#Educamp – Bielefeld: Die Reisemetapher – oder: Das Ziel wird dennoch erreicht #ecbi11
Der Zug kam schon vom Bahnsteig in Frankfurt nicht richtig weg.
Kaum war er angefahren, blieb er ruckelnd wieder stehen.
Dann schlich er, ein Modell des schnellsten und modernsten Zuges, der in Deutschland unterwegs ist, Richtung Frankfurter Flughafen. Doch bereits am Stadion kam die Ansage, dass der Zug am Flughafen enden würde, da es eine Störung am Antrieb gebe, mit der man nicht nach Köln fahren könne.
Werden eigentlich Züge vor der Abfahrt nicht technisch geprüft? Gibt es an einem so zentralen Knotenpunkt der Bahn, wie es Frankfurt nun einmal ist, keine Ersatzzüge?
Der Zug wurde geräumt und der nächste angebotene Zug Richtung Köln wäre ca. 30 Minuten später gefahren – allerdings nur bis Köln-Deutz. Ich musste aber zum Hauptbahnhof, um von dort meine Reise zum Educamp in Bielefeld fortsetzen zu können.
Und da gab es einen ICE, der früher fuhr. Ich bin rein gekommen. Ich habe einen Sitzplatz bekommen und dann – verspätete sich dieser ICE, weil er überfüllt war und die Bahnmitarbeiter darauf warteten, dass das Volk den Zug doch bitte wieder verlasse. Das hat mit den angebotenen Alternativzügen dann auch geklappt, auch wenn die Bahn nicht sagte, dass diese Züge garantiert funktionieren und außerdem noch genügend Kapazitäten bieten würden.
Kurz vor Köln wurde dann durchgesagt, dass mein Anschlusszug zu denen gehöre, die nicht hätten warten können. Das irritierte mich, denn wir kamen ja drei Minuten vor der offiziellen Abfahrtszeit dieses Zuges an. Und man musste auch nur von Gleis 5 auf Gleis 2. der Zug hätte nur zwei Minuten später losfahren müssen, dann hätten ihn wohl auch die Fahrgäste erreichen können, die nicht so eilten, wie ich das tat.
Die Züge, die ich bekommen konnte, fuhren nicht wie angekündigt; den Zug, den ich mit Ankündigung gar nicht hätte erreichen sollen, habe ich erreicht.
Nehme ich diese Erfahrungen mit in dieses Wochenende? kann da schnell mal ein Gleichnis draus gemacht werden?
Zu wissen, dass man ankommen wird; zu wissen, dass es Wege gibt, auch wenn ein Zug ausfällt, weil man ihn vor Bereitstellung nicht noch einmal technisch überprüft hat, aber schließlich nur noch davon auszugehen, dass man ankommen wird – nicht mal mit Umwegen, nur mit etwas zeitlicher Verzögerung — soll mir ein Bild dafür sein, wie sich die Entwicklung der Lernkultur in den nächsten Jahren wahrscheinlich darstellen wird.
Lernen wird viel digitaler werden. Das ist eine Entwicklung, aber das ist auch ein Ziel, wenn man das aufklärerische Potential von Bildungsprozessen voll nutzen will, denn nie zuvor gab es ein Instrument, das Menschen, denen die Ressourcen zu dessen Nutzung verfügbar sind, in einem solchen Maße Möglichkeiten der Partizipation gab, wie es das Internet und die ihm zugrunde liegende Digitalisierung erlauben.
Die Integration digitaler Lernformen, die das Lernen selbst verändern werden, ist sicher kein Selbstläufer, sondern Bedarf der Entscheidung, dass gegenwärtige Entwicklungen so relevant sind, dass sie integriert werden sollen. Doch es scheint eine Breite Mehrheit zu geben, die diesen Weg für vorgezeichnet ansehen und diesen Weg auch gehen wollen.
Dabei mag ein Zug mal mit Getriebeschaden stehen bleiben, ein anderer überfüllt sein, ein Zug erreicht werden, der gar nicht mehr hätte erreicht werden dürfen, hätte man den Ansagen im verspäteten Zug geglaubt. Am Ende werden wir in einer Lernkultur ankommen, die anders ist als die, die wir heute kennen.
Es wird keine Lernkultur sein, in der alles neu ist. So schnell ändern sich die lernphysiologischen Voraussetzungen des Menschen nicht.
Es werden aber andere Wege sein, die diesen lernphysiologischen Gegebenheiten offen stehen.
Es werden andere Orte sein, von denen aus gelernt werden kann, wenn das Internet erst einmal zuverlässig und nahezu überall verfügbar ist und funktioniert.
Ich komme später in Bielefeld an als geplant. Am Zug, in dem ich jetzt sitze, liegt es nicht, denn der ist überpünktlich. Es waren die modernen Schnellstrecken der deutschen Bahn, auf denen die Nachfrage heute nicht auf angemessene technische Zuverlässigkeit traf.
Es sind sicher nicht die übervollen Wege im Netz, die uns den Weg in eine neue Lernkultur ebnen werden. Es sind nicht Facebook oder Google+ die Lernen prägen werden, sondern eher die Nebenstrecken in Blogs, auf Plattformen engagierter Bildungsarbeiter, die sich in Vereinen oder in Einzelinitiativen vernetzen.
Das mag ein gewisses Durchhaltevermögen unabdingbar machen. Aber auch wenn eine Reise länger dauert oder das Ziel nur über Umwege erreicht werden kann: Auch dabei gibt es in den Landschaften vieles zu entdecken, was bei gerade Wegen und ohne Verzögerungen so wahrscheinlich nie entdeckt worden wäre.
Natürlich wird sich das Lernen mit dem Übergang auf das Leitmedium Internet verändern. Ich denke aber, wir haben einige Verantwortung dafür, wie das geschieht. Du schreibst:
„Es waren die modernen Schnellstrecken der deutschen Bahn, auf denen die Nachfrage heute nicht auf angemessene technische Zuverlässigkeit traf.“
Genau darin liegt auch das Problem der neuen Lernkultur: Wenn wir uns davon abhängig machen, dass eine Technik funktioniert, und keine Alternative mehr zur Verfügung steht, kommt es zum Zusammenbruch des Systems.
Lernen muss flexibel bleiben.
Natürlich sollen wir die neuen Möglichkeiten von Web 2.0 nutzen; aber eine Lernkultur, die sich vom Funktionieren von Apparaten abhängig macht, ist noch problematischer als einseitiger Frontalunterricht.
Bielefeld war mein erstes educamp. Eine sehr positive Erfahrung. Ich habe in den letzten Jahren völlig isoliert an einem Gymnasium in NRW versucht, Lernen mit neuen Medien zu praktizieren. Die Ergebnisse waren aus meiner Sicht und aus der Perspektive der Erfolgsbilanz positiv. Die Rückmeldung aus dem Kollegium bewegte sich jedoch leider zwischen Ignoranz, Neid, Konkurrenz u.ä.
Das educamp hat mich in meinen Bestrebungen sehr bestärkt. Die Erkenntnis, dass man mit neuen Ansätzen erst einmal isoliert ist, hat sich insofern relativiert, als man nur in seinem lokalen Rahmen isoliert ist. Netztechnisch findet man unglaublich viele Knoten etc.
Besonders wichtig fand ich auf dem educamp bielefeld 11 die Bestrebungen, dem Prinzip OER zum Durchbruch zu verhelfen. HerrLarbig hat da sicher eine wichtige Koordinationsfunktion, aber produktiv sind auch klene Beiträge z.B. bei rpi.de oder ähnlichen Seiten.