Schlagwort: Denken

Kurzer Versuch über den Essay

Der Essay als „Versuch“, wie die wörtliche Übersetzung des französischen „essaier“ lauten kann, stellt vor allem vor die Herausforderung, das eigene Nachdenken und jenes, mit dem man sich z. B. durch Lektüre befasst hat, zu bündeln und in eine Textform zu bringen. Der Essayist schaut sich quasi selbst beim Erwägen und Verknüpfen[^1] zu; er oder sie webt einen Text, schafft eine Textur aus Buchstaben, in die das Werden der Erkenntnis eingewoben ist. Dabei kann der Ausgangspunkt durchaus einer sein, der mit dem unmittelbaren Gegenstand des Denkens auf den ersten Blick nichts zu tun hat. So kann ich fragen, wie wir

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Die Langeweile des Bungeesprungs – Simon Strauss: Sieben Nächte

Endzwanziger scheinen nunmehr seit mindestens 20 Jahren in der Dauerkrise einer Sinnsuche zu sein. 1995 führte die damit verbundene Suchbewegung in Christian Krachts »Faserland« immerhin noch zu Fisch-Gosch mit Champagner und Scampis auf Sylt, zu bunten Pillen, schwulen Burschenschaftern und schwarzen Models in Hamburg, Frankfurt und Heidelberg ((vgl, Georg Diez: Christian Kracht: Faserland. Frankfurter Allgemeine Zeitung. 17. März 2002)), während heutige Sinnkrisen explizit mit den Todsünden in Verbindung gebracht werden. Zumindest bei Simon Strauss, dessen Protagonist beim nächtlichen Versuch, Todsünden zu begehen, scheitert. Als ob die Säkularisierung, die mit dem Transzendenten nicht mehr rechnet, sogar die schlimmsten aller Sünden mit

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Gedichtinterpretation: Johann Wolfgang Goethe – Natur und Kunst (1800)

  Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehenUnd haben sich, eh’ man es denkt, gefunden;Der Widerwille ist auch mir verschwunden,Und beide scheinen gleich mich anzuziehen. Es gilt wohl nur ein redliches Bemühen!Und wenn wir erst in abgemeßnen StundenMit Geist und Fleiß uns an die Kunst gebunden,Mag frei Natur im Herzen wieder glühen. So ist’s mit aller Bildung auch beschaffen:Vergebens werden ungebundne GeisterNach der Vollendung reiner Höhe streben. Wer Großes will, muß sich zusammenraffen;In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.  Worum eigentlich geht es in diesem um 1800 ohne Titel erschienen Sonett?

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Welche Zeitschriften ich warum in meiner Freizeit lese

Seit ich das Lesen einigermaßen beherrsche, bin ich ein Leser von Zeitschriften. ((Neben den hier erwähnten Zeitschriften gibt es noch beruflich relevante Fachzeitschriften zur Didaktik und Pädagogik, die ich sichte, aber hier geht es um Zeitschriften, die ich in meiner »Freizeit« über diese hinaus lese.)) Waren das in meiner Jugend eher Zeitschriften wie »P.M.« oder das Geschichtsmagazin »damals« – klassische Jugendzeitschriften wie »Bravo« interessierten mich eher nicht – hat sich der Schwerpunkt der Zeitschriften verschoben, die ich heute lese. Teilweise kann ich an den Jahrgängen ablesen, wann mich welches Thema besonders interessierte. So gibt es ein paar Jahre, in denen

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3 Fallen der Beratung

Lernen hat neben anderem etwas damit zu tun, dass ich an Rückmeldungen anderer erkennen kann, ob ich etwas gelernt habe oder ob ich etwas noch nicht so gut kann und weiter lernen muss: Lerne ich eine Sprache, dann merke ich, ob ich richtig spreche, daran, ob das Gegenüber mich versteht. Will ich guten Unterricht machen, brauche ich immer wieder und nach wie vor das Gespräch mit Dritten, um für den Reflexionsprozess nicht nur meine eigenen Notizen zu haben, die sicherlich auch hilfreich sind, sondern eine externe Stimme, die mich mit mehr oder weniger professionellem Hintergrund zum Nachdenken bringt. Dabei meint Nachdenken

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Bild: CC0 Public-Domain (von geralt via Pixabay – https://pixabay.com/de/lehrer-schule-buchstaben-abc-797944/

