Flaschenpost

Im Internet schreiben ist wie das Abschicken von Flaschenpost: Weder weiß man, welchen Weg die Botschaft nimmt, noch, wer sie findet & liest. Der größte Verlust des E-Mail-Zeitalters: Der persönliche Brief, der täglich den Weg zu Briefkasten motiviert und selbst was schreiben lässt. Heute landen im Briefkasten fast nur noch Rechnungen, Info-Post und Belanglosigkeiten, manchmal eine Postkarte dazwischen.

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300 Millionen (in Wahrheit noch viel mehr) verschwundene Bücher: Die aktuelle Lesestudie der Stiftung Lesen

6 Prozent der Menschen in Deutschland haben mehr als 250 Bücher im Haushalt. Das hat die aktuelle Studie »Lesen in Deutschland 2008« der Stiftung Lesen unter anderem herausgefunden. Im Jahr 2000 waren es noch 9 Prozent. Bei ca. 39 Millionen Haushalten in Deutschland (Stand 2005) sind das ca. 2,3 Millionen Haushalte mit mehr als 250 Büchern, ca. 1,17 Millionen Haushalte weniger als 2000. Wo sind diese 1,17 Millionen Haushalte geblieben? Wo sind die Bücher geblieben? Rechne ich nur mit 250 Büchern pro Haushalt, handelt es ich hier immerhin um 292 500 000 Bücher. – Leider gibt die Studie darüber keine

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Gedichtinterpretation: Paul Zech – Fabrikstraße tags (1911)

Gedichtinterpretation: Paul Zech – Fabrikstraße tags (1911) von Torsten Larbig steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht-kommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.  »Nichts als Mauern.« (V 1) – Gleich zu Beginn nennt Paul Zech in dem 1911 erschienen Gedicht »Fabrikstraße tags« das Lebensgefühl expressionistischer Großstadtlyrik: Alles ist eng – und der Mensch in dieser Enge eingesperrt. Zech beschränkt den Blick auf eine Fabrikstraße, die er, so die hier angenommene Interpretationshypothese ((Andere mögliche Interpretationslinien: Das Verhältnis des Menschen zur Zeit; Entfremdung des Menschen in industrialisierten Produktionsprozessen; Architektur und die Folgen; Verschwinden der Transzendenz und die Folgen – wenn dem Gottesbegriff in

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Faust 1 – Die Gretchenfrage (Marthens Garten – Verse 3414–3543)

4 Faust 1 – Die Gretchenfrage (Marthens Garten – Verse 3414–3543) von Torsten Larbig steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht-kommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz. Goethes »Faust – Der Tragödie erster Teil« kann als eine Auseinandersetzung mit dem Ungenügen des überlieferten und anerkannten Wissens gelesen werden, eine Auseinandersetzung, die in der sogenannten »Gretchenfrage« auf den Punkt gebracht wird: »Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?« (V 3415) Religion steht hier für all das, was Gretchen in ihrem Leben als Maßstab des Handelns ansieht, als Orientierung in ethischen Fragen und im ganz alltäglichen Leben. Es geht in der Gretchenfrage

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Ein Panther im botanischen Garten – Rilkes »Der Panther«

Rainer Maria Rilke, 6.11.1902, Paris Der Panther Im Jardin des Plantes, Paris Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, dass er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt. Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte, der sich im allerkleinsten Kreise dreht, ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte, in der betäubt ein großer Wille steht. Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein, geht durch der Glieder angespannte Stille – und hört im Herzen auf zu sein. Ein

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Wenn wilde Götter zahm sind und Kinder unterfordert werden

Abenteuer, Amazonas-Dschungel, eine Verschwörung und Kulturkritik: Isabel Allendes Roman »Die Stadt der wilden Götter« enthält so ziemlich alles, was eine spannende Handlung und einen guten Roman ausmachen kann. Doch beim Lesen tauchen Zweifel auf, ob die chilenische Autorin hier tatsächlich einen gelungenen Roman vorlegt:

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Zum Frankfurt-Marathon ein Sonett von Platen

Der Frankfurt-Marathon ging heute nur ein paar Meter von hier entfernt vorbei. Also bewaffnete ich mich mit dem Fotoapparat und ging auf Suche nach möglichen Motiven. Als ich diese durchsah, erinnerte ich mich an Gedicht von August von Platen, ein Sonett, um genau zu sein, in dessen letzter Zeile »der Läufer« ausdrücklich genannt wird. Was passiert, wenn ein paar der Bilder, die Läufer und auch Publikum zeigen, neben dieses Gedicht gestellt werden?

