gelesen Artikel der vergangenen Wochen in weniger als fünfundvierzig Minuten entstanden. Ursprünglich als Notiz beim Lesen eines Buchs geschrieben, habe ich den Text dann online gestellt.

Diesen Artikel hier schreibe ich auf dem iPad unterwegs. Da steckt auch nicht so viel Aufwand dahinter, vorausgesetzt, man verzichtet auf die original WordPress-App für iOS-Geräte.

Es war immer Konzept meines Blogs, dass ich mir keine festen Regeln bezüglich des Inhaltes und der Frequenz der Beiträge gebe. Also kann ich mich der von mir an mich gestellten Aufforderung entspannt stellen: „Du sollst mehr bloggen“. – Vielleicht geht meine Phantasie ja mit mir durch, aber ich kann mir vorstellen, dass diese Aufforderung vor dem hier dargestellten Hintergrund nicht nur für mich selbst von Interesse ist.

„Du sollst mehr bloggen“, ist durchaus ein Aufruf, der dem Nischendasein von Blogs im deutschsprachigen Raum entgegenwirken kann, wenn es das denn gibt und wenn die Inhalte zumindest den einen oder anderen Anknüpfungspunkt für Diskussionen enthalten.

Es gibt aber noch einen Grund, warum ich vor allem Lehrern und anderen Bildungsmenschen diese Satz „Du sollst mehr bloggen“ mitgeben möchte: Die Themen Schule, Hochschule und Bildung sind schon lange ein Kernbestand des Diskurses in Deutschland, an dem alle möglichen Leute beteiligt sind, in dem aber professionelle Expertise von Lehrenden für meinen Geschmack zu wenig vorkommt.

Das liegt nicht an mangelnder Expertise der Lehrenden. Das liegt nicht an mangelndem Interesse der Öffentlichkeit, die diese Äußerungen nicht wahrnehmen würde. Das liegt vor allem daran, dass sich nur wenige Lehrende da ran wagen.

Hochschullehrer scheinen oft in einer Umgebung zu arbeiten, in der eventuelles Bloggen kritisch bis abfälllig beäugt wird.

Lehrerinnen und Lehrer hingegen finden oft keine Zeit und kommen oft nicht auf die Idee, dass so manches, was man im stillen Kämmerlein an Sachanalysen erstellt, eine gute inhaltliche Basis für ein Blog sein könnte, das man explizit als private Gedankenspielwiese kennzeichnet. Da könnten dann auch andere Themen ihren Platz finden, die bearbeitet werden, wenn man Zeit und Lust hat. Es geht auch, wenn nur Lust oder nur Zeit da sind, dann ist es eben etwas stärker eine Frage der Selbstdisziplin ;-).

In anderen Ländern, ausdrücklich nenne ich hier die Länder Nordamerikas, ist das Angebot bildungsbezogener Websites und Blogs mit oft erstaunlicher hoher Qualität deutlich breiter und etablierter als in Deutschland. Das liegt auch an der deutlich größeren Zielgruppe als die auf Deutsch erreichbare, obwohl die Reichweite mit Deutsch gar nicht mal so schlecht ist.

Die bislang insgesamt eher geringe Wahrnehmbarkeit von Lehrenden im Netz dürfte aber auch daran liegen, dass es in anderen Ländern einen etwas entspannteren Umgang mit Netzaktivitäten Lehrender gibt als in Deutschland, wo Netzaktivitäten von Lehrenden von ministerialen Bedenkenträgern eher kritisch beäugt werden. Auch um hier Überzeugungsarbeit zu leisten und dabei gleichzeitig das Know-how im Umgang mit sozialen Netzwerken im Internet zu erwerben, zu erweitern bzw. zu vertiefen, das notwendig ist, um die Didaktik in diesen neuen Kontexten gewinnbringend weiterzuentwickeln, wiederhole ich den Imperativ dieses Blogeitrags am Ende noch einmal: „Du sollst mehr bloggen.“ – Es lohnt sich.