Zwischen Impuls und Illusion – KI als Kreativitätsbooster für Leher:innen?

Künstliche Intelligenz, von der so viel gesprochen wird, macht mich neugierig – und skeptisch. Ich beobachte: Während die einen KI bereits für Unterrichtsentwürfe, Musterlösungen für Klassenarbeiten oder Arbeitsblattideen einsetzen, fragen andere: »Wo bleibt da die Professionalität?« Oder: »Wird unsere pädagogische Arbeit jetzt automatisiert?« Auch eine wichtige Frage: »Kann ich Schüler:innen KI verbieten, sie aber selbst nutzen?«

Die Vorstellung, dass KI als Kreativitätsbooster dienen kann, klingt verlockend. Doch sie verlangt danach, genauer hinzusehen. Denn zwischen Inspiration und Irritation ist es oft nur ein schmaler Grat.

KI liefert Impulse – aber auch Beliebigkeiten

In der Praxis zeigt sich: KIs können durchaus auf Zuruf Themenvorschläge, Strukturideen oder methodische Ansätze liefern. Das fasziniert mich. Das ist spannend. Beeindruckend. Das kann hilfreich sein – besonders dann, wenn man vor einem weißen Blatt Papier oder einer leeren Datei sitzt und nach dem sprichwörtlichen ersten Schritt sucht. Aber: Viele Vorschläge von KIs sind oberflächlich, oft stereotyp, plakativ, langweilig, manchmal didaktisch fragwürdig oder kulturell unsensibel.

Was KI eben nicht kann: Kontexte kennen. Klassenkonstellationen verstehen. Pädagogisches Feingefühl entwickeln. An die Stelle einer mit der Sache aus Leidenschaft vertrauten Lehrerpersönlichkeit treten. KI arbeitet mit Wahrscheinlichkeiten – pädagogisches Ethos und didaktische Kompetenz sind ihr unbekannt.

Der Mensch bleibt das Maß

Wenn KI überhaupt als »Booster« funktionieren kann, dann nur, weil ich als Pädagoge und didaktisch reflektierender Experte mitdenke, auswähle, verwerfe, kombiniere. Es sind die Kompetenz des studierten Fachlehrers und Pädagogen, Erfahrung, die Intuition und das pädagogische Ethos, das aus einer Anregung, die mithilfe einer KI gewonnen wurde, einen tragfähigen Unterricht macht – oder eben nicht.

Zudem gilt es, die Gefahr im Blick zu behalten, dass man – z. B. in Zeiten hoher Arbeitsverdichtung und damit verbundener Auslastung – der Versuchung erliegt, pädagogische Verantwortung an einen Algorithmus zu delegieren. Wer sich zu sehr auf KI-Vorschläge verlässt, läuft Gefahr, unreflektierte Inhalte oder mechanische Abläufe in den Unterricht zu bringen – die dann genau das Gegenteil von Kreativität bewirken: Standardisierung statt Entfaltung.

Obwohl: Sind Bildungsstandards nicht nach wie vor en Vogue? Standardisierung, Vergleichbarkeit – sind das Entfaltungsverhinderungsnormen oder ist das wirklich hilfreich? Da ich Bildungsprozesse nach wie vor für etwas halte, das über »Kompetenzen« und »Bildungsstandards« im Kontext formaler Bildung hinaus geht, ist mir wichtig: Auch Kerncurricula können gute Lehrer:innen – und das meint mehr als nur gut ausgebildete Lehrer:innen, aber nicht weniger – nicht ersetzen, die als Persönlichkeit über das rein Curriculare hinaus in Bildungsprozessen eine wichtige Rolle spielen.

Schüler:innen und die Frage nach dem Umgang mit KI

Ein besonders sensibler Punkt: Der Umgang mit KI im Klassenzimmer selbst. Wenn Schüler:innen heute Hausaufgaben, Beiträge im Rahmen der mündlichen oder sonstigen Mitarbeit, Interpretationen oder gar ganze Referate von Tools generieren lassen können – was bedeutet das für unsere Prüfungsformate, unsere Rückmeldungen, unsere Vorstellung von Leistung?

Meine Ansage an Schüler:innen in Sachen KI: »KI kann man eigentlich nur dann nutzen, wenn man das, was sie als Ergebnis ausgibt, auch selbst formulieren, gestalten, überarbeiten, korrigieren kann.«

Der Umgang mit KI wird immer dann problematisch, wenn ich mir von ihr die Arbeit des Lernens und des Verantwortens abnehmen lassen will. Problematisch wird es, wenn ich die KI statt meiner arbeiten lasse, während sie doch dafür da ist, damit ich mit ihr arbeite. Die Verantwortung für jedes Wort, für jedes Arbeitsblatt, für jede Unterrichtsidee liegt bei mir als Lehrer. Nirgendwo sonst; nicht einmal bei Bildungsmedienanbietern wie Schulbuchverlagen.

Doch sowohl der Umgang mit als auch die Haltung gegenüber KI will gelernt und reflektiert werden. Deshalb wäre es fahrlässig, KI aus der Schule herauszuhalten. Denn der produktive und kritische Umgang mit solchen Technologien ist Teil von Lernprozessen, die für eine verantworteten Umgang mit technischen Werkzeugen heute notwendig sind. Die Herausforderung liegt also nicht darin, KI zu verbieten – sondern sie einzuhegen: als Werkzeug, nicht als Weltanschauung. Das heißt aber auch: Grenzen setzen; ob nun durch klare Regeln im Kontext der Schule oder eben durch gesetzliche Klarstellungen.

Ein Fazit mit Fragezeichen

KI kann in bestimmten Momenten ein kreativer Impuls sein – aber sie darf uns nicht die Verantwortung für die pädagogische und didaktisch verantwortete Gestaltung unseres Unterrichts abnehmen. Ihr Einsatz verlangt Urteilsfähigkeit, Medienkompetenz und vor allem die oft gerade in schulischen Kontexten so oft vernachlässigte Selbstreflexion – auf Seiten der Lehrkräfte wie auch der Lernenden.

Deshalb vielleicht ein anderes Bild als das vom »Booster«: KI ist eher wie ein Spiegel. Sie zeigt uns, was wir (vielleicht) ohnehin schon denken – in anderer Form, in anderem Ton. Aber was wir daraus machen, liegt bei uns. Und das ist keine Kleinigkeit. Das ist Verantwortung.


Jeder meiner Blogartikel entsteht in einem Schreibprozess. Dieser Prozess wird von mir als Autor verantwortet. Manchmal lasse ich andere einen Artikel lesen und kritisieren, sodass ich ihn überarbeiten kann, bevor ich ihn veröffentliche. Das Vorhanden- und Zuhandensein von maschineller Intelligenz – auch »KI« genannt – führt dazu, dass ich meine Blogartikel auch in Zusammenarbeit mit diesen Tools erstelle. Zu Gedanken, die ich habe, lasse ich Impulse formulieren, die ich manchmal hilfreich finde und nutze, manchmal auch nicht. Ich lasse Texte gemäß meiner stilistischen Vorstellungen mittels KI Korrektur lesen. Ich verwende analoge und digitale Wörterbücher. Manchmal schreibe ich Texte erst mit der Hand vor oder ich diktiere Texte und überlasse die Verschriftlichung der Texterkennung meines Computers. Ich nutze also viele (alle?) Werkzeuge, die heute für die Erstellung, Überarbeitung und Korrektur von Texten verfügbar sind. Dabei liegt die Verantwortung und das Copyright © für das Endprodukt bei mir.