Was können Lehrer, was Erklärvideos nicht können? – Schülerantworten

Für fast alles gibt es heute Erklärvideos im Internet. Es gibt erste Versuche, in deren Zusammenhang Schülerinnen und Schülern individuelle Lernwege zusammengestellt bekommen. Algorithmen haben diese Arbeit übernommen und während Lehrkräfte selten dazu kommen, das Lernverhalten von Schülern und Schülerinnen so genau im Blick zu haben, dass jede und jeder individuell angepasste Aufgaben bekommen kann, kann der Computer auf der Basis großer Datenmengen sehr wohl genau diese Arbeit leisten. ((Bei allen Chancen und Risiken, die mit großen Datenmengen (Big Data) verbunden sind.)) Je mehr diese technischen Entwicklungen tatsächlich zeigen, was Computer leisten können, um so mehr beschäftigt mich die Frage: Was

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Die Bildungsrevolution findet nicht statt

Die Bildungsrevolution findet nicht statt. Alle paar Jahre wird sie ausgerufen, es werden heiße Debatten geführt, Lösungsversprechen gemacht, Forschungsaufträge vergeben, immer in der Hoffnung, dass nun endlich die große Revolution im Bildungswesen kommen müsse. Das Ziel der Revolution wird dabei immer mal wieder neu definiert. Die Reformpädagogen setzten auf »Ganzheitlichkeit« und paarten diese mit der großen Vision, dass jeder lerne, was er brauche, wenn er frei entscheiden könne, was er wann lerne; die 68er riefen diverse Befreiungen aus, gründeten Kinderläden und setzen die Vision einer gemeinsamen Schule für alle Kinder und Jugendlichen in verstärktem Maße in die Welt: Gesamtschulen sollten

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Gefunden: Jean Paul Sartre und die Grundzüge seiner Philosophie

Es ist kein Problem, in Sartres Leben Punkte zu finden, die kritisiert werden können und kritisiert werden müssen. Und dennoch: Sartre war einer der einflussreichsten aktiven Denker des 20. Jahrhunderts. Grund genug, sich hin und wieder mit ihm zu befassen. Wer es noch nicht getan hat: Hier gibt es zwei Videos, die als eine Annäherung dienen können. Zunächst eine Dokumentation in englischer Sprache, in der unter dem Titel »Der Weg zur Freiheit« (»The Road to Freedom) einige Aspekte der Philosophie Sartres vorgestellt werden. Und hier ein Interview mit Sarte auf Französisch. Auch wenn jemand kein Französisch kann, kann man sich

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Im Alltag bloggen und 13 Tipps für Blogger

Die Frage, wie ich das mit dem Bloggen in meinem Alltag unter bekomme, taucht so regelmäßig auf, dass es Zeit ist, mir selbst einmal schriftlich darüber Rechenschaft zu geben. Wie geht das, einen durchaus mehr als die regulär abverlangten 42 Wochenstunden fordernden Beruf mit dem auf den ersten Blick auch sehr zeitaufwendigen Hobby des Bloggens zu verbinden? Blicke ich zur Beantwortung der Frage auf die nunmehr fast sechs Jahre meines Bloggerlebens zurück, so fällt mir zunächst auf, dass die in dieser Zeit entstandenen Inhalte (Fotos, Audioaufnahmen, Texte … ) ein Vielfaches von den veröffentlichen Inhalten ausmachen. – Naheliegend ist da

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Lehrerblogs sind tot.

Blogs sind schon seit drei Jahren tot. Möglicherweise sind Blogs aber auch erst seit Weihnachten 2013 tot. – Wer daran glauben mag, kann an dieser Stelle aufhören, diesen Artikel zu lesen. Wer jetzt weiterliest, vertritt möglicherweise die Position, dass das mit dem Schwarz und Weiß bei Formen des Auftretens im Internet ganz so einfach dann doch nicht ist. Nach wie vor gibt es Leute, die Blogs schreiben, die mit ihren Inhalten nicht in geschlossene Biotope sozialer Netzwerke abwandern – und gelesen werden. Sicher: Das mit dem Bloggen ist harte Arbeit. So etwas hält nicht jeder über einen längeren Zeitraum durch.