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Terézia Mora, Alle Tage: 0. Jetzt – Wochenende – Vögel (S. 9f)

Nach dem »Vorspann« kann nun also der Roman beginnen. Irritierend: Er beginnt mit einem Abschnitt der »0. Jetzt Wochenende« betitelt ist. Und dann erste Kapitel dieses Abschnittes, kaum zwei Seiten lang, mit dem Titel »Vögel« obwohl kein Vogel in dem Kapitel auftaucht. Die Zeit »Jetzt«, der Ort »Hier«. Na, toll. Welches »Jetzt« denn? Das »Jetzt« Lesers, der Autorin, des Erzählers/der Erzählerin des Romans? Und die gleiche Verwirrung beim Ort »Hier«. Ein Hinweis, das Ort und Zeit unwesentlich sind? Dem widerspricht die folgende Beschreibung des Ortes, die mit Adjektiven nur so gespickt ist. Eine Auswahl: östlicherer, braune, leere, vollgestopft, winzig, wüst,

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Terézia Mora, Alle Tage: Der Vorspann des Romans (S. 5)

Im Anfang eines Romans soll alles enthalten sein, was sich im weiteren Verlauf des Buches entfaltet. Zumindest ist dies für mich ein Kriterium für gelungene Literatur und ich weiß aus Gesprächen mit Autoren, dass nicht nur den ersten Seiten eines Romans noch mehr Mühe gewidmet wird als dem Rest, sondern dass der erste Satz hier noch einmal eine herausragende Stellung hat. Manchmal aber gibt es vor dem ersten Satz noch eine Seite mit einer Art Motto des Romans: Das können Zitate bekannterer, unbekannterer und sogar erfundener Leute sein. Bei Terézia Mora wirkt diese der eigentlichen Geschichte voran gestellte Seite ein

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Isabel Abedi, Isola – Mögliche Themen (Brainstorming)

Bevor ich mich mit Isabel Abedis Roman »Isola« näher befasse, will ich in einem ersten Schritt erst einmal überlegen, welche Themen ich mit dem Buch verbinde, die möglicherweise der Bearbeitung wert sein könnten. Dabe gehe ich bewusst über den reinen Inhalt des Romans hinaus. Die Überlegungen sind ungeordnet:

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Schmöker-Schnipsel: Die Dinge der Literatur

Immer wenn Buchmesse in Frankfurt ist, schwebt angesichts der Masse an literarischen Werken und Autorenauftritten, die in diesen fünf Oktobertagen die Stimmung in der Stadt prägen, für mich die Frage im Raum, was Literatur denn nun eigentlich sei. Eine Antwort fand ich beim Schmökern in Raymond Carvers Erhählungenband »Würdest du bitte endlich still sein, bitte« (Berlin 2001, amerikanische Originalausgabe 1976). Richard Ford schreibt dort im Vorwort (Der gute alte Raymond – S. 9–40): »Auf die eine oder andere Art geht es in Literatur natürlich immer um diese einfachen Dinge: mit den Folgen zurechtkommen zu müssen, wenn die Vergangenheit sich in

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Atmosphärische Störungen: »Krabat« – Der Film

Da reibt sich der verwunderte Kinogänger die Augen: Verschneite, hochgebirgsähnliche Berge in der Gegend um Hoyerswerda, der Heimat der Sagenfigur Krabat? Marco Kreuzpaintner trägt schon zu Beginn seiner Aufnahme des Krabatstoffes, die ausdrücklich dem gleichnamigen Buch von Otfried Preußler folgen will, ganz schön dick auf.  Das ist erst einmal in Ordnung, da die Verfilmung eines Buches natürlich ein neues Werk schafft und nicht nur darstellen soll, was so im Buch steht. Jede Verfilmung eines Romans ist eine Interpretation des Romans, die so ziemlich alles leisten muss, was in Schule und Studium über den Umgang mit Büchern gelernt wurde: Es gilt

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