Der Weg zur Epoche der »Weimarer Klassik« – Selbstvergewisserung der Zusammenhänge (Sachanalyse)
Es reicht für mich als Deutschlehrer nicht, mich einmal mit einer Epoche befasst zu haben. Immer wieder setze ich mich hin und gebe mir selbst Rechenschaft, was ich über den Weg durch die Epochen eigentlich an Kenntnissen habe. Epochen sind miteinander verbunden und hängen vor allem auch mit historischen Kontexten zusammen, was den Epochenbegriff so schwammig macht. Kurz: Ich schreibe mir immer mal wieder neue Sachanalysen. Diese Textform gehört nicht exklusiv ins Referendariat, um Referendar:innen zu quälen, sondern es handelt sich um ein Werkzeug für die eigenständige Entwicklung und Reflexion von Unterricht während des gesamten beruflichen Lebens. In diesem Rahmen ist der folgende kleine Text über den Weg zur Epoche der kurzen, aber doch so sehr bedeutsamen Epoche der »Weimarer Klassik« entstanden1, über die ich vor ca. zwölf Jahren schon einmal einen deutlich längeren Beitrag verfasst habe.
Die Aufklärung mache den Menschen frei von Unterwerfung und Unmündigkeit, ja, sie führe ihn aus der »selbstverschuldeten Unmündigkeit« (Kant) heraus. Es wurde die Parole ausgegeben, dass der Mensch nunmehr den Mut haben solle, sich seines eigene Verstandes zu bedienen. Und so traten »wir«2 nach den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges etwa im letzen Viertel des 17. Jahrhunderts in das Zeitalter, in die Epoche der Aufklärung ein.
Lessing schreibt seinen »Nathan der Weise« und »Emilia Galotti«, um die Gleichwertigkeit mindestens der drei abrahamitischen Religionen herauszuarbeiten (Ringparabel) und um die bürgerliche Tugend von der adeligen Willkür abzugrenzen. Die Tradition der lehrhaften Fabel wird wieder aufgegriffen. Zugleich entdeckt sich das Individuum, der einzelne Mensch mit seinen Leidenschaften und seinen Gefühlen, die aus entfremdeten Rollenvorstellung ausbrechen. Dieses neue Selbstbewusstsein der Jugend fand in der Literatur des Sturm-und-Drangs seinen Ausdruck.
Goethe wandte sich von diesem aber bereits ab, als er 1776 – in dem gleichen Jahr, in dem die USA ihre Unabhängigkeit (4. Juli 1776) erklärten – nach Weimar ging und in den Dienst des dortigen Hofes trat.
1786 begann er unter anderem in Folge einer Lebenskrise die Italienische Reise und entdeckt dort die italienische Antike mit ihrer Kultur, was die Grundlage für sein Verständnis von Kunst nachhaltig prägte. Infolge dieser Reise trennte Goethe die Bereiche des Politikers von denen des Künstlers. – Damit legte er bereits eine wichtige Grundlage für das Kunstverständnis, das schließlich die Weimarer Klassik, als deren Vertreter im Grunde nur Schiller und Goethe angesehen werden können, wenn auch Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried Herder zur gleichen Zeit in Weimar wirkten.
Ausschlaggebend dafür, dass die Trennung von Kunst und Politik zu einem der Merkmale der Klassik wurde, waren Entwicklungen infolge der Französischen Revolution 1789. 1792 wurde Louix XVI. enthauptet, es kam zu den Septembermorden und der jakobinischen Herrschaft, die vor Gewalt zur Durchsetzung ihrer Ziele nicht zurückschreckte.
Für deutsche Intellektuelle war das alles nur schwer zu ertragen. Goethe selbst nahm 1792 am Koalitionskrieg gegen Frankreich teil, erlebte die Belagerung von Mainz und lehnte die Revolution letztlich ab. Das verband ihn mit Schiller und könnte einer der Gründe gewesen sein, dass sich zwischen diesen beiden nach anfänglich deutlicher Distanz eine enge Freundschaft entwickeln konnte, die eine ganze literarische Epoche in sich bergen konnte: die Weimarer Klassik.
Im Zentrum der Weimarer Klassik stand die Frage nach dem Verhältnis von Politik und Kunst und die Idee, dass der Mensch mithilfe einer von der Politik autonomen, idealisierenden Kunst »veredelt« werden könne, um letztlich zu einer besseren Gesellschaft zu gelangen. Schiller und Goethe teilten also nicht die Auffassung der jakobinischen Literatur, dass sich Kunst in den Dienst der Politik stellen solle sich letztlich als Instrument der Revolution andienen müsse.
Schiller schrieb »Über die ästhetische Erziehung des Menschengeschlechts«, worin er sich mit der Entwicklung in Frankreich befasst, und entwickelt den Begriff einer idealisierenden Ästhetik, der den Spieltrieb des Menschen und die Vernunft in Einklang und Harmonie bringen soll.
Zugleich entstand in diesem Zusammenhang die Vorstellung einer autonomen Kunst, in deren Rahmen Schiller die »Schaubühne als eine moralische Anstalt« betrachtet.
Idealisierung, Ästhetisierung, ein starker Bezug zur griechischen und römischen Antike prägten nun das Werk von Schiller und Goethe. Es entstanden Goethes »Iphigenie auf Tauris«, Schillers »Maria Stuart«, Goethes »Natur und Kunst« und vor allem Goethes »Das Göttliche«.
Mehr zur Epoche selbst: https://herrlarbig.de/2011/08/04/deutsche-klassik-als-literarische-epochen/