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Ein „Rant“ für digitale Bildung …

Ich schaute mir gerade das gaaaanz am Ende diese Beitrags eingebettete Video mal wieder an. – Nach wie vor bin ich nicht mit jedem Detail einverstanden, das Tanja Haeusler und Johnny Haeusler in diesem Beitrag zur re:publica 2013 benennen. Die Grundrichtung aber finde ich durchaus bedenkenswert. Und das die zunehmende Kasernierung  pädagogisch wertvolle Rundumversorgung von Kindern in Krippen, Kindergärten, Ganztagsschulen, Horten etc. möglicherweise nicht die optimale Form ist, um Kinder und Beruf miteinander in Einklang zu bringen, sprechen die Haeuslers ziemlich deutlich an. Oh ja, und dann haben wir auch noch, die Haeuslers formulieren das auch in dem Video, das am

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Du sollst mehr bloggen ;-)

Es kommt mir manches Mal so vor, als gehöre es fast schon zum „State of the Art“, über das Nischendasein deutschsprachiger Blogs in der deutschsprachigen Internetlandschaft ein wenig zu jammern. Zum Spiel gehört wohl auch, dass Vorschläge gemacht werden, wie sich das ändern könnte. Die Überschrift dieses Artikels verweist weder darauf, dass ich hier einschätzen will, wie der gesamtgesellschaftliche Status von Blogs ist, noch enthält dieser Beitrag ein Patentrezept, wie ein Blog „erfolgreich“ werden kann. Das „Du“ in der Überschrift könnte auch „Ich“ heißen, wobei man die Überschrift dann auch noch grammatikalisch anpassen müsste 😉 Anlass für diese Überlegungen ist

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Unterricht geht durch den Magen oder: Mein Beitrag zur Blogparade „Reflektierende Praktiker (Lehrende und Co)“

Mein Beitrag zu der von mir selbst ausgerufenen Blogparade „Reflektierende Praktiker (Lehrende und Co)“! Unterricht geht mir durch den Magen. Ob eine Stunde gut gelungen oder ein Stundenkonzept grandios gescheitert ist, merke ich tatsächlich sehr schnell als „Gefühl in der Magengegend“. Von einer strukturierten oder gar in Routinen verpackten Reflexionspraxis ist zu diesem Zeitpunkt aber noch nichts auf weiter Flur zu sehen. Bei diesen eindeutigen Fällen, die durch Gasteromantie 😉 angemessen in den Vordergrund drängen, scheint es auf den ersten Blick auch nicht unbedingt nötig, in Reflexionsprozessen zu versinken.

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Handschrift und Tastaturen. Ein subjektiver „Test“-Bericht

Tablet-Tastaturen, wie der des Samsung Galaxy oder des Apple iPad, wird oft nachgesagt, dass man nicht so schnell auf ihnen tippen könne, wie auf einer „echten“ Computertastatur Das stimmt. Mir geht es auch so: Während ich mit mechanisch gelagerten Tasten blind und sehr schnell schreiben kann, ist das Tempo auf der virtuellen Tastatur, die ich zugegebenermaßen mittlerweile auch fast blind bedienen kann, deutlich langsamer. – In Berichten über Tablets liest sich der Teil über die Bedienungsfreundlichkeit der Tastatur für mich allerdings immer so erschreckend, da ich diese Kritik nur in Teilen nachvollziehen kann Ja, das Tippen auf dem iPad, ein

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Einladung zur Blogparade: Reflektierende Praktiker (Lehrende und Co)

Auf Twitter fragte ich heute: Frage an LehrerInnen: Wer führt zur Unterstützung eigener Praxisreflexion ein Arbeitsjournal? Oder: Wie sieht eure ReflexionsROUTINE aus? — herrlarbig (@herrlarbig) August 6, 2012 Aus den ersten Antworten kristallisierte sich heraus, dass das keine Frage für 140 Zeichen auf Twitter ist. Deshalb lade ich zu einer Blogparade zu genau diesem Thema ein. Das mache ich in zwei Schritten: Ich erzähle kurz, was mich an der Frage interessiert und erläutere dann, was eine Blogparade ist und wie an ihr teilgenommen werden kann. zu 1: Warum diese Frage nach der Praxisreflexion? Mir wurde in meiner Ausbildung, sowohl im

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Ach, diese Kostenloskultur (!). Reflexionen nach einem Bloggertreffen.

