Kategorie: Herrn Larbigs Bibliothek

Beim Lesen des Gedichtbands »ich föhne mir meine wimpern« von Sirka Elspaß

Ich kaufte den Gedichtband »ich föhne mir meine wimpern« von Sirka Elspaß nach einer Lesung bei den Lyriktagen Frankfurt 2023.  Mir hatte gefallen, dass die Gedichte mich schon beim ersten Hören in sich herein / hinein kommen ließen. Was ich da aber sah (vielleicht besser: wahrnahm), brachte mich zugleich auch auf Distanz, ohne dass ich das Gefühl hatte, die Zugänglichkeit dieser Texte für mich könnte eine Täuschung meiner Wahrnehmung gewesen sein.  Sie (die Wahrnehmung natürlich) fühlte sich wohl beim Betreten der Texte, die keine Wohlfühltexte sind. Also muss ich das anders sagen. Sie (die Wahrnehmung – immer noch) fand in

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Die Langeweile des Bungeesprungs – Simon Strauss: Sieben Nächte

Endzwanziger scheinen nunmehr seit mindestens 20 Jahren in der Dauerkrise einer Sinnsuche zu sein. 1995 führte die damit verbundene Suchbewegung in Christian Krachts »Faserland« immerhin noch zu Fisch-Gosch mit Champagner und Scampis auf Sylt, zu bunten Pillen, schwulen Burschenschaftern und schwarzen Models in Hamburg, Frankfurt und Heidelberg ((vgl, Georg Diez: Christian Kracht: Faserland. Frankfurter Allgemeine Zeitung. 17. März 2002)), während heutige Sinnkrisen explizit mit den Todsünden in Verbindung gebracht werden. Zumindest bei Simon Strauss, dessen Protagonist beim nächtlichen Versuch, Todsünden zu begehen, scheitert. Als ob die Säkularisierung, die mit dem Transzendenten nicht mehr rechnet, sogar die schlimmsten aller Sünden mit

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Herrn Larbigs Bibliothek 20 – Navid Kermani: Einbruch der Wirklichkeit

Navid Kermani, Träger des Friedenspreises des deutschen Buchhandels, hat im letzten Herbst die Balkanroute in umgekehrter Richtung bereist, relativ spontan, wie er in einem Gespräch des Deutschlandfunks beschreibt. Er habe die Rede zum Friedenspreis fertig gehabt, da habe er gemerkt, er müsse jetzt das machen, wofür er ausgezeichnet worden sei. Da so viele Meinungen über Flüchtlinge da seien, sei es wichtig, diese Flüchtlinge und ihre Geschichten kennenzulernen. Also haben sich Kermani und der Magnum-Photograph Moises Saman auf den Weg geamcht. – Das Ergebnis dieser Reise erschien zunächst als Reportage im Spiegel und nunmehr deutlich umfangreicher unter dem Titel »Einbruch der Wirklichkeit.

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Haruki Murakami: Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Ich kann mich nicht satt hören an Franz Liszts »Le Mal du Pays« aus den »Années de Pelerinages« in der Interpretation von Lazar Berman. – Ohne die ständige Wiederaufnahme dieses Klavierstücks in Haruki Murakamis neuem Roman »Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki«, wäre mir dieses Werk weiter unbekannt geblieben. So aber habe ich einen doppelte Bereicherung bekommen: Ein ruhig dahin fließendes, spannungsreiches und gleichzeitig harmonisches Klavierstück, das ich vorher nicht wahrgenommen hatte, und einen ebenso ruhig fließenden, dennoch aber spannungsreichen und in seiner Gesamtheit sehr harmonischen Roman des japanischen Kultautors. »Le Mal du Pays«, »die grundlose Traurigkeit, die eine ländliche

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Max Frisch: Aus dem Berliner Journal

Die Max-Frisch-Stiftung hat sich entschlossen, dem Volke der Leser einen neuen Happen Max Frisch zu gestatten. Bruchstückhaft: Persönlichkeitsrechtliche Gründe werden vom Herausgeber Thomas Strässle als Grund dafür genannt, dass Frischs „Berliner Journal“ nur als Ruine an die Leser herausgegeben wird, obwohl man sich, wie Volker Weidermann in der Frankfurter Allgemeine Zeitung darlegt, in anderen Fällen um solche persönlichkeitsrechtlichen Gründe bei der der Herausgabe von Frischs Werken eher weniger Gedanken gemacht zu haben scheint. Von den fünf bis 1980 entstandenen Ringheften sind nun Ausschnitte aus zweien veröffentlicht. Frisch hatte diese Tagebucheintragungen selbst mit einer Sperrfrist von 20 Jahren nach seinem Tode

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Herrn Larbigs Bibliothek 18: Massimo Carlotto, Mama Sabot – Tödlicher Staub

Hinter Mama Sabot steckt eine Gruppe von sardischen Journalisten. Sie waren an der Recherche zu Massimo Carlottos Thriller „Tödlicher Staub“ beteiligt, dem ein Ökoskandal auf Sardinien zu Grunde liegt. Salto di Quirra ist ein Truppenübungsplatz, der mit 116 Quadratkilometer das größte militärische Sperrgebiet Europas ist. Und dieses Sperrgebiet hat es in sich.

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Herrn Larbigs Bibliothek 17 – Jonas Jonasson: Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand

Es gibt Bücher, da leuchtet unvermittelt ein, warum sie gerne gelesen werden. Jonas Jonassons „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ ist genau so ein Buch, auch wenn das deutsche Feuilleton sich selbst an die Nase griff und sich eingestehen musste, diesen Roman übersehen zu haben.

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Herrn Larbigs Bibliothek 16 – David Foster Wallace: Das hier ist Wasser / This is Water

Ohne Buchhändlerin hätte ich dieses Büchlein wahrscheinlich einfach übersehen, es nicht in meine Bibliothek aufgenommen, finde ich es doch manches Mal auffällig, wie es Verlagen gelingt, kleine Prosawerke aufzupumpen und dann als Bücher zu verkaufen. Ok, fünf Euro sind zu verschmerzen, aber normalerweise sperrt sich in mir etwas, wenn ich solche Kleinigkeiten von Verlagen angeboten bekomme, die dann, was eigentlich lobenswert ist, auch noch das amerikanische Original des Textes enthalten und so statt 35 plötzlich 64 Seiten »dick« sind. Nach der Lektüre dieser Rede, die der 2008 verstorbene Foster Wallace 2005 vor College-Absolventen gehalten hatte, im gleichen Jahr hielt übrigens

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Herrn Larbigs Bibliothek 15 – Jonathan Franzen: Freiheit. Roman.

Wenn ein Familienroman während einer bestimmten Zeit spielt und die Familie einigermaßen geschickt gestaltet wird, dann wird aus dem Familienroman ein Zeitroman. Jonathan Franzen kann das gut: Mehr als 700 Seiten umfasst sein Roman „Freiheit“, der 2010 erschien und nach „Die Korrekturen“ intensiv erwartet wurde. Mehr als 700 Seiten, auf denen er den Überblick über sein Personal behält, immer wieder souverän Handlungsfäden aufgreift, weiterführt und wieder mit anderen Handlungsfäden verbindet, die dann wieder … Ein gut gearbeiteter Familienroman, der gut 30 Jahre USA-Geschichte – mit zugegebener Maßen recht konventionellen Mitteln und künstlerisch wenig originell – reflektiert, den Schwerpunkt aber auf

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