Das schlechte Gewissen dringt in alle Sphären meiner Präsenz im Internet. Überall an seinen Rändern sitzen jene „digitalen Bettler“ und winseln um kommerzielle Beachtung, reden von dem Geld, das sie so gerne im Netz verdienten. Und ich gehöre zu denen, die Schuld sein sollen, dass dieses Geld nicht verdient werden kann. „Nein! Dein Blog ist viel zu klein und unbedeutend, als dass du jemanden in eine existentielle Krise materieller, ja vor allem finanzieller Art treiben könntest“, sagt da ein kleines, ganz in weiß gekleidetes Wesen neben meinem einen Ohr. „Quatsch“, ruft es an meinem anderen Ohr – ich sehe erst

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Herrn Larbigs Bibliothek 16 – David Foster Wallace: Das hier ist Wasser / This is Water

Ohne Buchhändlerin hätte ich dieses Büchlein wahrscheinlich einfach übersehen, es nicht in meine Bibliothek aufgenommen, finde ich es doch manches Mal auffällig, wie es Verlagen gelingt, kleine Prosawerke aufzupumpen und dann als Bücher zu verkaufen. Ok, fünf Euro sind zu verschmerzen, aber normalerweise sperrt sich in mir etwas, wenn ich solche Kleinigkeiten von Verlagen angeboten bekomme, die dann, was eigentlich lobenswert ist, auch noch das amerikanische Original des Textes enthalten und so statt 35 plötzlich 64 Seiten »dick« sind. Nach der Lektüre dieser Rede, die der 2008 verstorbene Foster Wallace 2005 vor College-Absolventen gehalten hatte, im gleichen Jahr hielt übrigens

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Über den Bildungsauftrag der Schule und digitale Medien

Schule hat den Auftrag, junge Menschen im Rahmen ihrer Sozialisation zu bilden und zu erziehen. Das habe nicht ich mir ausgedacht. Das steht im für mich verbindliche Schulgesetz des Landes Hessen. –  Das erste dort genannte Ziel von Bildung ist es, die Grundrechte für sich und andere wirksam werden zu lassen. Es geht dort um Beziehungen zu anderen Menschen, die von Achtung und Toleranz, Gerechtigkeit und Solidarität geprägt sein sollen. Es geht um die Beförderung der Gleichberechtigung, um das Verständnis anderer Kulturen und deren Leistungen, um die Fähigkeit, das eigene Handeln auf seine Konsequenzen befragen zu können. Erst nachdem diese

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Nachdenken über Kunst @staedelmuseum

Vergangene Woche war ich zum ersten Mal im neuen, von seiner Ausstellungsfläche her nahezu doppelt so groß gewordenen Städel am Frankfurter Museumsufer, einem der bedeutendsten Museumsstandorte in Europa – und damit auch auf den fünf Kontinenten. Die neuen Gartenhallen sind der Gegenwartskunst gewidmet. – Ein Besuch reicht natürlich nicht, um die dort zugänglichen Kunstwerke wirklich wahrnehmen zu können, aber ein solcher Besuch kann ein Nachdenken über Kunst anregen. Ein solches Nachdenken über Kunst, die in meinen Augen ein Dialog mit der Wirklichkeit mit künstlerischen Mitteln ist, hat seinen Niederschlag in einer Podcastfolge gefunden. Zu diesem Podcast schreibe ich im Abstract

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Apples Bildungsinitiative oder: Vom Aufstellen weiterer Weidezäune.

Stellt Apple neue Produkte vor, entsteht schnell der Eindruck, dass es sich jedes Mal um eine große Innovation handele. – Schnell wird dann die Frage gestellt, welche Art von Technik oder welchen Teil der Gesellschaft Apple dieses Mal „revolutioniere“. Diese Reaktionen erfolgen mehr oder weniger reflexartig. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich oft, dass Apple bereits vorhandenen Konzepte populärer und marktfähig macht, komplizierte Bedienungen vereinfacht und dafür sorgt, dass jeder, der sich auf dieses „großartige“, „fantastische“, „innovative“ und „so noch nie da gewesene“ Produkt einlässt, fest in Apples Wertschöpfungskette eingebunden wird. Keine Frage, ich selbst mag Design und Funktionalität der Produkte

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